StGB Strafgesetzbuch
Nichtvermögensdelikte
- 1.
- der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
- 2.
- der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
- 3.
- der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
- 4.
- der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
- 5.
- der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
- 1.
- gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
- 2.
- dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
- 3.
- eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
- 1.
- der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
- 2.
- die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
- 1.
- eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
- 2.
- sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
- 3.
- das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
- 1.
- bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
- 2.
- das Opfer
- a)
- bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
- b)
- durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
Besonders schwere Brandstiftung Qualifikation (§ 306b II StGB i.V.m. Grundtatbestand)
Prüfungsschema zur Qualifikation der besonders schweren Brandstiftung (§ 306b StGB): Bestraft wird, wer in den Fällen der schweren Brandstiftung (§ 306a StGB) einen anderen Menschen in die konkrete Gefahr des Todes bringt (Nr. 1), in der Absicht der Ermöglichung oder Verdeckung einer anderen Straftat handelt (Nr. 2) oder die Brandlöschung verhindert oder erschwert (Nr. 3).
- Inhaltsverzeichnis
- Tatbestand
- Objektiver Tatbestand
- Objektiver Tatbestand des Grunddelikts (§ 306a I oder II StGB)
- Objektiver Tatbestand der Qualifikation (§ 306b II StGB)
- Nr. 1: Konkrete Gefahr des Todes eines anderen Menschen
- Nr. 2: Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht bzgl. einer anderen Straftat
- Nr. 3: Verhinderung oder Erschwerung der Brandlöschung
- Subjektiver Tatbestand
- Subjektiver Tatbestand des Grunddelikts
- Subjektiver Tatbestand der Qualifikation
- Rechtswidrigkeit
- Schuld
- Strafzumessung bei tätiger Reue (§ 306e StGB)
- Deliktart
Qualifikation
- § 306b II StGB stellt eine Qualifikation der § 306a I (abstraktes Gefährdungsdelikt) und § 306a II (konkretes Gefährdungsdelikt) StGB dar.
- § 306b I enthält hingegen eine Erfolgsqualifikation (siehe das Schema dort).
Siehe auch die Übersicht: Brandstiftungsdelikte (§§ 306 ff. StGB).
Ist die Qualifikation erfüllt, können die objektiven Qualifikationsmerkmale direkt nach dem objektiven Tatbestand des Grunddeliktes und die subjektiven Qualifikationsmerkmale direkt nach dem subjektiven Tatbestand des Grunddeliktes geprüft werden. Aufgrund der Komplexität der Brandstiftungsdelikte empfiehlt sich jedoch i.d.R. eine getrennte Prüfung. Liegt eine Qualifikation nahe, ist diese aber letztlich nicht erfüllt, empfiehlt sich in jedem Fall eine getrennte Prüfung.
Tatbestand
Objektiver Tatbestand
Objektiver Tatbestand des Grunddelikts (§ 306a I oder II StGB)
Hier Prüfung bzw. (bei getrenntem Aufbau) Verweis auf die vorherige Prüfung eines der Grunddelikte (§ 306a I oder II StGB).
Objektiver Tatbestand der Qualifikation (§ 306b II StGB)
Nr. 1: Konkrete Gefahr des Todes eines anderen Menschen
Es handelt sich um ein konkretes Gefährdungsdelikt, bei dem der Täter einen anderen Menschen durch die Tat in die konkrete Gefahr des Todes bringt.
Konkrete Gefahr des Todes = Nichteintritt des Todes hängt lediglich vom rettenden Zufall ab.
Erforderlich ist hier zusätzlich ein tatspezifischer Gefahrzusammenhang (Arg: Wortlaut „durch die Tat“). Die konkrete Gefahr des Todes muss gerade die (typische) Folge der Brandstiftung sein.
Besteht ein tatspezifischer Gefahrzusammenhang bei sog. ‚Retterschäden‘?
Problem: Rettungswillige begeben sich freiwillig und sehenden Auges in den Gefahrenbereich (zurück).
→ Siehe das Schema Schwere Brandstiftung (§ 306a II StGB)
Kann auch ein Tatbeteiligter „anderer Mensch“ sein?
→ Siehe das Schema Schwere Brandstiftung (§ 306a II StGB)
Nr. 2: Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht bzgl. einer anderen Straftat
Begriff der Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht entspricht dem in § 211 StGB (siehe das Schema dort); nicht notwendig ist eine eigene Straftat.
Stellt ein späterer Versicherungsmissbrauch (§§ 263, 265) eine ‚andere Tat‘ dar?
Beispiel: A zündet sein marodes Haus an, um von seiner Brandschutzversicherung eine satte Erstattung zu erhalten.
-
e.A.: (-) Keine ‚andere Tat‘
(pro) Systematik: Die Folgetaten (§ 263 und § 265 StGB) beinhalten die Brandstiftung. -
Rspr.: (+/-) Differenzierung
-
(-) Versicherungsmissbrauch (§ 265 StGB) ist keine ‚andere Tat‘, da sich auch diese Tathandlung in der Zerstörung der versicherten Sache erschöpft.
-
(+) Versicherungsbetrug (§ 263 I, III 2 Nr. 5 StGB) ist ‚andere Tat‘, da hier als Tathandlung zusätzlich (nachdem die Sache zerstört wurde) das Vortäuschen eines Versicherungsfalles erforderlich ist.
-
Erfordert die Ermöglichungsabsicht die Ausnutzung der spezifischen Brandgefahr?
Beispiel 1: A legt einen Brand, um den herbeieilenden Feuerwehrmann F zu töten (§ 211 StGB).
Beispiel 2: A legt einen Brand, um Tage später einen Versicherungsbetrug (§ 263 I, II Nr. 5 StGB) zu begehen.
-
e.A.: (+) Ja, Ausnutzung der spezifischen Brandgefahr erforderlich
Nach Vorstellung des Täters müssen die spezifischen Auswirkungen der gemeingefährlichen Situation die Begehung der anderen Tat i.S.e. zeitlichen, räumlichen und sachlichen Zusammenhangs begünstigen.
→ (+) Beispiel 1; (-) Beispiel 2 -
Rspr.: (–) Nein, Ausnutzung der spezifischen Brandgefahr nicht erforderlich
(pro) Telos: Der Unwert der schweren Brandstiftung liegt bereits darin, dass sie inklusive ihrer Gefährlichkeit in Kauf genommen wird, um andere kriminelle Ziele zu verwirklichen; Systematik/Wortlaut: Die Formulierung „in den Fällen des § 306a“ lässt einen weiten Bezug zur Brandstiftung zu (Wortlaut nicht etwa so eng formuliert wie Nr. 1, der mit „durch die Tat“ einen tatspezifischen Gefahrzusammenhang erfordert)
→ (+) Beispiel 1; (+) Beispiel 2
Nr. 3: Verhinderung oder Erschwerung der Brandlöschung
Rspr.: Restriktive Auslegung aufgrund des hohen Strafrahmens (mindestens 5 Jahre = Totschlag).
Die anderenfalls bestehende Chance auf ein erfolgreiches Löschen des Brandes müssen demnach erheblich verschlechtert worden sein, insbesondere muss sich das Löschen zeitlich relevant verzögert haben.
Subjektiver Tatbestand
Subjektiver Tatbestand des Grunddelikts
Hier Prüfung bzw. (bei getrenntem Aufbau) Verweis auf die vorherige Prüfung eines der Grunddelikte (§ 306a I oder II StGB).
Subjektiver Tatbestand der Qualifikation
- Bei Nr. 1 und 3 bedingter Vorsatz / Eventualvorsatz (dolus eventualis) ausreichend
- Bei Nr. 2 Absicht (dolus directus 1. Grades) erforderlich
Rechtswidrigkeit
Die Rechtswidrigkeit wird durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert. Siehe für eine Übersicht der möglichen Rechtfertigungsgründe die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.
Beachte jedoch vorliegend: Anders als bei § 306 I StGB kommt eine Einwilligung von Seiten des Eigentümers nicht in Betracht (Arg.: Schutzgut ist nicht das Eigentum).
Schuld
Schuld bezeichnet die persönliche Vorwerfbarkeit der Unrechtsverwirklichung. Auch diese wird grundsätzlich angenommen. Siehe für Fälle, in denen sie entfällt (Schuldunfähigkeit, entschuldigende Irrtümer und Entschuldigungsgründe) die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.
Strafzumessung bei tätiger Reue (§ 306e StGB)
- Täter löscht Brand (auch mit Hilfe Dritter) freiwillig selbst oder bemüht sich freiwillig und ernsthaft darum…
- vor Eintritt eines erheblichen Schadens, d.h....
- bei Sachwerten: Mindestens 2.500€ zur Schadensbereinigung (str.)
- bei Personenschäden: Körperverletzung mit erheblicher Verletzungsgefahr.