Grundprüfungsschema zum erfolgsqualifizierten Delikt. Hierbei begeht ein Täter vorsätzlich ein Grunddelikt und verursacht dadurch mindestens fahrlässig (siehe § 18 StGB) eine besondere Folge, an die das Gesetz eine schwerere Strafe knüpft. Es handelt sich somit um Kombinationen aus Vorsatz und Fahrlässigkeit. Beispiele sind die schwere Körperverletzung (§ 226 StGB), die Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) und der Raub mit Todesfolge (§ 251 StGB).
- Inhaltsverzeichnis
- Aufbauschema beim vollendeten Grunddelikt und dem Eintritt der schweren Folge
- Tatbestand
- Verweis auf das bereits geprüfte Grunddelikt (z.B. § 223 I StGB)
- Eintritt einer schweren Folge (z.B. Tod bei § 227 StGB)
- Kausalität
- Objektive Zurechnung
- Tatspezifischer Gefahrzusammenhang zwischen Grunddelikt (z.B. Körperverletzung, § 223 StGB) und schwerer Folge (z.B. Tod, § 227 StGB)
- Objektive Fahrlässigkeitselemente (§ 18 StGB)
- Objektive Sorgfaltspflichtverletzung
- Objektive Vorhersehbarkeit des Erfolges
- Rechtswidrigkeit
- Schuld
- Subjektive Fahrlässigkeitselemente (§ 18 StGB)
- Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung
- Subjektive Vorhersehbarkeit des Erfolges
- Allg. Schuldelemente
- Sonderfälle Versuch der Erfolgsqualifikation und erfolgsqualifizierter Versuch
- Übersicht: Unterschiede
- Erfolgsqualifizierter Versuch
- Tatbestand
- Versuch des Grunddelikts
- Tatentschluss
- Unmittelbares Ansetzen
- Schwere Folge
- Eintritt der schweren Folge
- Kausalität
- Objektive Zurechnung
- Tatspezifischer Gefahrzusammenhang
- Objektive Fahrlässigkeitselemente (obj. Vorhersehbarkeit und Sorgfaltspflichtverletzung)
- Rechtswidrigkeit
- Schuld
- Versuch der Erfolgsqualifikation
- Versuch der Erfolgsqualifikation
- Tatentschluss
- bzgl. Grundtatbestand
- bzgl. schwerer Folge
- Unmittelbares Ansetzen
- Rechtswidrigkeit
- Schuld
Im Unterschied zu Qualifikationen – bei denen der Täter Vorsatz in Bezug auf die Qualifikationsmerkmale haben muss – reicht es bei Erfolgsqualifikationen aus, wenn der Täter die schwere Folge fahrlässig verursacht.
Erfolgsqualifikationen sind i.d.R. am Wortlaut „verursacht der Täter durch die Tat…“ zu erkennen.
Beispiele für erfolgsqualifizierte Delikte: schwere Körperverletzung (§ 226 StGB); die Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB); Raub mit Todesfolge (§ 251 StGB).
Aufbauschema beim vollendeten Grunddelikt und dem Eintritt der schweren Folge
Grunddelikt und Erfolgsqualifikation sind stets getrennt zu prüfen. Eine gemeinsame Prüfung wie bei Grunddelikt und Qualifikation kommt nicht in Frage. Das Grunddelikt erfordert nämlich Vorsatz, weshalb der Tatbestand in objektiven und subjektiven Tatbestand untergliedert wird. Bei der Erfolgsqualifikation wird der subjektive Tatbestand durch eine Prüfung der objektiven und subjektiven Fahrlässigkeitselemente auf Ebene des Tatbestandes und der Schuld ersetzt (s.u.).
Tatbestand
Verweis auf das bereits geprüfte Grunddelikt (z.B. § 223 I StGB)
Eintritt einer schweren Folge (z.B. Tod bei § 227 StGB)
Kausalität
Die Verwirklichung des Grunddeliktes muss kausal (conditio sine qua non) für die schwere Folge sein.
Objektive Zurechnung
Der Täter muss durch die Verwirklichung des Grunddeliktes ein rechtlich missbilligtes Risiko geschaffen haben, das sich in der konkret eingetretenen schweren Folge realisiert hat.
Tatspezifischer Gefahrzusammenhang zwischen Grunddelikt (z.B. Körperverletzung, § 223 StGB) und schwerer Folge (z.B. Tod, § 227 StGB)
Der Täter muss die schwere Folge (z.B. „Tod“) i.d.R. „durch“ die Verwirklichung des Grunddeliktes (z.B. „Körperverletzung“) herbeiführen.
Tatbestandspezifischer Gefahrzusammenhang (teilw. auch: Gefahrverwirklichungszusammenhang oder Unmittelbarkeitszusammenhang) = Gerade die dem Grunddelikt typischerweise anhaftende spezifische Gefahr muss sich in der schweren Folge realisieren
Ist ein Gefahrzusammenhang zwischen Grunddeliktshandlung oder -erfolg und schwerer Folge erforderlich?
- e.A.: Nur zwischen Grunddeliktserfolg und schwerer Folge
- a.A.: Auch zwischen Grunddeliktshandlung und schwerer Folge
Welche Ansicht vorzugswürdig ist, kann nicht abstrakt, sondern muss anhand des jeweils in Frage stehenden Deliktes spezifisch beantwortet werden. Daher: tatspezifischer Gefahrzusammenhang (siehe zu diesem Problem etwa die Problembox des Schemas Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB)).
Objektive Fahrlässigkeitselemente (§ 18 StGB)
Objektive Sorgfaltspflichtverletzung
Objektive Sorgfaltspflichtverletzung = Außer-Acht-Lassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt
- Rspr.: Wird durch die Verwirklichung des Grunddeliktes indiziert
Objektive Vorhersehbarkeit des Erfolges
Der konkrete Erfolg sowie die wesentlichen Züge des Kausalverlaufs müssen für einen Menschen in der konkreten Lage und sozialen Rolle des Handelnden objektiv voraussehbar gewesen sein.
-
Rspr.:: Wird ebenfalls durch die Verwirklichung des Grunddeliktes indiziert
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Vorhandenes Sonderwissen muss der Täter gegen sich gelten lassen (str.; (con) dann nicht mehr objektiv)
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Nicht vorhersehbar sind regelmäßig völlig atypische Verläufe, die außerhalb jeder Lebenserfahrung liegen
Rechtswidrigkeit
Siehe für mögliche Rechtfertigungsgründe die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.
Schuld
Subjektive Fahrlässigkeitselemente (§ 18 StGB)
Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung
- Täter muss nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen in der Lage sein, die Sorgfaltspflichten zu erkennen und zu erfüllen.
- Rspr.: Auch die subjektive Sorgfaltspflichtverletzung wird durch die Verwirklichung der vorsätzlichen Körperverletzung indiziert.
Subjektive Vorhersehbarkeit des Erfolges
Vorhersehbarkeit des Erfolgs unter (einschränkender) Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse des Täters.
Allg. Schuldelemente
Schuld bezeichnet allg. die persönliche Vorwerfbarkeit der Unrechtsverwirklichung. Diese wird grundsätzlich angenommen. Siehe für Fälle, in denen sie entfällt (Schuldunfähigkeit, entschuldigende Irrtümer und Entschuldigungsgründe) die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.
Sonderfälle Versuch der Erfolgsqualifikation und erfolgsqualifizierter Versuch
Übersicht: Unterschiede
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Erfolgsqualifizierter Versuch
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Versuch der Erfolgsqualifikation
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Variante 1
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Variante 2
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Grunddelikt
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Versucht
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Versucht
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Vollendet
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Erfolgsqualifikation
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(+)
Schwere Folge wurde durch Fahrlässigkeit herbeigeführt
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(–)
Schwere Folge wurde zumindest billigend in Kauf genommen (Eventualvorsatz), aber nicht herbeigeführt
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(–)
Schwere Folge wurde zumindest billigend in Kauf genommen (Eventualvorsatz), aber nicht herbeigeführt
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Strafbarkeit
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str.; s.u.
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str.; s.u.
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ja
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Erfolgsqualifizierter Versuch
Beispiel: T will O mit einer Pistole bedrohen und ihm anschließend das Handy wegnehmen. Im Gerangel löst sich ein Schuss, der den O tödlich trifft. T ergreift ohne das Handy die Flucht.
→ Grunddelikt Raub (§ 249 I StGB) versucht; Erfolgsqualifikation Todesfolge (§ 251 StGB) fahrlässig herbeigeführt.
[0. Vorprüfung]
Ist der erfolgsqualifizierte Versuch (über das Grunddelikt hinaus) strafbar?
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e.A.: (-) Keine Strafbarkeit
(pro) Versuch erfordert nach § 22 StGB, dass der Täter zumindest Eventualvorsatz in Bezug auf den Tatbestand hat. § 22 StGB wird so gelesen, dass davon einheitlich auch die schwere Folge erfasst ein muss, die ja nur fahrlässig herbeigeführt wurde. § 11 II StGB fingiere einen nicht vorhandenen Vorsatz und verstoße daher gegen Art. 103 II GG.
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h.M.: (+/-) Differenzierend
(pro) Täter handelt zwar nur fahrlässig in Bezug auf die schwere Folge, aber § 11 II StGB besagt, dass eine solche Tat dennoch als ‚vorsätzlich‘ gilt. Daher kann der erfolgsqualifizierte Versuch grds. strafbar sein. Voraussetzung ist ferner, dass der Versuch des Grunddeliktes strafbar ist. Da zudem das Grunddelikt nicht verwirklicht wurde, liegt kein Erfolg des Grunddeliktes vor, sondern nur das unmittelbare Ansetzen der Handlung des Grunddeliktes. Daher:
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(+) Strafbarkeit, wenn tatspezifisch ein Gefahrzusammenhang zwischen (vorliegender) Grunddeliktshandlung und schwerer Folge ausreichend ist
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(-) Strafbarkeit, wenn tatspezifisch ein Gefahrzusammenhang zwischen (nicht eingetretenem) Grunddeliktserfolg und schwerer Folge erforderlich ist
Tatbestand
Versuch des Grunddelikts
Tatentschluss
Unmittelbares Ansetzen
Schwere Folge
Eintritt der schweren Folge
Kausalität
Objektive Zurechnung
Tatspezifischer Gefahrzusammenhang
Objektive Fahrlässigkeitselemente (obj. Vorhersehbarkeit und Sorgfaltspflichtverletzung)
Rechtswidrigkeit
Schuld
Versuch der Erfolgsqualifikation
Beispiel: T versucht O mit einer Axt den Arm abzuschlagen, verfehlt ihn jedoch knapp. Versuch der schweren Körperverletzung (§§ 223, 226 I Nr. 2, 22, 23 I StGB)?
[0. Vorprüfung]
Ist der Versuch der Erfolgsqualifikation (über das Grunddelikt hinaus) strafbar?
- e.A.: (–) Strafbarkeit, wenn der Versuch des Grunddeliktes nicht strafbar ist.
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h.M.: (+) Strafbarkeit, auch wenn der Versuch des Grunddeliktes nicht strafbar ist, aber der Versuch der Erfolgsqualifikation strafbar ist (insb. da Verbrechen)
(pro) Systematik: Der Versuch von Verbrechen ist strafbar (§ 23 I StGB). Gem. Umkehrschluss aus § 12 III StGB, können auch Erfolgsqualifikationen je nach Strafmaß Verbrechen sein (nur eben Strafzumessungsregeln für besonders schwere oder minder schwere Fälle nicht).
Versuch der Erfolgsqualifikation
Tatentschluss
bzgl. Grundtatbestand
bzgl. schwerer Folge
Unmittelbares Ansetzen
Rechtswidrigkeit
Schuld