VwGO Verwaltungsgerichtsordnung
Verwaltungsprozessrecht
- 1.
- in der Sache selbst entscheiden,
- 2.
- das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Prüfungsschema für die verwaltungsprozessrechtliche Klage mit dem Ziel der Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes unmittelbar durch das Gericht (Gestaltungsklage).
Ziel der Anfechtungsklage: Aufhebung eines Verwaltungsakts (§ 42 I Alt. 1 VwGO)
Siehe zum Finden der richtigen Verfahrensart auch die Übersicht: Verwaltungsprozessrechtliche Verfahrensarten
Die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges richtet sich nach § 40 I 1 VwGO. Sie wird hier gleich geprüft, wie bei den anderen verwaltungsprozessrechtlichen Verfahrensarten, für die § 40 I 1 VwGO Anwendung findet, auch. Siehe zu den recht knappen Ausführungen hier unter I. ausführlich das Schema Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO).
Ist der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet, führt dies nicht zur Klageabweisung als unzulässig, sondern zu einer Verweisung an das zuständige Gericht (§§ 17a II GVG, 83 VwGO). Daher wird der Punkt „Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs“ teilweise auch nicht unter „Zulässigkeit“, sondern – dann meist gemeinsam mit dem Punkt „Zuständiges Gericht“ – unter einem vorgezogenen Punkt „A. Entscheidungskompetenz des Gerichts“ geprüft. In der Klausur wählt man ohne Begründung eine der beiden vertretbaren Aufbauarten.
Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet, wenn eine spezialgesetzliche aufdrängende Sonderzuweisung vorliegt (insb. § 32 WPflG; § 78 II ZDG i.V.m. § 32 WPflG; § 126 I BBG / § 54 I BeamtStG; §§ 46, 71 III DRiG; § 60 DRiG; § 45 BDG; § 82 SG; § 54 BAföG).
Liegt keine aufdrängende Sonderzuweisung vor (zuerst prüfen), richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges nach der Generalklausel des § 40 I 1 VwGO, wonach es sich (a) um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit (b) nicht-verfassungsrechtlicher Art handeln muss, für die (c) keine abdrängende Sonderzuweisung gegeben ist.
Prüfungspunkt dient der Abgrenzung zum Privatrecht.
Eine Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidenden Normen ausschließlich einen Hoheitsträger in seiner Eigenschaft als Träger hoheitlicher Gewalt berechtigen bzw. verpflichten (h.M. Modifizierte Subjektstheorie / Sonderrechtstheorie; a.A. Subordinationstheorie; a.A. Interessentheorie).
Nur dann, wenn die Frage nicht nach der modifizierten Subjektstheorie beantwortet werden kann, ist auf die anderen beiden Abgrenzungstheorien einzugehen. Ausführlich hierzu das Schema Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO).
Jeweils ausführlich hierzu das Schema Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO).
Zweck: Abgrenzung zur Zuständigkeit des BVerfG
Eine Streitigkeit ist nur dann verfassungsrechtlicher Art, wenn die sog. doppelte Verfassungsunmittelbarkeit gegeben ist:
Beide Seiten sind unmittelbar am Verfassungsleben Beteiligte (formelles Kriterium) und ...
Streitgegenstand sind im Kern unmittelbar verfassungsrechtliche Rechte bzw. Pflichten (materielles Kriterium).
Es darf keine abdrängende Sonderzuweisung - durch Vorschriften, die ein anderes Gericht für zuständig erklären - vorliegen (z.B. § 51 SGG; § 33 FGO; § 40 II 1 VwGO; Art. 14 III 4 GG; Art. 34 S. 3 GG; § 217 I 4 BauGB; § 49 VI 3 VwVfG; Art. 104 II 1 GG i.V.m. Polizeigesetz des Landes wie z.B. Art. 18 II 1 BayPA / § 31 II Berl ASOG; letztlich insb. § 23 EGGVG für ‚Strafrechtspflege‘ = Repressive Tätigkeit / Strafverfolgung)
Siehe jeweils hierzu das Schema Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO).
Die statthafte Klageart bestimmt sich vor den Verwaltungsgerichten stets nach dem Begehren des Klägers (§ 88 VwGO). Maßgeblich ist dabei, was der Kläger tatsächlich will und nicht der von ihm vorgebrachte Wortlaut (§ 86 III VwGO).
Zweck: Insb. Abgrenzung zur Verpflichtungsklage
Folge der erfolgreichen Anfechtungsklage ist nach § 113 I 1 VwGO die unmittelbare Aufhebung des VAs durch das Gericht (Gestaltungsklage). Folge der erfolgreichen Verpflichtungsklage ist hingegen lediglich die (vollstreckbare, § 172 S. 1 VwGO) Verpflichtung der Behörde zum Erlass eines VAs. Erstere ist somit rechtsschutzintensiver und entspricht daher oft eher dem klägerischen Begehren.
Erledigung = Wenn eine etwaige Aufhebung nachträglich sinnlos geworden oder nicht mehr möglich ist, insb. wenn der VA die ihm ursprünglich innewohnende rechtliche Wirkung oder Steuerungsfunktion verloren hat
Beispiele für Erledigung (siehe § 43 II VwVfG):
Hat sich der VA erledigt, kommt die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 I 4 VwGO, ggf. analog) in Betracht. Siehe hierzu auch die Übersicht: Verwaltungsprozessrechtliche Verfahrensarten.
Abgrenzung: Isolierte Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen vs. Verpflichtungsklage auf Neuerlass
Hinweis: Der Streit wird i.R.d. statthaften Klageart, sowie i.R.d. Begründetheit relevant. Siehe daher auch die Problembox unten.
Beispiel: A erhält eine Baugenehmigung mit der Auflage, Brandschutztüren einzubauen. Kann er die Auflage isoliert anfechten (Anfechtungsklage, § 42 I Alt. 1 VwGO) oder muss er im Rahmen der Verpflichtungsklage (§ 42 I Alt. 2 VwGO) den Erlass einer neuen Baugenehmigung ohne Auflage begehren?
Bedeutung: Bei der Anfechtungsklage erhält der Bürger unmittelbar durch Urteil den begehrten VA ohne Nebenbestimmungen, während bei der Verpflichtungsklage erst die Behörde einen neuen VA erlassen muss.
Rspr. & h.L. Grundsätzliche Statthaftigkeit der Anfechtungsklage,
sofern der Haupt-VA ohne Nebenbestimmung sinnvollerweise (h.M. nicht erforderlich: rechtmäßigerweise, s. Problembox unten) bestehen bleiben kann.
(pro) Wortlaut: „soweit“ in § 113 I 1VwGO bringt zum Ausdruck, dass VAe auch teilweise aufgehoben werden können – hierfür müssten sie auch teilweise angefochten werden können; Systematik: Effektiverer Rechtsschutz (Art. 19 IV GG), wenn nicht erst die Behörde einen neuen VA erlassen muss wie i.R.d. Verpflichtungsklage.
Auflage und Auflagevorbehalt („verbunden werden mit“, § 36 II Gruppe 2 VwVfG)
→ Isoliert Anfechtung möglich → Anfechtungsklage
Ermessensentscheidung bzgl. Haupt-VA
→ Keine isolierte Anfechtung möglich → Verpflichtungsklage auf Neuerlass
(pro) Ermessen bzgl. Haupt-VA wäre ohne Nebenbestimmung vermutlich anders ausgeübt worden und steht somit in enger Verbindung zur Nebenbestimmung
(con) Behörde kann Rest-Haupt-VA aufheben oder nachträglich neue, rechtsfehlerfreie Nebenbestimmungen erlassen
Gebundene Entscheidung bzgl. Haupt-VA
→ Isolierte Anfechtung möglich → Anfechtungsklage
Die Unterteilung in besondere und allgemeine (s.u.) Sachentscheidungsvoraussetzungen soll helfen zu verstehen, was nur bei der Anfechtungsklage und was bei jeder verwaltungsrechtlichen Klage zu prüfen ist. Sie kann auch weggelassen werden.
Zweck: Insb. Vermeidung von Popularklagen
Der Kläger ist klagebefugt, wenn er substantiierte Tatsachen vortragen kann, die es zumindest möglich erscheinen lassen (h.M., Möglichkeitstheorie), dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und er dadurch in einem subjektiven Recht verletzt ist.
Mögliche Rechtsverletzung = Diese ist nicht von vornherein und unter jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen (Möglichkeitstheorie)
Wann liegt bei der Drittanfechtungsklage eine für die Klagebefugnis erforderliche subjektive Rechtsverletzung vor?
Ist der Kläger nicht Adressat des angegriffenen VAs, sondern Dritter, ist die Adressatentheorie nicht anwendbar. Fallgruppen, aus denen sich eine mögliche subjektive Rechtsverletzung des Dritten ergeben kann:
Grundrechte
Sonderverbindung
Zweck: Selbstkontrolle der Verwaltung und dadurch Entlastung der Gerichte (aber: meist erfolglos und dann nur zusätzliche Bürokratie; daher in vielen Bundesländern Abschaffung, s.u.)
Siehe zu den hier unter 2. sehr knappen Ausführungen das ausführliche Schema Widerspruchsverfahren (§§ 68 ff. VwGO).
Ausnahmen: Ein solches ist unstatthaft / entbehrlich. Fallgruppen sind...
Nichtiger Verwaltungsakt (str.)
HE: § 16a AGVwGO
HH: § 6 II AGVwGO
MV: §§ 13a, 13b GenStrukGAG
NI: § 80 NJG
SA: § 8a AGVwGO
TH: §§ 8a ff. AGVwGO
In manchen Bundesländern (z.B. Bayern) wird dieser Punkt als „Passivlegitimation“ zu Beginn der Begründetheit geprüft.
Klagegegner ist...
Beteiligtenfähigkeit = Fähigkeit, an einem Verwaltungsgerichtsverfahren teilzunehmen
→ korrespondiert mit der Rechtsfähigkeit
Prozessfähigkeit = Fähigkeit, wirksame Verfahrenshandlungen selbst vorzunehmen oder durch einen Bevollmächtigten vornehmen zu lassen
→ korrespondiert mit der Geschäftsfähigkeit
Natürliche und juristische Personen (§ 61 Nr. 1 VwGO)
Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann (§ 61 Nr. 2 VwGO)
Behörden entspr. Landesrecht (§ 61 Nr. 3 VwGO)
Ggf. Postulationsfähigkeit und Prozessvertretung aufgrund des Anwaltszwangs vor dem OVG und BVerwG (§ 67 VwGO)
Die nachfolgenden allgemeinen Sachentscheidungsvoraussetzungen (2. - 4.) werden oft auch weggelassen bzw. nur bei diesbezüglichen Problemen im Sachverhalt geprüft.
Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis = Dem Kläger steht kein einfacherer und schnellerer Weg zur Verfügung, um sein Ziel zu erreichen und der angestrebte Rechtsschutz ist für ihn nicht nutzlos.
Dieser Prüfungspunkt wird lediglich bei expliziten Angaben diesbezüglich im Sachverhalt und zwischen Zulässigkeit und Begründetheit thematisiert.
Ausnahme: Die notwendige Streitgenossenschaft wird oft bereits im Rahmen der Zulässigkeit thematisiert, da nur alle Kläger gemeinsam klagebefugt sind.
Die Anfechtungsklage ist begründet, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist ( § 113 I 1 VwGO).
In den Bundesländern, in denen die Passivlegitimation in der Begründetheit geprüft wird (z.B. Bayern) lautet der Obersatz abweichend:
„Die Anfechtungsklage ist begründet, wenn sie sich gegen den richtigen Beklagten richtet (§ 78 I VwGO) und soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 I 1 VwGO)“
Vor der Rechtmäßigkeit des VAs wird dann I. Passivlegitimation geprüft.
Prüfungsmaßstab der Begründetheit bei der Anfechtung von Nebenbestimmungen
Hinweis: Der Streit um die Anfechtung von Nebenbestimmungen wird bereits i.R.d. Frage nach der statthaften Klageart relevant. Die h.M. ist der Ansicht, dass eine Nebenbestimmung isoliert angefochten werden kann (s. Problembox oben).
Beispielfall: A erhält eine Baugenehmigung (Haupt-VA) mit der Auflage, Brandschutztüren einzubauen. Er ficht die Auflage isoliert an. Der Haupt-VA ist jedoch ebenfalls aus einem anderen Grund rechtswidrig (z.B. da Maßgaben des Bebauungsplans missachtet wurden). Kann dieser nach Anfechtung der Nebenbestimmung trotz seiner Rechtswidrigkeit stehen bleiben?
Fraglich ist, wann die Anfechtungsklage dann begründet ist:
BVerwG (8. Senat - alt): „Die Anfechtungsklage ist begründet, wenn die angefochtene Nebenbestimmung rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist und der verbleibende Haupt-VA für sich genommen sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann.“
(pro) Systematik: Konflikt mit der Rechtsbindung der Gerichte (Art. 20 III GG), wenn sie die Rechtswidrigkeit des Haupt-VAs völlig außer Acht ließen. Telos: Sonst würde ein rechtswidriger Haupt-VA bestehen bleiben.
BVerwG (neu, nach Aufgabe der Auffassung des 8. Senates mit Beschluss v. BVerwG, 12.10.2022 - 8 AV 1.22 (4 C 4.20)): „Die Anfechtungsklage ist begründet, wenn die angefochtene Nebenbestimmung rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist und der verbleibende Haupt-VA für sich genommen sinnvollerweise bestehen bleiben kann.“
Die Rechtswidrigkeit des Haupt-VAs wird nach dieser Ansicht außer Acht gelassen.
(pro): Klägerisches Begehren (§ 88 VwGO) ist lediglich auf die Nebenbestimmung gerichtet. Es ist dann Aufgabe der Verwaltung, auf den rechtswidrigen Haupt-VA zu reagieren (z.B. Rücknahme unter den strengen, vertrauensschützenden Anforderungen des § 48 VwVfG) und nicht des Gerichts.
Siehe zu den hier unter I. sehr knappen Ausführungen ausführlich das Schema Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes (§ 35 S. 1 VwVfG).
Hier ggf. inzidente Prüfung der Rechtmäßigkeit der Rechtsgrundlage.
Beachte hier das spezielle Fehlerfolgenrecht des VwVfG.
Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage
Gebundene Entscheidung oder Ermessen? Nach h.M. hier auch Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie von Grundrechten.
Der Kläger muss in eigenen Rechten verletzt sein.