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VwGO  
Verwaltungsgerichtsordnung

Öffentliches RechtVerwaltungsrecht

Verwaltungsprozessrecht

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
Quelle: BMJ
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LexMea

Anfechtungsklage (§ 42 I Alt. 1 VwGO)

Öffentliches RechtVerwaltungsrechtVerwaltungsprozessrecht

Prüfungsschema für die verwaltungsprozessrechtliche Klage mit dem Ziel der Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes unmittelbar durch das Gericht (Gestaltungsklage).

 

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Zulässigkeit
  3. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO)
  4. Aufdrängende Sonderzuweisung
  5. Generalklausel des § 40 I 1 VwGO
  6. Öffentlich-rechtliche Streitigkeit
  7. Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art
  8. Keine abdrängende Sonderzuweisung
  9. Statthaftigkeit der Anfechtungsklage (§ 42 I Var. 1 VwGO)
  10. Besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen der Anfechtungsklage
  11. Klagebefugnis (§ 42 II VwGO)
  12. Vorverfahren / Widerspruchsverfahren (§§ 68 ff. VwGO)
  13. Klagefrist (§ 74 I VwGO)
  14. Klagegegner / Passive Prozessführungsbefugnis (§ 78 VwGO)
  15. Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen
  16. Beteiligten- und Prozessfähigkeit (§§ 61, 62 VwGO) 
  17. Zuständiges Gericht (§§ 45, 52 VwGO)
  18. Ordnungsgemäße Klageerhebung (§§ 81, 82 VwGO)
  19. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
  20. Ggf. Beiladung / Klagehäufung
  21. Begründetheit
  22. Rechtmäßigkeit des VA
  23. Ermächtigungsgrundlage
  24. Formelle Rechtmäßigkeit
  25. Zuständigkeit
  26. Verfahren
  27. Form
  28. Materielle Rechtmäßigkeit
  29. Tatbestand
  30. Rechtsfolge
  31. Rechtsverletzung beim Kläger

 

 

Zulässigkeit

Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO)

Die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges richtet sich nach § 40 I 1 VwGO. Sie wird hier gleich geprüft, wie bei den anderen verwaltungsprozessrechtlichen Verfahrensarten, für die § 40 I 1 VwGO Anwendung findet, auch. Siehe zu den recht knappen Ausführungen hier unter I. ausführlich das Schema Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO).

Ist der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet, führt dies nicht zur Klageabweisung als unzulässig, sondern zu einer Verweisung an das zuständige Gericht (§§ 17a II GVG, 83 VwGO). Daher wird der Punkt „Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs“ teilweise auch nicht unter „Zulässigkeit“, sondern – dann meist gemeinsam mit dem Punkt „Zuständiges Gericht“ – unter einem vorgezogenen Punkt „A. Entscheidungskompetenz des Gerichts“ geprüft.  In der Klausur wählt man ohne Begründung eine der beiden vertretbaren Aufbauarten. 

 

Aufdrängende Sonderzuweisung

Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet, wenn eine spezialgesetzliche aufdrängende Sonderzuweisung vorliegt (insb. § 32 WPflG; § 78 II ZDG i.V.m. § 32 WPflG; § 126 I BBG / § 54 I BeamtStG; §§ 46, 71 III DRiG; § 60 DRiG; § 45 BDG; § 82 SG; § 54 BAföG). 

 

Generalklausel des § 40 I 1 VwGO

Liegt keine aufdrängende Sonderzuweisung vor (zuerst prüfen), richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges nach der Generalklausel des § 40 I 1 VwGO, wonach es sich (a) um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit (b) nicht-verfassungsrechtlicher Art  handeln muss, für die (c) keine abdrängende Sonderzuweisung gegeben ist.

Öffentlich-rechtliche Streitigkeit

Prüfungspunkt dient der Abgrenzung zum Privatrecht.

  • Allgemeine Abgrenzungstheorien

    Eine Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidenden Normen ausschließlich einen Hoheitsträger in seiner Eigenschaft als Träger hoheitlicher Gewalt berechtigen bzw. verpflichten (h.M. Modifizierte Subjektstheorie / Sonderrechtstheorie; a.A. Subordinationstheorie; a.A. Interessentheorie).

Nur dann, wenn die Frage nicht nach der modifizierten Subjektstheorie beantwortet werden kann, ist auf die anderen beiden Abgrenzungstheorien einzugehen. Ausführlich hierzu das Schema Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO).

  • Sonderfälle
    • Widerruf / Rücknahme einer Handlung: actus-contrarius-Theorie
    • Subventionsvergabe: Zwei-Stufen-Theorie; Ausnahme: Verlorene Zuschüsse
    • Nutzung von / Zugang zu öffentlichen Einrichtungen: Zwei-Stufen-Theorie
    • Hausverbot durch Behördenleiter: Differenzierung nach Form des Hausverbotes (h.M.; a.A. Zweck des Hausverbotes; a.A. Zweck des Aufenthalts)

Jeweils ausführlich hierzu das Schema Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO).

Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art
  • Zweck: Abgrenzung zur Zuständigkeit des BVerfG

  • Eine Streitigkeit ist nur dann verfassungsrechtlicher Art, wenn die sog. doppelte Verfassungsunmittelbarkeit gegeben ist:

    • Beide Seiten sind unmittelbar am Verfassungsleben Beteiligte (formelles Kriterium) und ...

    • Streitgegenstand sind im Kern unmittelbar verfassungsrechtliche Rechte bzw. Pflichten (materielles Kriterium).

 

Keine abdrängende Sonderzuweisung

Es darf keine abdrängende Sonderzuweisung - durch Vorschriften, die ein anderes Gericht für zuständig erklären - vorliegen (z.B. § 51 SGG; § 33 FGO; § 40 II 1 VwGO; Art. 14 III 4 GG; Art. 34 S. 3 GG; § 217 I 4 BauGB; § 49 VI 3 VwVfG; Art. 104 II 1 GG i.V.m. Polizeigesetz des Landes wie z.B. Art. 18 II 1 BayPA / § 31 II Berl ASOG; letztlich insb. § 23 EGGVG für ‚Strafrechtspflege‘ = Repressive Tätigkeit / Strafverfolgung)

Siehe jeweils hierzu das Schema Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO).

 

 

Statthaftigkeit der Anfechtungsklage (§ 42 I Var. 1 VwGO)

Die statthafte Klageart bestimmt sich vor den Verwaltungsgerichten stets nach dem Begehren des Klägers (§ 88 VwGO). Maßgeblich ist dabei, was der Kläger tatsächlich will und nicht der von ihm vorgebrachte Wortlaut (§ 86 III VwGO).

  • Zweck: Insb. Abgrenzung zur Verpflichtungsklage
    Folge der erfolgreichen Anfechtungsklage ist nach § 113 I 1 VwGO die unmittelbare Aufhebung des VAs durch das Gericht (Gestaltungsklage). Folge der erfolgreichen Verpflichtungsklage ist hingegen lediglich die (vollstreckbare, § 172 S. 1 VwGO) Verpflichtung der Behörde zum Erlass eines VAs. Erstere ist somit rechtsschutzintensiver und entspricht daher oft eher dem klägerischen Begehren.

  • Voraussetzung
    Die Anfechtungsklage ist statthaft, wenn der Kläger die Aufhebung eines nicht erledigten (vgl. § 43 II VwVfG) Verwaltungsaktes (siehe das Schema Merkmale eines Verwaltungsaktes, § 35 VwVfG) begehrt (§ 42 I 1. Alt. VwGO). 

Erledigung = Wenn eine etwaige Aufhebung nachträglich sinnlos geworden oder nicht mehr möglich ist, insb. wenn der VA die ihm ursprünglich innewohnende rechtliche Wirkung oder Steuerungsfunktion verloren hat

Beispiele für Erledigung (siehe § 43 II VwVfG):

  • Rücknahme (§ 48 VwVfG)
  • Widerruf (§ 49 VwVfG)
  • Zeitablauf eines befristeten VAs (§ 36 II Nr. 1 / 2 VwVfG)
  • Nicht: Der bloße Vollzug (siehe § 113 I 2 VwGO, der auf S. 1 aufbaut („auch“), welcher wiederum die Aufhebung eines bestehenden – also nicht erledigten – VAs voraussetzt).

Hat sich der VA erledigt, kommt die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 I 4 VwGO, ggf. analog) in Betracht. Siehe hierzu auch die Übersicht: Verwaltungsprozessrechtliche Verfahrensarten.

Abgrenzung: Isolierte Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen vs. Verpflichtungsklage auf Neuerlass

Hinweis: Der Streit wird i.R.d. statthaften Klageart, sowie i.R.d. Begründetheit relevant. Siehe daher auch die Problembox unten.

Beispiel: A erhält eine Baugenehmigung mit der Auflage, Brandschutztüren einzubauen. Kann er die Auflage isoliert anfechten (Anfechtungsklage, § 42 I Alt. 1 VwGO) oder muss er im Rahmen der Verpflichtungsklage (§ 42 I Alt. 2 VwGO) den Erlass einer neuen Baugenehmigung ohne Auflage begehren?

Bedeutung: Bei der Anfechtungsklage erhält der Bürger unmittelbar durch Urteil den begehrten VA ohne Nebenbestimmungen, während bei der Verpflichtungsklage erst die Behörde einen neuen VA erlassen muss.

  • Rspr. & h.L. Grundsätzliche Statthaftigkeit der Anfechtungsklage, 
    sofern der Haupt-VA ohne Nebenbestimmung sinnvollerweise (h.M. nicht erforderlich: rechtmäßigerweise, s. Problembox unten) bestehen bleiben kann.
    (pro) Wortlaut: „soweit“ in § 113 I 1VwGO bringt zum Ausdruck, dass VAe auch teilweise aufgehoben werden können – hierfür müssten sie auch teilweise angefochten werden können; Systematik: Effektiverer Rechtsschutz (Art. 19 IV GG), wenn nicht erst die Behörde einen neuen VA erlassen muss wie i.R.d. Verpflichtungsklage.

 

  • a.A. Differenzierung nach der Enge der Verbindung zw. Haupt-VA und Nebenbestimmung
    • Enge Verbindung bei den unselbständigen Nebenbestimmungen:
       Befristung, Bedingung und Widerrufsvorbehalt („erlassen werden mit“, § 36 II Gruppe 1 VwVfG)
      → Keine isolierte Anfechtung möglich → Verpflichtungsklage auf Neuerlass
    • Schwache Verbindung bei den selbstständigen Nebenbestimmungen:

      Auflage und Auflagevorbehalt („verbunden werden mit“, § 36 II Gruppe 2 VwVfG)

      → Isoliert Anfechtung möglich → Anfechtungsklage
    • Hier dann oft nötig: Abgrenzung Bedingung v. Auflage
      • Maßgeblich ist, wie wichtig der Behörde die Erfüllung der Nebenbestimmung ist; gewählter Bezeichnung kommt Indizwirkung zu
      • Bei Auflage wird VA sofort wirksam
      • Bei Bedingung hängt Wirksamkeit des VAs noch von bestimmten Ereignissen ab, die bei Erlass noch ungewiss sind
      • Im Zweifel ist Auflage anzunehmen (da wegen sofortiger Wirksamkeit des VAs weniger belastend für Bürger)

 

  • a.A. Differenzierung nach Art des Haupt-VAs
    • Ermessensentscheidung bzgl. Haupt-VA
      → Keine isolierte Anfechtung möglich → Verpflichtungsklage auf Neuerlass
      (pro) Ermessen bzgl. Haupt-VA wäre ohne Nebenbestimmung vermutlich anders ausgeübt worden und steht somit in enger Verbindung zur Nebenbestimmung
      (con) Behörde kann Rest-Haupt-VA aufheben oder nachträglich neue, rechtsfehlerfreie Nebenbestimmungen erlassen

    • Gebundene Entscheidung bzgl. Haupt-VA
      → Isolierte Anfechtung möglich → Anfechtungsklage

 

 

Besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen der Anfechtungsklage

Die Unterteilung in besondere und allgemeine (s.u.) Sachentscheidungsvoraussetzungen soll helfen zu verstehen, was nur bei der Anfechtungsklage und was bei jeder verwaltungsrechtlichen Klage zu prüfen ist. Sie kann auch weggelassen werden.

Klagebefugnis (§ 42 II VwGO)

  • Zweck: Insb. Vermeidung von Popularklagen

  • Der Kläger ist klagebefugt, wenn er substantiierte Tatsachen vortragen kann, die es zumindest möglich erscheinen lassen (h.M., Möglichkeitstheorie), dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und er dadurch in einem subjektiven Recht verletzt ist.

Mögliche Rechtsverletzung = Diese ist nicht von vornherein und unter jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen (Möglichkeitstheorie)

  • Dies ist insb. der Fall, wenn der Kläger Adressat eines belastenden VAs ist, da dann zumindest eine Verletzung in Art. 2 I GG möglich erscheint (Adressatentheorie).

Wann liegt bei der Drittanfechtungsklage eine für die Klagebefugnis erforderliche subjektive Rechtsverletzung vor?

Ist der Kläger nicht Adressat des angegriffenen VAs, sondern Dritter, ist die Adressatentheorie nicht anwendbar. Fallgruppen, aus denen sich eine mögliche subjektive Rechtsverletzung des Dritten ergeben kann:

  • Grundrechte

  • Sonderverbindung

    • öffentlich-rechtlicher Vertrag
    • Zusicherung
  • Drittschützende Normen
    • Norm dient nicht alleine dem Schutz öffentlicher, sondern zumindest auch dem individueller Interessen (Schutznormtheorie)
      • Konkretes geschütztes Recht Dritter erkennbar
      • Abgegrenzter Kreis geschützter Dritter erkennbar
    • Grds. nicht drittschützend: Verfahrensvorschriften (Schützen nur die unmittelbar am Verfahren Beteiligten)
    • Beispiel: A möchte gegen die Baugenehmigung seines Nachbarn B klagen. Drittschützend sind z.B. die bausicherheitsrechtlichen Brandschutzvorschriften wie Abstandsregelungen zu Nachbargrundstücken. Konkretes geschütztes Rechtsgut ist das Eigentum der Nachbarn. Abgegrenzter Kreis geschützter Dritter sind die unmittelbar angrenzenden Nachbarn.

 

Vorverfahren / Widerspruchsverfahren (§§ 68 ff. VwGO)

  • Zweck: Selbstkontrolle der Verwaltung und dadurch Entlastung der Gerichte (aber: meist erfolglos und dann nur zusätzliche Bürokratie; daher in vielen Bundesländern Abschaffung, s.u.)

  • Siehe zu den hier unter 2. sehr knappen Ausführungen das ausführliche Schema Widerspruchsverfahren (§§ 68 ff. VwGO).

  • Grundsatz: Vor Erhebung der Anfechtungsklage ist grds. ein Widerspruchsverfahren gem. § 68 ff. VwGO durchzuführen (§ 68 I 1 VwGO). 
  • Ausnahmen: Ein solches ist unstatthaft / entbehrlich. Fallgruppen sind... 

    • Zweck des Vorverfahrens auf andere Weise erreicht oder nicht mehr erreichbar (h.M.)
    • Rügelose Einlassung (h.M.)
    • Nichtiger Verwaltungsakt (str.)

    • Fälle des § 68 I 2 HS. 2 Nr. 1 / 2 VwGO
    • Landesrecht ordnet dies an (§ 68 I 2 HS 1 VwGO): 
      • BE: § 63 II JustG
      • BW: § 15 AGVwGO
      • BY: Art. 12 II AGVwGO
      • HE: § 16a AGVwGO

      • HH: § 6 II AGVwGO

      • MV: §§ 13a, 13b GenStrukGAG

      • NI: § 80 NJG

      • NRW: § 110 JustG
      • SA: § 8a AGVwGO

      • TH: §§ 8a ff. AGVwGO

  • Das Widerspruchsverfahren muss erfolglos sein, d.h. es endet mit:
    • Widerspruchsbescheid (§ 73 VwGO)
    • Untätigkeit der Behörde (§ 75 VwGO)
    • Reformation in peius („Verböserung“) - grds. möglich (h.M.)
      (pro) Telos: Gesetzesbindung und Selbstkontrolle der Verwaltung; Systematik: Nachträgliche Verschlechterung auch über §§ 48, 49 VwVfG möglich

 

 

Klagefrist (§ 74 I VwGO)

  • Verweisungen
    • VwGO verweist auf ZPO (§ 57 II VwGO)
    • ZPO verweist auf BGB (§ 222 I ZPO)
  • Fristdauer
    • Grds.: Ein Monat (§ 74 I 1 sowie 2 VwGO)
    • Ausnahme: Ein Jahr bei fehlender / falscher Rechtsbehelfsbelehrung (§ 58 II VwGO)
  • Fristbeginn
    • Bei erforderlichem Widersp.verfahren: Ab Zustellung des Widersp.bescheides (§ 74 I 1 VwGO)
    • Bei Entbehrlichkeit des Widers.verfahrens: Ab Bekanntgabe (§ 41 VwVfG; beachte Drei-Tages-Fiktion in Abs. 2) des VAs (§ 74 I 2 VwGO)
    • Ausnahme: Kläger beantragt Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, weil er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten ( § 60 I VwGO)
    • § 187 BGB: Bestimmung des ersten Tages
  • Fristende
    • § 188 BGB: Bestimmung des letzten Tages
    • Beachte zudem: § 222 II ZPO für die Verschiebungen des Fristendes, wenn dieses auf einen Samstag (‚Sonnabend‘), Sonntag oder allgemeinen Feiertag fällt

 

 

Klagegegner / Passive Prozessführungsbefugnis (§ 78 VwGO)

In manchen Bundesländern (z.B. Bayern) wird dieser Punkt als „Passivlegitimation“ zu Beginn der Begründetheit geprüft.

Klagegegner ist...

  • Grundsätzlich: Rechtsträger (Bund / Land / Gemeinde) der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat (§ 78 I Nr. 1); aber da der Rechtsträger einer Behörde für juristische Laien nicht immer einfach zu ermitteln ist, genügt gem. § 78 I Nr. 1 Hs. 2 VwGO für die Bezeichnung des Beklagten die Angabe der Behörde.
  • Ausnahme: Behörde ist selbst Beklagte, wenn das Landesrecht dies anordnet:
    • BB: § 8 II 1 BbgVwGG
    • MV: § 14 II GerStrukGAG
    • NI: § 79 II NJG & § 8 II AG VwGO
    • SA: § 8 S. 2 AG VwGO LSA;
    • SH: § 69 LJG SchlH und § 6 S.2 AGVwGO SH
    • SL: § 19 II AGVwGO

 

 

 

Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen

Beteiligten- und Prozessfähigkeit (§§ 61, 62 VwGO) 

  • Sowohl Kläger als auch Beklagter müssen beteiligten- und prozessfähig sein

Beteiligtenfähigkeit = Fähigkeit, an einem Verwaltungsgerichtsverfahren teilzunehmen 
→ korrespondiert mit der Rechtsfähigkeit

Prozessfähigkeit = Fähigkeit, wirksame Verfahrenshandlungen selbst vorzunehmen oder durch einen Bevollmächtigten vornehmen zu lassen
→ korrespondiert mit der Geschäftsfähigkeit

  • Beteiligtenfähigkeit (§ 61 VwGO)
    • Natürliche und juristische Personen (§ 61 Nr. 1 VwGO)

      • Natürliche Personen, sofern sie rechtsfähig i.S.d. bürgerlichen Rechts sind (§ 1 BGB)
      • Juristische Personen des Privatrechts (GmbH, AG, e.V., ...) sowie des öffentlichen Rechts (Bund, Land, Gemeinden, Körperschaften, Anstalten, Stiftungen) sowie ihnen gleichgestellte, die in eigenem Namen klagen und verklagt werden können (Gewerkschaften, Parteien, nicht rechtsfähige Vereine ...)
    • Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann (§ 61 Nr. 2 VwGO)

    • Behörden entspr. Landesrecht (§ 61 Nr. 3 VwGO)

  • Prozessfähigkeit (§ 62 VwGO)
    • Nach bürgerlichem Recht (§ 104 ff. BGB) unbeschränkt Geschäftsfähige (§ 62 I Nr. 1 VwGO) 
    • Nach bürgerlichem Recht beschränkt Geschäftsfähige, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen (z.B. §§ 112 ff. BGB) oder öffentlichen Rechts (z.B. § 10 FeV, § 5 RelKErzG, § 80 AufenthG) für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind (§ 62 Nr. 2 VwGO)
    • Wer selbst nicht prozessfähig ist muss sich vertreten lassen. Für Vereinigungen, Behörden sowie für juristische Personen handeln ihre gesetzlichen / rechtsgeschäftlichen Vertreter oder bes. Beauftragte (§ 62 III VwGO); z.B. Bürgermeister für Gemeinde, Geschäftsführer für GmbH
  • Ggf. Postulationsfähigkeit und Prozessvertretung aufgrund des Anwaltszwangs vor dem OVG und BVerwG (§ 67 VwGO)

 

Zuständiges Gericht (§§ 45, 52 VwGO)

Die nachfolgenden allgemeinen Sachentscheidungsvoraussetzungen (2. - 4.) werden oft auch weggelassen bzw. nur bei diesbezüglichen Problemen im Sachverhalt geprüft.

  • Sachliche Zuständigkeit (§ 45 VwGO)
  • Instanziell: Im ersten Rechtszug grds. Verwaltungsgerichte (§ 45 VwGO)
  • Örtliche Zuständigkeit (§ 52 VwGO, ggf. i.V.m. Landesnormen wie BY: Art. 1 II AGVwGO / NI: § 73 II JustizG)

 

Ordnungsgemäße Klageerhebung (§§ 81, 82 VwGO)

  • Form
    • Schriftlich (§ 81 I 1 VwGO) = In Schriftform und mit Unterschrift des Klägers/Bevollmächtigten (h.M.); (pro) Nachweis von Urheberschaft und Wille zur Klageerhebung); wg. Art. 19 IV GG auch ohne Unterschrift, wenn vergleichbare Gewähr für Urheberschaft vorliegt (str.); Elektronische Einreichung (z.B. E-Mail) nur unter Voraussetzungen des § 55a VwGO (z.B. DE-Mail) oder
    • zu Protokoll bei der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts (§ 81 I 2 VwGO)
  • Inhalt
    • Pflichtangaben (§ 82 I 1 VwGO „muß“): Kläger, Beklagter und Gegenstand des Klagebegehrens
    • Lediglich Soll-Vorschrift (§ 82 I 2, 3 VwGO; Nichteinhaltung führt nicht zur Unzulässigkeit): Bestimmter Antrag; zur Begründung dienende Tatsachen und Beweismittel; angefochtene Verfügung und Widerspruchsbescheid

 

Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis

Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis = Dem Kläger steht kein einfacherer und schnellerer Weg zur Verfügung, um sein Ziel zu erreichen und der angestrebte Rechtsschutz ist für ihn nicht nutzlos.

 

 

 

Ggf. Beiladung / Klagehäufung

Dieser Prüfungspunkt wird lediglich bei expliziten Angaben diesbezüglich im Sachverhalt und zwischen Zulässigkeit und Begründetheit thematisiert. 

Ausnahme: Die notwendige Streitgenossenschaft wird oft bereits im Rahmen der Zulässigkeit thematisiert, da nur alle Kläger gemeinsam klagebefugt sind.

  • Beiladung (§ 65 VwGO)
    • Einfache (fakultative) Beiladung (§ 65 I VwGO)
    • Notwendige (obligatorische) Beiladung (§ 65 II VwGO)
  • Objektive Klagehäufung (§ 44 VwGO)
  • Subjektive Klagehäufung / Streitgenossenschaft (§ 64 VwGO)
    • Einfache Streitgenossenschaft (§ 64 VwGO i.V.m. §§ 59, 60 ZPO)
    • Notwendige Streitgenossenschaft (§ 64 VwGO i.V.m. § 62 ZPO)

 

 

 

 

Begründetheit

Die Anfechtungsklage ist begründet, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist ( § 113 I 1 VwGO).

In den Bundesländern, in denen die Passivlegitimation in der Begründetheit geprüft wird (z.B. Bayern) lautet der Obersatz abweichend:
„Die Anfechtungsklage ist begründet, wenn sie sich gegen den richtigen Beklagten richtet (§ 78 I VwGO) und soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 I 1 VwGO)“

Vor der Rechtmäßigkeit des VAs wird dann I. Passivlegitimation geprüft.

Prüfungsmaßstab der Begründetheit bei der Anfechtung von Nebenbestimmungen

Hinweis: Der Streit um die Anfechtung von Nebenbestimmungen wird bereits i.R.d. Frage nach der statthaften Klageart relevant. Die h.M. ist der Ansicht, dass eine Nebenbestimmung isoliert angefochten werden kann (s. Problembox oben).

Beispielfall: A erhält eine Baugenehmigung (Haupt-VA) mit der Auflage, Brandschutztüren einzubauen. Er ficht die Auflage isoliert an. Der Haupt-VA ist jedoch ebenfalls aus einem anderen Grund rechtswidrig (z.B. da Maßgaben des Bebauungsplans missachtet wurden). Kann dieser nach Anfechtung der Nebenbestimmung trotz seiner Rechtswidrigkeit stehen bleiben?

Fraglich ist, wann die Anfechtungsklage dann begründet ist:

  • BVerwG (8. Senat - alt): „Die Anfechtungsklage ist begründet, wenn die angefochtene Nebenbestimmung rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist und der verbleibende Haupt-VA für sich genommen sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann.“
    (pro) Systematik: Konflikt mit der Rechtsbindung der Gerichte (Art. 20 III GG), wenn sie die Rechtswidrigkeit des Haupt-VAs völlig außer Acht ließen. Telos: Sonst würde ein rechtswidriger Haupt-VA bestehen bleiben.

  • BVerwG (neu, nach Aufgabe der Auffassung des 8. Senates mit Beschluss v. BVerwG, 12.10.2022 - 8 AV 1.22 (4 C 4.20)): „Die Anfechtungsklage ist begründet, wenn die angefochtene Nebenbestimmung rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist und der verbleibende Haupt-VA für sich genommen sinnvollerweise bestehen bleiben kann.“
    Die Rechtswidrigkeit des Haupt-VAs wird nach dieser Ansicht außer Acht gelassen.
    (pro): Klägerisches Begehren (§ 88 VwGO) ist lediglich auf die Nebenbestimmung gerichtet. Es ist dann Aufgabe der Verwaltung, auf den rechtswidrigen Haupt-VA zu reagieren (z.B. Rücknahme unter den strengen, vertrauensschützenden Anforderungen des § 48 VwVfG) und nicht des Gerichts.

Rechtmäßigkeit des VA

Siehe zu den hier unter I. sehr knappen Ausführungen ausführlich das Schema Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes (§ 35 S. 1 VwVfG).

Ermächtigungsgrundlage

Hier ggf. inzidente Prüfung der Rechtmäßigkeit der Rechtsgrundlage.

Formelle Rechtmäßigkeit

Beachte hier das spezielle Fehlerfolgenrecht des VwVfG.

Zuständigkeit
Verfahren
Form

Materielle Rechtmäßigkeit

Tatbestand

Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage

Rechtsfolge

Gebundene Entscheidung oder Ermessen? Nach h.M. hier auch Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie von Grundrechten.

 

 

Rechtsverletzung beim Kläger

Der Kläger muss in eigenen Rechten verletzt sein.

  • Rechtmäßiger VA: Nie Rechtsverletzung
  • Rechtswidriger VA
    • Kläger ist selbst Adressat des VAs: Stets zumindest Verletzung in Art. 2 I GG
    • Kläger ist nicht selbst Adressat des VAs (Drittanfechtungsklage): Es muss eine drittschützende Norm verletzt sein (s.o. Klagebefugnis)

 

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