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VwGO  
Verwaltungsgerichtsordnung

Öffentliches RechtVerwaltungsrecht

Verwaltungsprozessrecht

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Quelle: BMJ
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LexMea

Vorläufiger / einstweiliger Rechtsschutz (§ 123 VwGO)

Öffentliches RechtVerwaltungsrechtVerwaltungsprozessrecht

Prüfungsschema zum Antrag nach § 123 VwGO zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bis zur endgültigen Entscheidung in solchen Hauptsachen, die keine Anfechtungsklage oder Normenkontrollverfahren sind (in diesen Fällen geht § 80 V VwGO vor).

Dadurch kann in der Zwischenzeit der status quo gesichert werden (Sicherungsanordnung) oder der Rechtskreis des Antragstellers vorläufig erweitert werden (Regelungsanordnung).

 

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Zulässigkeit des Antrags nach § 123 I VwGO
  3. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 1 VwGO) 
  4. Aufdrängende Sonderzuweisung
  5. Generalklausel des § 40 I 1 VwGO
  6. Öffentlich-rechtliche Streitigkeit
  7. Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art
  8. Keine abdrängende Sonderzuweisung
  9. Statthafte Antragsart
  10. Keine Einschlägigkeit der vorrangigen §§ 80, 80a bzw. § 47 VI VwGO
  11. Anordnung: Sicherungsanordnung oder Regelungsanordnung
  12. Antragsbefugnis (§ 42 II VwGO analog)
  13. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
  14. Hauptsache kann Rechtsschutz bringen
  15. Vorheriger Antrag bei Behörde (str.)
  16. Bei vorbeugender Unterlassungs- oder Feststellungsklage: Qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis
  17. Bei Antrag durch Behörde: Diese kann Regelung nicht selbst durch eigenes Verwaltungshandeln herbeiführen
  18. Bei versagtem VA: Kein Fristablauf 
  19. [Keine Einlegung eines Hauptsacherechtsbehelfs]
  20. Antragsgegner (§ 78 VwGO analog)
  21. Beteiligten- und Prozessfähigkeit (§§ 61, 62 VwGO analog)
  22. Zuständiges Gericht (§§ 123 II, 45, 52 VwGO)
  23. Begründetheit
  24. Bestehen eines Anordnungsanspruchs
  25. Bestehen eines Anordnungsgrundes
  26. Glaubhaftmachung (§ 123 III VwGO, §§ 920 II, 294 ZPO)
  27. Ergebnis: Sicherungs- oder Regelungsanordnung ohne Vorwegnahme der Hauptsache

 

Es handelt sich bei § 123 VwGO um einen ‚Antrag‘ und keine ‚Klage‘. Das Gericht fällt kein vorläufiges ‚Urteil‘. In den Fällen des § 123 VwGO hat nicht bereits die Erhebung der Hauptsache aufschiebende Wirkung (so bei § 80 I VwGO), die angeordnet / wiederhergestellt werden kann. Das Gericht kann vielmehr auf Antrag erstmalig durch ‚Beschluss‘ (§ 123 IV VwGO) bis zur Hauptsacheentscheidung…

  • im Rahmen einer Sicherungsanordnung gem. § 123 I 1 VwGO den status quo sichern bzw. 
  • im Rahmen einer Regelungsanordnung nach § 123 I 2 VwGO den Rechtskreis des Antragstellers vorläufig erweitern.

 

Zulässigkeit des Antrags nach § 123 I VwGO

Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 1 VwGO) 

Siehe zu den hier unter I. sehr knappen Ausführungen ausführlich das Schema: Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO).

Aufdrängende Sonderzuweisung

Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet, wenn eine spezialgesetzliche aufdrängende Sonderzuweisung vorliegt.

Generalklausel des § 40 I 1 VwGO

Liegt keine aufdrängende Sonderzuweisung vor (zuerst prüfen), richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges nach der Generalklausel des § 40 I 1 VwGO.

 

Öffentlich-rechtliche Streitigkeit

Eine Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidenden Normen ausschließlich einen Hoheitsträger in seiner Eigenschaft als Träger hoheitlicher Gewalt berechtigen bzw. verpflichten (h.M. Modifizierte Subjektstheorie, teilw. auch: Sonderrechtstheorie / Zuordnungstheorie; a.A. Subordinationstheorie; a.A. Interessentheorie).

Nur dann, wenn die Frage nicht nach der modifizierten Subjektstheorie beantwortet werden kann, ist auf die anderen beiden Abgrenzungstheorien einzugehen).

 

Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art

Eine Streitigkeit ist nur dann verfassungsrechtlicher Art, wenn die sog. doppelte Verfassungsunmittelbarkeit gegeben ist:

  • Beide Seiten sind unmittelbar am Verfassungsleben Beteiligte (formelles Kriterium) und ...
  • Streitgegenstand sind im Kern unmittelbar verfassungsrechtliche Rechte bzw. Pflichten (materielles Kriterium).

 

Keine abdrängende Sonderzuweisung

Es liegt keine spezialgesetzliche abdrängende Sonderzuweisung zu anderen Gerichtsbarkeiten vor.

 

 

Statthafte Antragsart

Es handelt sich bei § 123 VwGO nicht um eine „Klage", sondern um einen Antrag. Daher werden die für Klagen geltenden Normen analog zitiert.

Die statthafte Antragsart bestimmt sich vor den Verwaltungsgerichten stets nach dem Begehren des Klägers (§ 88, 122 VwGO). Maßgeblich ist dabei, was der Kläger tatsächlich will und nicht der von ihm vorgebrachte Wortlaut (§ 86 III VwGO analog).

Der Antragsteller müsste vorläufigen Rechtsschutz ersuchen. Diesen gewährt die VwGO in den §§ 47; 80, 80a und 123.

Siehe zu den jeweiligen Unterschieden ausführlich die Übersicht: Arten des vorläufigen Rechtsschutzes im Verwaltungsverfahren.

 

Keine Einschlägigkeit der vorrangigen §§ 80, 80a bzw. § 47 VI VwGO

  • Eilrechtsschutz bei statthafter Anfechtungsklage in der Hauptsache
    Nach § 123 V VwGO gehen die §§ 80, 80a VwGO vor. Diese sind einschlägig, wenn der Antragsteller sich gegen einen belastenden Verwaltungsakt wendet, in der Hauptsache also eine Anfechtungsklage (§ 42 I Alt. 1 VwGO) einschlägig ist. 

  • Eilrechtsschutz bei statthafter Normenkontrolle in der Hauptsache
    Rechtsschutz gegen Normen gewährt als lex specialis vorrangig § 47 VI VwGO.

  • Eilrechtsschutz in allen übrigen Fällen
    § 123 VwGO ist Auffangtatbestand für die sonstigen Fälle, in denen in der Hauptsache also die Verpflichtungs-, allgemeine Leistungs- oder Feststellungsklage einschlägig ist.

 

Was ist die statthafte Antragsart in Fällen des faktischen Vollzugs eins VAs?

Problemfall: Die Behörde hält sich nicht an die aufschiebende Wirkung von Widerspruch / Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt nach § 80 I VwGO und vollzieht den VA. 

  • e.A.: § 123 VwGO
    (proSystematik: Kläger begehrt die Einstellung des Vollzugs bzw. die Rückgängigmachung der Vollzugsfolgen und damit ein Realhandeln. Es liegt somit eine Verpflichtungssituation vor, sodass in der Hauptsache die Verpflichtungsklage einschlägig wäre. Hierfür ist der Antrag nach § 123 VwGO statthaft.
  • h.M.: § 80 V VwGO
    (proSystematik: Das Gericht muss eigentlich nur die aufschiebende Wirkung feststellen, daraus ergibt sich bereits, dass der Vollzug einzustellen ist. Hierfür ist der Antrag nach § 80 V VwGO statthaft.

 

Anordnung: Sicherungsanordnung oder Regelungsanordnung

Auch wenn das Prüfungsprogramm sich erst in der Begründetheit unterscheidet (s.u.), sollte dem Korrektor bereits hier signalisiert werden, welche der nachfolgenden Antragsarten vorliegt. 

Der Antrag nach § 123 VwGO kennt zwei Alternativen:

  • Antrag auf Sicherungsanordnung (§ 123 I 1 VwGO)
    Besteht die Gefahr, dass die Verwirklichung eines Rechts durch eine Veränderung des status quo vereitelt oder wesentlich erschwert wird, kann das Gericht die Sicherung des status quo anordnen.
    z.B. Anordnung des Unterlassens der Auszahlung einer Subvention an einen Konkurrenten
  • Antrag auf Regelungsanordnung (§ 123 I 2 VwGO)
    Wird in der Hauptsache die Einräumung oder Erweiterung des eigenen Rechtskreises – also eine Zustandsverbesserung – begehrt, kann das Gericht diesen Zustand bereits vorläufig durch Regelung anordnen.
    z.B. vorläufige Zulassung zum juristischen Staatsexamen

 

Antragsbefugnis (§ 42 II VwGO analog)

Der Antragsteller ist nach h.M. gem. § 42 II VwGO analog nur antragsbefugt, wenn er substantiierte Tatsachen vortragen kann, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass er insb. aufgrund eines bestehenden Anordnungsanspruchs und -grundes (s.u.) …

  • bei begehrter Sicherungsanordnung durch die drohende Veränderung des status quo
  • bei begehrter Regelungsanordnung durch eine Nichtveränderung

in einem subjektiven Recht verletzt wäre (h.M., Möglichkeitstheorie).

 

Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis

Hauptsache kann Rechtsschutz bringen

Der vorläufige Rechtsschutz ist akzessorisch zur Hauptsache und dient lediglich deren vorläufiger Sicherung. Die Hauptsache darf daher nicht rechtskräftig abgelehnt worden, offensichtlich unzulässig sein oder sich anderweitig erledigt haben.

 

Vorheriger Antrag bei Behörde (str.)

Ist ein vorheriger Antrag bei der erlassenden Behörde nötig?

  • e.A.: (+) Nein
    (proSystematik: Antrag nicht wie etwa in § 80 IV, VI VwGO vorgesehen; lange Bearbeitungszeiten der Behörden können dem Eilbedürfnis und somit dem effektiven Rechtsschutzinteresse (Art. 19 IV GG) entgegenstehen. 
  • h.M.: (+/-) Ja, außer dies erscheint von vornherein aussichtslos oder es besteht besondere Dringlichkeit
    z.B. nicht, wenn Behörde besonders lange Bearbeitungszeit hat oder bereits signalisiert hat, den Antrag abzulehnen
    (proTelos: Wenn Behörde zuvor nichts vom Begehren des Antragstellers erfahren hat, kann ein Antrag bei ihr ggf. schnelleren Rechtsschutz bieten.

 

 

Bei vorbeugender Unterlassungs- oder Feststellungsklage: Qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis

Im Falle der vorbeugenden allgemeinen Leistungsklage in Form der Unterlassungsklage bei drohendem VA, sowie der vorbeugenden Feststellungsklage, ist nach h.M. ein besonderes / qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis erforderlich. Dieses ist insb. gegeben, wenn in grundrechtssensiblen Bereichen irreversible Folgen drohen. 

Anderenfalls ist es insb. zumutbar, den Erlass eines VAs abzuwarten und dann Rechtsschutz nach §§ 80, 80a VwGO zu ersuchen. So wird auch der nach § 123 V VwGO angeordnete Vorrang der §§ 80, 80a VwGO gewahrt.

 

Bei Antrag durch Behörde: Diese kann Regelung nicht selbst durch eigenes Verwaltungshandeln herbeiführen

Grundsätzlich können auch Behörden einen Antrag nach § 123 VwGO stellen. Dies allerdings nur, wenn sie die begehrte Rechtsfolge nicht durch eigenes Verwaltungshandeln herbeiführen können.
z.B. wenn das unterlassene Einverständnis einer anderen Behörde oder Gemeinde in baurechtlichen Angelegenheiten ihr kommunales Selbstverwaltungsrecht verletzt 

 

Bei versagtem VA: Kein Fristablauf 

Der Antrag nach § 123 VwGO ist grds. nicht fristgebunden (außer dies wird spezialgesetzlich angeordnet, wie z.B. § 18a IV AsylG).

Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis fehlt jedoch auch, wenn die Behörde einen VA (z.B. eine beantragte Erlaubnis) versagt hat und der Antragssteller anschließend die Widerspruchsfrist (§ 70 VwGO) bzw. die Klagefrist (§ 74 I, II VwGO) hat verstreichen lassen.

 

[Keine Einlegung eines Hauptsacherechtsbehelfs]

Der Antrag ist ausweislich § 123 I VwGO „auch schon vor Klageerhebung", also vor Einlegung eines Hauptsacherechtsbehelfs zulässig.

 

 

Antragsgegner (§ 78 VwGO analog)

In manchen Bundesländern (z.B. Bayern) wird dieser Punkt als „Passivlegitimation" zu Beginn der Begründetheit geprüft.

Siehe hierzu das Schema der jeweiligen Hauptsache (Verpflichtungs-, allgemeine Leistungs- oder Feststellungsklage).

 

Beteiligten- und Prozessfähigkeit (§§ 61, 62 VwGO analog)

Siehe hierzu das Schema der jeweiligen Hauptsache (Verpflichtungs-allgemeine Leistungs- oder Feststellungsklage).

 

 

Zuständiges Gericht (§§ 123 II, 45, 52 VwGO)

Gem. § 123 II 1 VwGO Gericht der Hauptsache; dahingehende Prüfung der §§ 45 (sachlich), 52 VwGO (örtlich). 

 

 

 

 

Begründetheit

Der Antrag ist begründet, soweit der Antragssteller einen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 III VwGO, §§ 920 II, 294 ZPO) hat und keine Vorwegnahme der Hauptsache vorliegt. In diesen Fällen kann das Gericht eine einstweilige Anordnung treffen (Ermessensentscheidung).

 

Bestehen eines Anordnungsanspruchs

Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn die formellen und materiellen Voraussetzungen des im Hauptverfahren geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruchs auf Unterlassung / Vornahme der behördlichen Handlung vorliegen. 

Es erfolgt also eine summarische Prüfung der Begründetheit der Hauptsache.

Verfügt die Behörde im Rahmen eines Anspruchs über ein Ermessen, so liegt ein Anordnungsanspruch nach h.M. lediglich bei Ermessensreduzierung auf Null vor.

 

 

Bestehen eines Anordnungsgrundes

Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn besondere Eilbedürftigkeit besteht.

Dies erfordert… 

  • im Falle der Sicherungsanordnung ausweislich § 123 I 1 VwGO, dass „die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte" und
  • im Falle der Regelungsanordnung ausweislich § 123 I 2 VwGO, dass die „Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint."

 

 

Glaubhaftmachung (§ 123 III VwGO, §§ 920 II, 294 ZPO)

Das Gericht muss nicht wie im Rahmen eines Urteils zur vollen „Überzeugung" gelangen. Es genügt gem. § 123 III VwGO, §§ 920 II, 294 ZPO, wenn Anordnungsanspruch und -grund mittels Vorbringung von Tatsachen glaubhaft gemacht werden. 

Glaubhaftmachung = Art der Beweisführung, die dazu führt, dass ein Richter die behauptete Tatsache für wahrscheinlicher hält als das Gegenteil

z.B. eidesstattliche Versicherung (§ 294 I ZPO); plausibles, in sich widerspruchsfreies Vortragen eines Sachverhaltes  

In der Klausur genügt i.d.R. der bloße Hinweis auf die Glaubhaftmachung mittels Vorbringung von Tatsachen.

 

 

Ergebnis: Sicherungs- oder Regelungsanordnung ohne Vorwegnahme der Hauptsache

  • Kein Entschließungsermessen („Ob")
    Nach h.M. verfügt das Gericht trotz der Formulierung der § 123 I 1 und 2 VwGO („kann") bei Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und -grund über kein Entschließungsermessen („Ob"), sondern muss die einstweilige Anordnung treffen.

Im Unterschied zu den §§ 80, 80a VwGO findet auch keine Interessenabwägung zwischen öffentlichem Vollzugs- und privatem Aussetzungsinteresse statt.

  • Auswahlermessen („Wie")
    Lediglich der konkrete Inhalt der Sicherungs- bzw. Regelungsanordnung steht im Auswahlermessen („Wie") der Behörde. Ob eine Sicherungs- oder Regelungsanordnung getroffen wird, richtet sich grds. nach dem Begehren des Klägers (s.o.). Hierfür können auch nicht explizit vorläufige Anordnungen getroffen werden.
    Dabei hat das Gericht stets zwei Grenzen zu beachten:
    • Keine Überschreitung des Hauptsachebegehrens
      Das Auswahlermessen ist durch den in der Hauptsache begehrten Rechtsschutz begrenzt und darf nicht darüber hinausgehen.
      z.B. keine Anordnung einer Vornahme, wenn in der Hauptsache lediglich ein Anspruch auf Neubescheidung besteht
    • Keine Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung
      Die Anordnung ist ferner nur „zur Regelung eines vorläufigen Zustands" (§ 123 I 2 VwGO) zulässig, sie darf die Hauptsache also nicht durch das Schaffen irreversibler Fakten für die Zukunft vorwegnehmen und somit gegenstandslos machen.
      z.B. indem eine Rechtsposition endgültig / unentziehbar und nicht nur vorübergehend eingeräumt wird
      Aufgrund des Gebotes des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 IV GG) gestattet das BVerfG hiervon jedoch Ausnahmen, wenn… 
      • ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit des Obsiegens in der Hauptsache besteht und 
      • die zu erwartenden Nachteile anderenfalls unzumutbar wären (insb. weil erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Rechtsverletzungen drohen).

Diese Ausnahme wird in der Klausur zumeist anzunehmen sein.

 

 

Das Gericht trifft zwar die Sicherungs- bzw. Regelungsanordnung gegenüber der Behörde, nicht jedoch die Maßnahme selbst. Hierzu verpflichtet es die Behörde. Kommt die Behörde dieser Verpflichtung nicht nach, hat das Gericht die Möglichkeit der Androhung und Vollstreckung eines Zwangsgeldes (§ 172 S. 1, 2 VwGO).

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