Prüfungsschema für die verwaltungsprozessrechtliche Klage auf Vornahme / Unterlassung einer Leistung durch einfaches Verwaltungshandeln (Realakt; nicht: VA).
- Inhaltsverzeichnis
- Zulässigkeit
- Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO)
- Aufdrängende Sonderzuweisung
- Generalklausel des § 40 I 1 VwGO
- Öffentlich-rechtliche Streitigkeit
- Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art
- Keine abdrängende Sonderzuweisung
- Statthaftigkeit der allgemeinen Leistungsklage
- Leistungsvornahmeklage
- Unterlassungsklage
- Besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen der allgemeinen Leistungsklage
- Klagebefugnis (§ 42 II VwGO analog; str.)
- Vorverfahren / Widerspruchsverfahren nicht erforderlich und keine Klagefrist
- Klagegegner / Passive Prozessführungsbefugnis
- Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen
- Beteiligten- und Prozessfähigkeit (§§ 61, 62 VwGO)
- Zuständiges Gericht (§§ 45, 52 VwGO)
- Ordnungsgemäße Klageerhebung (§§ 81, 82 VwGO)
- Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
- Ggf. Beiladung / Klagehäufung
- Begründetheit
Die allgemeine Leistungsklage ist in der VwGO nicht explizit geregelt, wird aber an mehreren Stellen als gegeben vorausgesetzt (§§ 43 II, 111, 113 IV VwGO).
- Ziel der Leistungsklage: Vornahme oder Unterlassung einer hinreichend bestimmbaren Leistung in Form einfachen Verwaltungshandelns (Realakt; nicht: Verwaltungsakt)
- Siehe zum Finden der richtigen Verfahrensart auch die Übersicht: Verwaltungsprozessrechtliche Verfahrensarten.
Zulässigkeit
Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO)
Die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges richtet sich nach § 40 I 1 VwGO. Sie wird hier gleich geprüft, wie bei den anderen verwaltungsprozessrechtlichen Verfahrensarten, für die § 40 I 1 VwGO Anwendung findet, auch. Siehe zu den recht knappen Ausführungen hier unter I. ausführlich das Schema Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO).
Ist der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet, führt dies nicht zur Klageabweisung als unzulässig, sondern zu einer Verweisung an das zuständige Gericht (§§ 17a II GVG, 83 VwGO). Daher wird der Punkt „Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs“ teilweise auch nicht unter „Zulässigkeit“, sondern – dann meist gemeinsam mit dem Punkt „Zuständiges Gericht“ – unter einem vorgezogenen Punkt „A. Entscheidungskompetenz des Gerichts“ geprüft. In der Klausur wählt man ohne Begründung eine der beiden vertretbaren Aufbauarten.
Aufdrängende Sonderzuweisung
Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet, wenn eine spezialgesetzliche aufdrängende Sonderzuweisung vorliegt (insb. § 32 WPflG; § 78 II ZDG i.V.m. § 32 WPflG; § 126 I BBG / § 54 I BeamtStG; §§ 46, 71 III DRiG; § 60 DRiG; § 45 BDG; § 82 SG; § 54 BAföG).
Generalklausel des § 40 I 1 VwGO
Liegt keine aufdrängende Sonderzuweisung vor (zuerst prüfen), richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges nach der Generalklausel des § 40 I 1 VwGO, wonach es sich um eine (a) öffentlich-rechtliche Streitigkeit (b) nicht-verfassungsrechtlicher Art handeln muss, für die (c) keine abdrängende Sonderzuweisung gegeben ist.
Öffentlich-rechtliche Streitigkeit
Prüfungspunkt dient der Abgrenzung zum Privatrecht.
Eine Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidenden Normen ausschließlich einen Hoheitsträger in seiner Eigenschaft als Träger hoheitlicher Gewalt berechtigen bzw. verpflichten (h.M. Modifizierte Subjektstheorie / Sonderrechtstheorie; a.A. Subordinationstheorie; a.A. Interessentheorie).
Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art
-
Zweck: Abgrenzung zur Zuständigkeit des BVerfG
-
Eine Streitigkeit ist nur dann verfassungsrechtlicher Art, wenn die sog. doppelte Verfassungsunmittelbarkeit gegeben ist:
-
-
Beide Seiten sind unmittelbar am Verfassungsleben Beteiligte (formelles Kriterium) und ...
-
Streitgegenstand sind im Kern unmittelbar verfassungsrechtliche Rechte bzw. Pflichten (materielles Kriterium).
Keine abdrängende Sonderzuweisung
Es darf keine abdrängende Sonderzuweisung - durch Vorschriften, die ein anderes Gericht für zuständig erklären - vorliegen (z.B. § 51 SGG; § 33 FGO; § 40 II 1 VwGO; Art. 14 III 4 GG; Art. 34 S. 3 GG; § 217 I 4 BauGB; § 49 VI 3 VwVfG; Art. 104 II 1 GG i.V.m. Polizeigesetz des Landes wie z.B. Art. 18 II 1 BayPA / § 31 II Berl ASOG; letztlich insb. § 23 EGGVG für ‚Strafrechtspflege‘ = Repressive Tätigkeit / Strafverfolgung).
Siehe jeweils hierzu das Schema Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO).
Statthaftigkeit der allgemeinen Leistungsklage
Leistungsvornahmeklage
Wird die Vornahme einer Leistung begehrt, so ist die allgemeine Leitungsklage in Form der Leistungsvornahmeklage statthaft.
Unterlassungsklage
Wird eine Unterlassung begehrt, so ist die allgemeine Leitungsklage in Form der Unterlassungsklage statthaft. Statthaft ist auch die Klage auf Unterlassung des Erlasses eines drohenden Verwaltungsaktes (mehr dazu unten beim Rechtsschutzbedürfnis).
Besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen der allgemeinen Leistungsklage
Die Unterteilung in besondere und allgemeine (s.u.) Sachentscheidungsvoraussetzungen soll helfen zu verstehen, was nur bei der allg. Leistungsklage und was bei jeder verwaltungsrechtlichen Klage zu prüfen ist. Sie kann auch weggelassen werden.
Klagebefugnis (§ 42 II VwGO analog; str.)
Die Klagebefugnis ist - sowie die allg. Leistungsklage selbst - nicht explizit geregelt. Die h.M. wendet § 42 II VwGO analog an. (pro) Verhinderung von Popularklagen
Der Kläger ist klagebefugt, wenn er substantiierte Tatsachen vortragen kann, die es zumindest möglich erscheinen lassen (h.M., Möglichkeitstheorie), dass er die Leistung verlangen kann.
Mögliche Rechtsverletzung = Diese ist nicht von vornherein und unter jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen (Möglichkeitstheorie)
Vorverfahren / Widerspruchsverfahren nicht erforderlich und keine Klagefrist
Die allgemeine Leistungsklage ist nicht fristgebunden. Ein Vorverfahren ist - vorbehaltlich spezialgesetzlicher Anordnungen (wie § 54 II 1 Beamt StG) - nicht erforderlich. § 68 ff. VwGO gelten ausweislich ihres Wortlauts und ihrer Abschnitts-Überschrift nur für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen.
Klagegegner / Passive Prozessführungsbefugnis
In manchen Bundesländern (z.B. Bayern) wird dieser Punkt als 'Passivlegitimation' zu Beginn der Begründetheit geprüft.
Auch § 78 VwGO (Rechtsträgerprinzip) gilt entsprechend der Abschnitts-Überschrift unmittelbar lediglich für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen. Die ihm zugrundeliegenden Rechtsgedanken werden allerdings nach h.M. analog auf die allgemeine Leistungsklage angewendet.
Klagegegner ist somit grundsätzlich der Rechtsträger (Bund / Land / Gemeinde) der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat (Rechtsträgerprinzip). Da der Rechtsträger einer Behörde für juristische Laien allerdings nicht immer einfach zu ermitteln ist, genügt für die Bezeichnung des Beklagten die Angabe der Behörde.
Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen
Beteiligten- und Prozessfähigkeit (§§ 61, 62 VwGO)
Siehe das Schema Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO).
Zuständiges Gericht (§§ 45, 52 VwGO)
Siehe das Schema Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO).
Ordnungsgemäße Klageerhebung (§§ 81, 82 VwGO)
Siehe das Schema Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO).
Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis = Dem Kläger steht kein einfacherer und schnellerer Weg zur Verfügung, um sein Ziel zu erreichen und der angestrebte Rechtsschutz ist für ihn nicht nutzlos.
-
Vermutungswirkung
Das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses wird bei Vorliegen der Klagebefugnis grds. vermutet.
-
Bürger gg. Staat
Spezifisch bei der allgemeinen Leistungsklage des Bürgers gegenüber dem Staat, muss der Kläger vorher einen Antrag auf Vornahme oder Unterlassung einer hinreichend bestimmbaren Leistung in Form einfachen Verwaltungshandelns (Realakt; nicht: VA) gestellt haben (str.).
-
Staat gg. Bürger
Bei einer allgemeinen Leistungsklage des Staates gegen den Bürger fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Staat seinen Anspruch mittels VA durchsetzen könnte, außer der Bürger gibt vorab deutlich zu erkennen, dass er gegen diesen ohnehin vorgehen würde.
-
Vorbeugende Leistungsklage
-
Grundsätzlich unzulässig ist die vorbeugende allgemeine Leistungsklage in Form der Unterlassungsklage bei drohendem VA, da hierfür der einstweilige Rechtsschutz mit seiner aufschiebenden Wirkung oder ggf. nachträgliche Rechtsschutz als ausreichend angesehen wird.
-
Zulässig ist die Klage, wenn der Kläger ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis aufweist, insb. weil ihm in grundrechtssensiblen Bereichen irreversible Folgen drohen (Arg.: Rechtsweggarantie, Art. 19 IV GG).
Beispiel: Ankündigung der Kürzung von Sozialleistungen; Androhung eines straf- oder bußgeldbewehrten
Ggf. Beiladung / Klagehäufung
Dieser Prüfungspunkt wird lediglich bei expliziten Angaben diesbezüglich im Sachverhalt und sodann zwischen Zulässigkeit und Begründetheit thematisiert.
Begründetheit
Die allgemeine Leistungsklage ist begründet, wenn der Kläger einen Anspruch auf die Vornahme oder Unterlassung der begehrten Leistung in Form einfachen Verwaltungshandelns hat.
Mögliche Anspruchsgrundlagen:
- Gesetz, Rechtsverordnung, Satzung
- Verwaltungspraxis
- Zusage
Die Zusage ist im Unterschied zur Zusicherung i.S.d. § 38 VwVfG nicht auf den Erlass eines Verwaltungsaktes, sondern auf die Vornahme oder Unterlassung einer hinreichend bestimmbaren Leistung in Form einfachen Verwaltungshandelns (Realakt) gerichtet.
- Nach h.M. muss zunächst gem. § 133 BGB analog im Wege der Auslegung ermittelt werden, ob es sich um eine verbindliche Erklärung der Behörde mit Selbstbindungswillen oder lediglich um eine unverbindliche Auskunft handelt.
- Nach h.M. wird anschließend in analoger Anwendung der Vorschriften des VwVfG geprüft, ob die Formvorschriften (Zustädigkeit, Verfahren, Form) eingehalten wurden und ob die Zusage nichtig ist, zurückgenommen oder widerrufen wurde (§ 38 II VwVfG analog).
- Folgenbeseitigungsanspruch, gerichtet auf die Wiederherstellung des ursprünglichen tatsächlichen Zustands (status quo ante) durch rechtswidriges hoheitliches Handeln
- Allgemeiner öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch
- Öffentlich-rechtlicher Vertrag (§ 54 VwVfG)
- Grundrechte