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Reiserecht

(1) Der Reiseveranstalter hat sicherzustellen, dass dem Reisenden der gezahlte Reisepreis erstattet wird, soweit im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Reiseveranstalters
1.
Reiseleistungen ausfallen oder
2.
der Reisende im Hinblick auf erbrachte Reiseleistungen Zahlungsaufforderungen von Leistungserbringern nachkommt, deren Entgeltforderungen der Reiseveranstalter nicht erfüllt hat.
Umfasst der Vertrag auch die Beförderung des Reisenden, hat der Reiseveranstalter zudem die vereinbarte Rückbeförderung und die Beherbergung des Reisenden bis zum Zeitpunkt der Rückbeförderung sicherzustellen. Der Zahlungsunfähigkeit des Reiseveranstalters stehen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und die Abweisung eines Eröffnungsantrags mangels Masse gleich.
(2) Die Verpflichtungen nach Absatz 1 kann der Reiseveranstalter vorbehaltlich des Satzes 2 ab dem 1. November 2021 nur durch einen Absicherungsvertrag mit einem nach dem Reisesicherungsfondsgesetz zum Geschäftsbetrieb befugten Reisesicherungsfonds erfüllen. Reiseveranstalter, die im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr einen Umsatz im Sinne des § 1 Nummer 2 Buchstabe a des Reisesicherungsfondsgesetzes von weniger als 10 Millionen Euro erzielt haben, können im jeweils darauffolgenden Geschäftsjahr die Verpflichtungen nach Absatz 1 auch erfüllen
1.
durch eine Versicherung bei einem im Geltungsbereich dieses Gesetzes zum Geschäftsbetrieb befugten Versicherungsunternehmen oder
2.
durch ein Zahlungsversprechen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzes zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts.
Der Reiseveranstalter muss die Verpflichtungen nach Absatz 1 ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des Reisenden, den Ort der Abreise und den Ort des Vertragsschlusses erfüllen.
(3) Der Reisesicherungsfonds, der Versicherer oder das Kreditinstitut (Absicherer) kann dem Reisenden die Fortsetzung der Pauschalreise anbieten. Verlangt der Reisende eine Erstattung nach Absatz 1, hat der Absicherer diesen Anspruch unverzüglich zu erfüllen. Versicherer und Kreditinstitute können ihre aus Verträgen nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 und 2 folgende Einstandspflicht für jede Insolvenz eines Reiseveranstalters, der im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr einen Umsatz im Sinne des § 1 Nummer 2 Buchstabe a des Reisesicherungsfondsgesetzes von weniger als 3 Millionen Euro erzielt hat, auf 1 Million Euro begrenzen. Übersteigen in diesem Fall die zu erbringenden Leistungen den vereinbarten Höchstbetrag, so verringern sich die einzelnen Leistungsansprüche der Reisenden in dem Verhältnis, in dem ihr Gesamtbetrag zum Höchstbetrag steht.
(4) Zur Erfüllung seiner Verpflichtungen nach Absatz 1 hat der Reiseveranstalter dem Reisenden einen unmittelbaren Anspruch gegen den Absicherer zu verschaffen und durch eine von diesem oder auf dessen Veranlassung gemäß Artikel 252 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche ausgestellte Bestätigung (Sicherungsschein) nachzuweisen. Der im Vertrag gemäß Artikel 250 § 6 Absatz 2 Nummer 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannte Absicherer kann sich gegenüber dem Reisenden weder auf Einwendungen aus dem Absicherungsvertrag berufen noch auf dessen Beendigung, wenn die Beendigung nach Abschluss des Pauschalreisevertrags erfolgt ist. In den Fällen des Satzes 2 geht der Anspruch des Reisenden gegen den Reiseveranstalter auf den Absicherer über, soweit dieser den Reisenden befriedigt.
Quelle: BMJ
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LexMea

Aggressiv- / Angriffsnotstand (§ 904 BGB)

Prüfungsschema zum Aggressivnotstand (§ 904 BGB), der die Einwirkung auf eine Sache erlaubt, um hierdurch einen unverhältnismäßig größeren Schaden abzuwenden. Es handelt sich um einen Rechtfertigungsgrund, der im Zivilrecht und im Strafrecht Anwendung findet.

 

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Objektive Voraussetzungen
  3. Notstandslage
  4. Gegenwärtige Gefahr
  5. Notstandsfähiges Rechtsgut
  6. Notstandshandlung
  7. Einwirkung auf eine Sache
  8. Geeignetheit
  9. Erforderlichkeit
  10. Verhältnismäßigkeit
  11. Subjektive Voraussetzungen
  12. Kenntnis der Gefahr
  13. Nicht erforderlich: Gefahrabwendungswille (h.M.; str.) 

 

§ 904 BGB stellt einen Rechtfertigungsgrund dar, der im Strafrecht und im Deliktsrecht (§ 823 BGB) innerhalb der Rechtswidrigkeit geprüft wird.

  • Da die rechtfertigenden Notstände stets eine Güterabwägung erfordern, sind diese ggf. nach Notwehr (§ 32 StGB oder § 227 BGB) und Festnahmerecht (§ 127 I StPO) zu prüfen.
  • Die Norm ist spezieller als der Notstand des § 34 StGB, da sie nur die Einwirkung auf Sachen erfasst, und daher ggf. vor diesem zu prüfen.
  • Im Gegensatz zum Defensivnotstand des § 228 BGB sind aber nicht nur gefährliche Sachen erfasst, sodass § 228 BGB ggf. vorrangig zu prüfen ist.

 

Objektive Voraussetzungen

Notstandslage

Notstandslage i.S.d. § 904 BGB = Gegenwärtige Gefahr für ein Rechtsgut des Handelnden oder eines Dritten

 

Gegenwärtige Gefahr

Es muss eine gegenwärtige Gefahr für ein Rechtsgut des Handelnden oder eines Dritten bestehen.

Gegenwärtige Gefahr = Zustand, der bei ungehinderter Weiterentwicklung jederzeit in einen Schaden umschlagen kann (hoher Grad an Wahrscheinlichkeit)

  • Zeitliche / probabilistische Komponente
    Die Gefahr muss wie bei der strafrechtlichen Notwehr (§ 32 StGB) oder der zivilrechtlichen Notwehr (§ 227 BGB) gegenwärtig sein, was einen engen zeitlichen und probabilistischen Bezug erfordert. Es genügt nicht aus, wenn diese, wie etwa beim zivilrechtlichen Verteidigungsnotstand (§ 228 BGB) lediglich drohend ist.

 

Notstandsfähiges Rechtsgut

Die Gefahr kann sowohl für eigene als auch für fremde Rechtsgüter beliebiger Art bestehen.

 

 

Notstandshandlung

Einwirkung auf eine Sache

Einwirkung i.S.d. § 904 BGB = Eigenmächtige Ingebrauchnahme und / oder Beschädigung bzw. Zerstörung einer fremden Sache

Im Unterschied zu § 228 BGB muss von der Sache, auf die eingewirkt wird, selbst keine Gefahr ausgehen.

 

Geeignetheit

Die Notstandshandlung muss geeignet sein, die drohende Gefahr für das Rechtsgut zu beenden oder zumindest abzuschwächen.

 

Erforderlichkeit

Die Notstandshandlung muss erforderlich sein, d.h. der Notstandshandelnde muss unter mehreren gleich geeigneten Abwehrmöglichkeiten die mildeste (i.e. die am wenigsten schädigende) wählen. Hierzu zählt grds. (im Unterschied zur Notwehr) auch die Flucht, da der Notstandshandler nicht als Verteidiger der Rechtsordnung auftritt, sondern nur als Verteidiger seines Rechtsgutes oder des Rechtsgutes eines Dritten.

 

Verhältnismäßigkeit

Die Notstandshandlung muss verhältnismäßig sein, d.h. es ist (im Unterschied zur Notwehr) eine Güterabwägung vorzunehmen. Der aus der gegenwärtigen Gefahr drohende Schaden muss gegenüber dem aus der Einwirkung dem Eigentümer entstehenden Schaden „unverhältnismäßig groß“ sein (d.h.: wesentliches Überwiegen des geschützten Rechtsgutes gegenüber dem beeinträchtigten).

 

 

Subjektive Voraussetzungen

Kenntnis der Gefahr

Der Täter muss Kenntnis von der drohenden Gefahr haben.

 

Nicht erforderlich: Gefahrabwendungswille (h.M.; str.) 

Ist im Rahmen des § 904 BGB ein Gefahrabwendungswille von Seiten des Täters erforderlich?

  • h.M.: (-) Nein, kein Gefahrabwendungswille erforderlich
    (pro) Wortlaut enthält kein „um … zu“

  • e.A.: (+) Ja, Gefahrabwendungswille erforderlich
    Der Täter muss in der Absicht (dolus directus 1. Grades) handeln, die Gefahr vollständig abzuwenden oder zumindest abzuschwächen. 
    (pro) Systematik: Auch der Defensiv- / Verteidigungsnotstand des § 228 BGB erfordert dies

 

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