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StPO  
Strafprozessordnung

Strafrecht

Strafprozessrecht

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.
(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.
(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.
(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.
(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.
Quelle: BMJ
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LexMea

Anklageschrift - Muster

StrafrechtStrafprozessrecht

Das folgende Muster einer Anklageschrift kann in Referendariat und Praxis verwendet werden. Es finden sich ausführliche Erläuterungen zu allen Elementen in den Fußnoten. Vorgaben zur Anklageschrift enthalten die §§ 152, 170, 199, 200 StPO sowie die Nr. 110 bis 114 RiStBV. Das folgende Muster orientiert sich an den Vorgaben und Gepflogenheiten in Berlin.

 

Staatsanwaltschaft Berlin

 

 

34² Js³ 1234/24

Berlin, den 21. September 20241

Turmstraße 91
10559 Berlin

Tel.: +49 030 9014 1234

An das5
Landgericht Berlin
- Große Strafkammer -

  • Haft!!!

    Frist gemäß §§ 121, 122 StPO: 2. November 2024 / Haftverschonung!6

  • Haft i.a.S.7

  • Jugendlicher! / Heranwachsender! / ...zur Tatzeit8

 

A n k l a g e s c h r i f t9

 

Bl. 1, 2, 310

 

 

 

 

 

 

Der gelernte Programmierer11

Max Moritz M u s t e r m a n n, geb. Musterknabe

geboren am 1. Januar 2000 in Berlin,

gemeldet: Potsdamer Platz 1, 10785 Berlin12

derzeit aufhältig in der JVA Moabit zur Gefangenenbuchnummer 1234/24-913

deutscher Staatsangehöriger, kinderlos, ledig14

- Registerauszug ist beigefügt -15

Bl. 4, 5

 

- in dieser Sache am 2. Mai 2024 vorläufig festgenommen und seit dem 3. Mai 2024 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Tiergarten - 123 Gs 123/24 - in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Moabit zur Gefangenenbuchnummer 1234/24-9 -16
Bl. 12317 Verteidiger: Rechtsanwältin Jana Jurist, Kurfürstendamm 1, 10719 Berlin18
 


wird a n g e k l a g t,

(als Jugendlicher / als Heranwachsender / ... zur Tatzeit)19

 

in Berlin20

in der Zeit vom 1. April 2024 bis zum 5. April 202421

 

[abstrakter Anklagesatz:]22

 

durch vier selbständige Handlungen

  1. [...]
  2. [...]
  3. [...]
  4. [...]
   
  [konkreter Anklagesatz:]23
  Dem Angeschuldigten wird Folgendes zur Last gelegt:24
  1. [...]
  2. [...]
  3. [...]
  4. [...]
 

Der Angeschuldigte ist hiernach als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. /

Der Angeschuldigte hat durch die ihm zur Last gelegten Taten einen Betrag in Höhe von insgesamt 1.234 Euro erlangt. In Höhe dieses Betrages ist die Einziehung des Wertes des Erlangten anzuordnen. /

Das bei dem Angeschuldigten sichergestellte Messer unterliegt der Einziehung.25

 

 

 

 

Vergehen und Verbrechen, strafbar gemäß §§ 123, 233, 230, 249, 250, 253, 255, 263, 267, 22, 23, 52, 74ff., 77, 77b StGB.26

 

Bl. 123 Die erforderlichen Strafanträge wurden form- und fristgerecht gestellt; im Übrigen wird das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht.27
 

 

 

Beweismittel:28

 

 

Bl. 123

I. Einlassung des Angeschuldigten29

  II. Zeugen30

Bl. 123

 

 

1. KOK'in Rechtschaffen

zu laden über den Polizeipräsidenten in Berlin

Dir 5 VB III 1

Bl. 123

 

 

2. POK Scheriff

zu laden über den Polizeipräsidenten in Berlin

A 56

Bl. 123

 

3. Agnes Aufmerksam,

Berlin
 

4. August Augenmerk,

Berlin
 

III. Sachverständige31

Bl. 123

 

Prof. Dr. Silvia Sandro

Leipziger Platz 4, 10117 Berlin 

  IV. Urkunden32
Bl. 123

1. Reisepass Nr. 123456789 des Angeschuldigten (in Kopie)

Bl. 123

2. Kontoauszug für das Konto Nr. 123456 bei der B-Bank vom 9. September 2024

Bl. 123

3. BAK-Gutachten des LKA KTI, Nr. 123/24 vom 5. Mai 2024 (BAK am 02. Mai 2024 um 12:34 Uhr: 2,51 ‰)

 

4. ärztlicher Bericht zur Blutentnahme vom 2. Mai 2024

  V. Augenscheins/Einziehungsgegenstände33
Bl. 123 1. Zwei Springmesser
Bl. 123 2. Lichtbilder der Springmesser
Bl. 123 3. Lichtbilder des Ladengeschäfts, Unter den Linden 1, 10117 Berlin
  VI. Beiakten und Beistücke34
  [...]
   
  Wesentliches Ergebnis des Ermittlungen:35
  I. Zur Person:
  [...]
  II. Zur Sache:
  [...]
  Der Angeschuldigte wird aufgrund der angegebenen Beweismittel (insbesondere der ...) überführt werden.
   
 

Es wird beantragt,36

 1. das Hauptverfahren zu eröffnen und die Anklage vor dem Landgericht Berlin - große Strafkammer - zur Hauptverhandlung zuzulassen,

 2. Haftfortdauer anzuordnen.

   
 

[Name]37

Staatsanwalt
   

 

1 Anzugeben ist das Datum der Verfügung der Anklage. Erst die Erhebung der Anklage, d.h. die Zustellung beim zuständigen Gericht, unterbricht gem. § 78c I Nr. 6 StGB die Verjährung.
2 Abteilung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts.

3 Kürzel der Staatsanwaltschaft (Js = Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft, KapJs = Ermittlungsverfahren bei der Abteilung für Kapitalstrafsachen, OpJs = Ermittlungsverfahren bei der Abteilung für Betäubungsmitteldelikte, WiJs = Ermittlungsverfahren bei der Abteilung für Wirtschaftsstrafsachen, StJs = Ermittlungsverfahren bei der Abteilung für Steuerstrafsachen, UmwJs = Ermittlungsverfahren bei der Abteilung für Umweltdelikte, MüJs = Ermittlungsverfahren bei der Abteilung für Delikte wie Geld- und Wertzeichenfälschung, JuJs = Ermittlungsverfahren bei der Abteilung für Strafsachen von Jugendlichen und Heranwachsenden sowie für Jugendschutzsachen, PLs = Ermittlungssache der Amtsanwaltschaft) oder des Gerichts (Gs = Ermittlungsrichter Amtsgericht, Ds = Einzelrichter Amtsgericht, Cs = Einzelrichter Amtsgericht bei Strafbefehlsverfahren).

4 Nummer des Verfahrens und Jahr; gelesen '1234 aus 24'.

5 Die Bezeichnung von Gerichts und Spruchkörper erfolgen jeweils in einer separaten Zeile. Der Spruchkörper steht Parenthese. Die Anklage ist an den konkret zuständigen Spruchkörper zu richten. In Betracht kommen:

    • Amtsgericht Tiergarten:
      • Strafrichter bei Vergehen und erwarteter Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis einschließlich zwei Jahren (§ 25 GVG),

      • Schöffengericht insb. bei erwarteter Freiheitsstrafe über zwei bis einschließlich vier Jahren und bei Verbrechen, die zum Amtsgericht angeklagt werden (§§ 24, 25, 28 GVG); als erweitertes Schöffengericht (§ 29 II GVG) wenn die Sache neben der vorgenannten Straferwartung umfangreich ist,

      • Jugendrichter insb. in Jugendsachen, bei erwarteten Erziehungsmaßregeln, Zuchtmitteln oder Jugendstrafe bis zu einem Jahr (§ 39 JGG) und bei Jugendschutzsachen (§ 26 I 1 GVG), wenn nach allg. Vorschriften die Zuständigkeit des Strafrichters begründet wäre (§ 26 I 2, 24 , 25 GVG),
      • Jugendschöffengericht in reinen Jugendsachen, sofern nicht die Zuständigkeit eines des Jugendrichters oder der Jugendkammer begründet ist (§ 40 JGG) und bei Jugendschutzsachen (§ 26 I 1 GVG), wenn nach allg. Vorschriften die Zuständigkeit des Schöffengerichts begründet wäre (§ 26 I 2, 24 , 25 GVG).
    • Landgericht Berlin:
      • große Strafkammer bei erwarteter Freiheitsstrafe von mehr als vier Jahren,
      • Schwurgericht bei Katalogtaten nach § 74 II GVG, insb. bei Tötungsdelikten,

      • Staatsschutzkammer bei Katalogtaten nach § 74a Abs. 1 GVG,
      • Wirtschaftsstrafkammer bei Katalogtaten nach § 74c I GVG, insb. bei Wirtschaftsstraftaten,

      • Jugendkammer für Jugendschutzsachen bei Verstößen gegen Jugendschutzbestimmungen, sofern nach allg. Vorschriften die Zuständigkeit des Landgerichts begründet wäre (§§ 26, 74b GVG),
      • Jugendkammer in Jugendsachen, insb. wenn nach allgemeinen Vorschriften, das Schwurgericht zuständig wäre (§ 41 JGG). 

6 Die Frist für die Haftprüfung durch das Kammergericht beginnt nach hM erst, wenn Ergreifung und Haftbefehl vorliegen, d.h. entweder, wenn der Beschuldigte aufgrund eines Haftbefehls ergriffen wird oder wenn gegen den vorläufig Festgenommenen Haftbefehl erlassen wird. Umstritten ist auch unter den Oberlandesgerichten, ob § 43 StPO Anwendung findet, sodass der Tag des Ereignisses nach § 43 I StPO nicht mitgerechnet wird (dann bei Haftbeginn am 03.05. → Fristende mit Ablauf des 03.11.; +6 Monate) und das Fristende an Wochenenden und Feiertagen auf den nächsten Werktag verschoben wird (§ 43 II StPO). Der Wortlaut spricht für die Anwendbarkeit des § 43 StPO. Die in Berlin vertretene, grundrechtsfreundlichere Gegenansicht beruft sich darauf, dass es sich bei der Haft nicht um eine 'Frist' i.e.S. handelt und rechnet den ersten Tag mit ein (dann bei Haftbeginn am 03.05. → Fristende mit Ablauf des 02.11.; +6 Monate -1 Tag). Beachte ggf. Unterbrechungen der Frist. Bei Haftverschonung ist dies ebenfalls zu vermerken („Haftverschonung!“).

7 Bei Haft in anderer Sache, ist dies ebenfalls zu vermerken. Die Angabe einer Frist für die Haftprüfung ist dann nicht erforderlich.

8 Sofern es sich beim Beschuldigten um einen Jugendlichen (über 14 und unter 18 Jahre alt; § 1 II JGG) oder einen Heranwachsenden (über 18 und unter 21 Jahre alt; § 1 II JGG) handelt, ist dies hier zu vermerken.

9 Bei Anklage zum Schwurgericht lautet die Überschrift „Schwurgerichtsanklage“.

10 Links sind Blattzahlen der Akte anzugeben, aus denen sich die Informationen ergeben. Dies gilt insbesondere bei Personalien, Angaben zur Verteidigung und Haftverhältnissen. Bei mehrbändigen Akten auch Band angeben (z.B. „Bd. 2 Bl. 123“ oder „Bl. 123/II“, je nach Bezeichnung der Bände auf dem Aktendeckel).

11 Üblicherweise wird mit Berufsbezeichnung begonnen. Diese hat insb. für eine etwaige Einkommensschätzung zur Festlegung von Tagessätzen Relevanz. Daher sind nur Berufe aufzuführen, die derzeit ausgeübt werden. Bei Arbeitslosen kann erlernter Beruf (z.B. „die gelernte Programmiererin“) genannt werden.

12 Personalien sind möglichst genau zu bezeichnen. Sie lassen sich der Ermittlungsakte, regelmäßig dem der Beschuldigtenvernehmung vorangestellten Personalienblatt und dem Personalienbogen aus dem polizeilichen Datensystem POLIKS, entnehmen. Bei Abweichungen sollte vorrangig auf das Personalienblatt zurückgegriffen werden, insbesondere, wenn sich aus diesem ergibt, dass amtliche Dokumente bei der Vernehmung vorlagen. Maßgeblich sind die zum Zeitpunkt der Anklageerhebung aktuellen Daten. Als Name sind alle Vornamen zu nennen. Üblich ist es, den Rufnamen zu unterstreichen und den Nachnamen gesperrt zu schreiben. Geburtsnamen sind ebenfalls anzugeben. Bei Geburtsorten außerhalb Deutschlands ist das Land mit anzugeben. Als Adresse ist der Wohnort anzugeben, unter dem Zustellungen erfolgen können. Erforderlich ist daher, dass der Beschuldigte sich auch dort aufhält. Die Anschrift kann auch im Ausland liegen, da dann im Wege der Rechtshilfe zugestellt werden kann. Bei Obdachlosen kann vermerkt werden: „in Deutschland ohne festen Wohnsitz“. Sofern eine ladungsfähige Anschrift nicht vorhanden ist, kommt eine Zustellung über einen bevollmächtigten Verteidiger in Betracht. Richtet sich die Anklage gegen einen bei Anklageerhebung Minderjährigen, sind auch gesetzliche Vertreter zu benennen (z.B.: „Gesetzliche Vertreter: Eltern Martin Musterknabe und Marianne Musterknabe, Musterstraße 4, 12203 Berlin“). Mehrere Beschuldigte sind arabisch zu nummerieren und nacheinander aufzuführen. Obenstehende Hinweise zu Haft, Jugendlichen oder Heranwachsenden sollen erkennen lassen, auf welchen Beschuldigten sie sich beziehen.

13 Befindet sich der Beschuldigte in Haft, sind JVA und Gefangenenbuchnummer anzugeben.

14 Die Angabe des Familienstandes kann weggelassen werden, sofern dieser unbekannt ist. Bei unbekannter Staatsangehörigkeit sollte dies vermerkt werden.

15 In Berlin wird ein Auszug aus dem Bundeszentralregister stets beigelegt und dies so vermerkt. Ein früher teilweise üblicher Hinweise auf Vorstrafen wird heute nicht mehr vorgenommen.

16 Sofern gegen den Beschuldigten in diesem Ermittlungsverfahren ein Haftbefehl erlassen wurde, ist dies hier zu erwähnen. Anzugeben sind, Haftbefehl mit Angaben zu erlassendem Gericht, Datum und Aktenzeichen, sowie das Datum der vorläufigen Festnahme oder der Festnahme aufgrund des Haftbefehls. Außerdem anzugeben sind JVA und Gefangenenbuchnummer. Spätere Haftverschonungen, Aufhebungen der Haftverschonungen und erneute Festnahmen sind ebenfalls mit Datum zu nennen. Wurde kein Haftbefehl erlassen oder wurde dieser später aufgehoben, erfolgen keine Angaben zur Haft. Bei Haft in anderer Sache sind an dieser Stelle keine weiteren Angaben zu machen. Haft, Haftverschonung und Haft in anderer Sache sind oben rechts auf der Anklageschrift zu notieren (siehe auch Fn. 6 und 7).

17 Als Blattangabe ist bei Wahlverteidigung auf die schriftliche Verteidigervollmacht hinzuweisen. Sofern diese nicht vorliegt, kann auf die Vertretungsanzeige des Verteidigers verwiesen werden. Bei Pflichtverteidigung ist auf den entsprechenden Gerichtsbeschluss zu verweisen.

18 Sofern der Beschuldigte einen oder mehrere (gem. § 137 I 2 StPO maximal drei) Verteidiger hat, sind diese hier mit Namen und Kanzleianschrift zu nennen. Die Verteidigung bezieht sich stets auf den Rechtsanwalt und nicht auf eine Kanzlei als solche.

19 Sofern es sich beim Beschuldigten um einen Jugendlichen (über 14 und unter 18 Jahre alt; § 1 II JGG) oder einen Heranwachsenden (über 18 und unter 21 Jahre alt; § 1 II JGG) handelt, ist dies auch hier zu vermerken. Sofern der Beschuldigte seither die Altersgrenze Überschriften hat erfolgt der Zusatz: „zur Tatzeit“. Bei Jugendlichen wird wegen § 3 JGG teilweise der Hinweis „als Jugendlicher mit Verantwortungsreife“ verwendet. Da die Verantwortungsreife durch die Anklageerhebung implizit vorausgesetzt wird, kann der Hinweis hierauf weggelassen werden.

20 Als Ort ist grds. die Angabe der Stadt oder Gemeinde ausreichend. In Berlin kann zusätzlich auf den Bezirk hingewiesen werden. Mehrere Orte werden grds. aufgezählt. Bei mehr als drei Orten ist die Formulierung „in Berlin und andernorts“ gebräuchlich. Dies gilt auch, wenn die anderen Orten nicht feststehen.

21 Als Tatzeit genügt die Angabe der Tage. Bei mehr als zwei Tattagen ist die Angabe eines Zeitraums üblich.

22 Diese Überschrift dient als Hinweis und ist nicht Teil der Anklageschrift. Im abstrakten Anklagesatz wird der Wortlaut der verletzten Strafvorschriften wörtlich wiedergegeben. Es sind lediglich die Teile der Normen zu zitieren, die im konkreten Fall verwirklicht sind. Dabei ist der Wortlaut ggf. anzupassen (z.B. „und“ statt „oder“, „Personen“ statt „Person“). Sprachliche Änderungen sollten so gering wie möglich gehalten werden. Umstellungen sollen unterbleiben. Die einzelnen Tatbestände sind zu nummerieren. Bei komplexeren Konstellationen empfiehlt es sich mit mehreren Gliederungsebenen zu arbeiten. Die Nummerierung muss eine Zuordnung im konkreten Anklagesatz ermöglichen. Die Formulierungen müssen die Beteiligungsform (Form der Täterschaft oder Teilnahme) erkennen lassen. Mittäter (§ 25 II StGB) sind namentlich zu nennen, auch wenn diese im konkreten Verfahren nicht mitangeklagt sind (z.B. „gemeinschaftlich handelnd mit der gesondert verfolgten Mirka Müller“ oder „...mit einem unbekannten Mittäter“). Bei der Begehung durch Unterlassen (§ 13 StGB) soll ein entsprechender Hinweis im abstrakten Anklagesatz entbehrlich sein. Konkurrenzverhältnisse müssen erkennbar sein (bei Tateinheit z.B. „und hierbei zugleich ...“). Tatbestände, die im Rahmen der Konkurrenzen ausscheiden, sind nicht aufzunehmen. Zu erwähnen ist, wenn die Tat durch Fahrlässigkeit (§ 15 StGB) begangen wurde. Bei Delikten, die vorsätzlich und fahrlässig begangen werden können (z.B. § 315b StGB) empfiehlt sich auch bei vorsätzlicher Begehung ein entsprechender Hinweis (z.B. „vorsätzlich ein Hindernis bereitet“). Ebenso ist auf einen Versuch (§§ 22, 23 StGB) hinzuweisen (z.B. „versucht zu haben, ...“). Angaben zur verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) dürften entbehrlich sein, da hierfür zunächst die Beweisaufnahme abzuwarten ist.

23 Diese Überschrift dient als Hinweis und ist nicht Teil der Anklageschrift. Im konkreten Anklagesatz wird das tatsächliche Geschehen, das zur Verwirklichung des Tatvorwurfs geführt hat dargestellt. Dabei sind alle Umstände, die die jeweiligen objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale erfüllen zu schildern. In Vorwegnahme der Klageerhebung (s. § 157 StPO) wird im konkreten Anklagesatz vom 'Angeschuldigten' und nicht mehr vom 'Beschuldigten' gesprochen. Die Schilderung ist im Imperfekt zu halten. Tatort, Tatzeit und Verhalten sind möglichst genau zu bezeichnen. Bei mehreren Angeschuldigten sind diese jeweils namentlich zu bezeichnen.

Formulierungstipps für den abstrakten Anklagesatz:

  • Zu Beginn ist die Anzahl der tatmehrheitlich verwirklichten Delikte anzugeben: „durch vier selbständige Handlungen ...
  • Tateinheit: „durch dieselbe Handlung ...
  • Mittäterschaft: „gemeinschaftlich mit der Angeklagten Müller / mit dem gesondert verfolgten Bill Becker ...
  • Anstiftung: „einem anderen zu dessen vorsätzlicher rechtswidriger Tat, einer Körperverletzung, bestimmt zu haben.
  • Beihilfe: „einem anderen zu dessen vorsätzlicher rechtswidriger Tat, einer Körperverletzung, Hilfe geleistet zu haben.
  • Versuch:versucht zu haben,...“  bei gleichartigen Delikten ggf.: „...wobei es in einem Fall beim Versuch blieb.
  • Qualifikation und Regelbeispiel: wird in die Formulierung eingefügt, z.B. „... misshandelt zu haben, und zwar mittels eines gefährlichen Werkzeugs.“ oder „... wobei er zur Ausführung. der Tat in eine Wohnung einbrach.

24 Der konkrete Anklagesatz beginnt stets mit dieser Standardformulierung.

25 Um den Angeschuldigten auch auf die weiteren drohenden Sanktionen hinzuweisen, wird am Ende des konkreten Anklagesatzes hierauf hingewiesen. Dies betrifft insbesondere Maßregeln der Besserung und Sicherung (Bsp.: Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 69 StGB), und Einziehungsvorschriften (§§ 73 ff. StGB).

26 Sofern nur Vergehen oder nur Verbrechen angeklagt werden, ist die Formulierung entsprechend anzupassen. In der Paragraphenkette sind alle relevanten Strafnormen, einschließlich solcher des Allgemeinen Teils, zu nennen. Dabei sind die konkreten Normteile, ggf. mit Absatz, Satz, Nummer oder Alternative zu benennen. Es werden zunächst die Straftatbestände und sodann die Normen des Allgemeinen Teils, jeweils in aufsteigender Reihenfolge, zitiert. Sonderstrafnormen außerhalb des StGB werden zuerst genannt (str.). Normen aus unterschiedlichen Gesetzen sollten durch einen Zeilenumbruch getrennt werden. Auch Vorschriften über Nebenfolgen, wie die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Sperre der Neuerteilung (§§ 69, 69a StGB) oder über den Strafantrag (z.B. §§ 77, 77b, 230 StGB) sowie über Konkurrenzverhältnisse (§§ 52, 53 StGB) sind ggf. aufzuführen. Bei Jugendlichen sind §§ 1, 3 JGG, bei Heranwachsenden §§ 1, 105 JGG am Ende (nach den Normen des StGB) zu zitieren. Auch Normen, die zum Verständnis des Tatbestandes erforderlich sind, weil beispielsweise die Strafnorm hierauf verweist, sind zu nennen.

27 Bei Antragsdelikten ist festzuhalten, ob erforderliche Strafanträge gestellt wurden oder ob ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung angenommen wurde.

28 Beweismittel sind zwingend aufzulisten. Diese werden mit römischen Zahlen nummeriert. Zwingend sind auch die Blattangaben am linken Rand, die sich auf die kompletten Fundstellen beziehen müssen (z.B. sämtliche Blätter mehrerer Vernehmungen eines Zeugen). Anzuführen sind sowohl belastende als auch entlastenden Beweismittel, sofern diese relevant sind. Dazu zählen auch die vom Beschuldigten ausdrücklich Benannten. Eine Unterteilung in Tatkomplexe findet grds. nicht statt.

29 An erster Stelle stehen stets die Einlassungen des Beschuldigten. Sofern dieser sich nur zur Person eingelassen hat, kann dies bereits in der Überschrift notiert werden (z.B.: „Einlassungen des Angeschuldigten (nur zur Person)“).

30 Zeugen sind mit vollständigem Namen und Wohn- oder Aufenthaltsort zu benennen. Im Übrigen wird die Anschrift nicht genannt (§ 200 I 2 StPO). Handelt es sich um Amtsträger, insbesondere Polizeibeamte, wird auch die Dienststelle genannt. Auch im Ausland lebende Zeugen kommen in Betracht. Dabei ist aber zu abzuwägen, ob der Aussagewert den Vernehmungsaufwand rechtfertigt. Auch sachverständige Zeugen sind als Zeugen und nicht als Sachverständige zu benennen. Die Zeugen werden mit arabischen Zahlen nummeriert. Die Reihenfolge soll der Vernehmungsreihenfolge im Prozess entsprechen. Die Auswahl der benannten Zeugen für die Hauptverhandlung obliegt letztlich der richterlichen Entscheidung.

31 Sachverständige sind nur zu benennen, wenn deren Anwesenheit in der Hauptverhandlung erforderlich ist. Wenn bereits ein schriftliches Gutachten erstattet wurde, kommt stattdessen die Verlesung des Gutachtens nach § 256 I Nr. 1 StPO in Betracht, das dann mit den Urkunden aufzuführen ist.

32 Als Urkunden sind diejenigen Beweismittel aufzuführen, die in der Hauptverhandlung verlesen werden sollen (§ 256 StPO). In Betracht kommen insb. Ausweisdokumente, Verträge, Gerichtsurteile oder Sachverständigengutachten. Bei einem Blutalkoholprotokoll ist immer auch der ärztliche Bericht zur Blutentnahme aufzuführen. Auch Kopien können als Urkunden aufgelistet werden. Dann empfiehlt sich der Zusatz „(in Kopie)“. Ggf. können auch schlagwortartige Angaben zum Inhalt gemacht werden.

33 Als Augenscheinsobjekte kommen Gegenstände in Betracht, die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen werden können. In Betracht kommen z.B. Lichtbilder oder Skizzen aus der Akte und aservierte Gegenstände wie Tatwerkzeuge. Diese müssen für die Hauptverhandlung auch zu Verfügung stehen.

34 Als Beiakten können Akten der Staatsanwaltschaft und der Gerichte aufgeführt werden. Als Beistücke kommen Ablichtungen aus Akten, Beweismittelbände oder beschlagnahmte Aktenordner in Betracht.

35 Das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen (§ 200 II StPO) soll dem Gericht aufzeigen, welche tatsächlichen und rechtlichen Umstände für das Verfahren relevant sind und warum aus Sicht der Anklage mit einer Verurteilung zu rechnen ist. Zudem ermöglicht es dem Angeschuldigten sich ein Bild von der Beweislage zu machen. Hierauf kann nur bei der Anklage zum Strafrichter verzichtet werden (§ 200 II 2 StPO). In Betracht kommen beispielsweise Angaben zur Vorgeschichte, zu Einzelheiten des Tathergangs, zudem Folgen für Opfer, zum Verhalten nach der Tat, zu Drogeneinfluss, zum Werdegang des Täters, zu medizinischen Untersuchungen, zur zivilrechtlicher Einordnungen, zur Würdigung der Beweismittel - insb. wenn diese sich widersprechen -, Erläuterungen zum Strafmaß oder Angaben zur Höhe von Tagessätzen, einschließlich der Einkommensverhältnisse des Beschuldigten. Bei der Formulierung besteht großer Spielraum. Üblich ist die Unterteilung in Angaben zur Person (I.) und zur Sache (II.). Üblich ist auch die abschließende Formulierung: „Der Angeschuldigte wird aufgrund der angegebenen Beweismittel (insbesondere der ...) überführt werden.

36 Die Anklage endet mit den Anträgen. Dabei ist stets zu beantragen, das Hauptverfahren zu eröffnen und die Anklage vor dem zuständigen Gericht zuzulassen (§§ 199 II, 207 I StPO). Wenn sich der beschuldigte in Untersuchungshaft befindet, ist ein Antrag auf Haftfortdauer zu stellen (§ 207 IV StPO). Sofern die Anklage vom Inhalt des Haftbefehls abweicht, beispielsweise, weil dich der Tatvorwurf seither verändert hat, ist zu beantragen „den Haftbefehl nach Maßgabe des Anklagesatzes abzuändern und Haftfortdauer anzuordnen“. Je nach Einzelfall kommen weitere Anträge in Betracht, z.B. Verteidigerbestellung (§§ 140, 141 StPO), Zuziehung eines Dolmetschers (§ 185 GVG), vorläufige Sicherstellungsmaßnahmen oder Einziehung von Drittbegünstigten und Einziehungsbeteiligten.

37 Die Anklageschrift ist namentlich zu unterzeichnen.

 

 

 

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