StGB Strafgesetzbuch
Nichtvermögensdelikte
- 1.
- in den Fällen des Absatzes 1 Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe,
- 2.
- in den Fällen des Absatzes 2 Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
Prüfungsschema zur Urkundenfälschung (§ 267 StGB): Täter stellt eine unechte Urkunde her, verfälscht eine echte Urkunde oder gebraucht eine unechte oder verfälschte Urkunde.
Urkunde ist dabei jede verkörperte (Perpetuierungsfunktion) menschliche Gedankenerklärung, die ihren Aussteller erkennen lässt (Garantiefunktion) und zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist (Beweisfunktion).
Abs. 1 enthält drei Alternativen des Grundtatbestandes:
Abs. 2 ordnet die Versuchsstrafbarkeit an.
Abs. 3 enthält Regelbeispiele für besonders schwere Fälle (Strafzumessung).
Abs. 4 enthält einen Qualifikationstatbestand.
Urkunde = verkörperte (Perpetuierungsfunktion) menschliche Gedankenerklärung, die ihren Aussteller erkennen lässt (Garantiefunktion) und zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist (Beweisfunktion)
Um eine menschliche Gedankenerklärung handelt es sich bei Willensäußerungen von Menschen. Keine Urkunden sind demnach „technische Aufzeichnungen“ i.S.d. § 268 StGB (wie z.B. Röntgenaufnahmen).
Die Urkunde muss ihren Aussteller erkennen lassen.
Aussteller ist, wem die Urkunde geistig zugerechnet werden kann (h.M. Geistigkeitstheorie) und nicht, wer die Urkunde körperlich hergestellt hat (a.A. Körperlichkeitstheorie). Die Zurechnung kann sich aus ausdrücklichen Merkmalen (z.B. Unterschrift / Stempel) oder aus den Umständen (z.B. Bierdeckel des Wirtes) ergeben.
Die menschliche Gedankenerklärung muss in der Sache dauerhaft verkörpert sein.
Verkörpert = durch Zeichen oder Symbole stofflich fixiert und visuell wahrnehmbar
Objektive Komponente
Urkunde ist objektiv zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet. Dies ist der Fall, wenn sie für sich alleine oder in Verbindung mit anderen Umständen bei der Überzeugungsbildung mitbestimmend ins Gewicht fallen kann.
Subjektive Komponente
Urkunde ist subjektiv zum Beweis im Rechtsverkehr bestimmt. Dies kann von Anfang an der Fall sein (Absichtsurkunde) oder erst nachträglich erfolgen (Zufallsurkunde).
Echte Urkunde = Der erkennbare Aussteller ist auch der tatsächliche Aussteller der Urkunde.
Auch Urkunden mit unwahrem Inhalt (sog. ‚schriftliche Lügen‘) – wie z.B. eine Quittung über einen unzutreffend höheren Betrag – sind echte Urkunden (Arg.: Echtheitsschutz, kein Wahrheitsschutz).
Unechte Urkunde = Der erkennbare Aussteller ist nicht der tatsächliche Aussteller der Urkunde.
Bei Vertretung:
Zusammengesetzte Urkunde = Beweiszeichen, das fest mit einem Augenscheinsbeweisobjekt verbunden ist und zusammen mit diesem eine Beweiseinheit bildet
Gesamturkunde = Mehrere einzelne Urkunden sind fest zusammen verbunden, sodass ein über die einzelnen Urkunden hinausgehender Erklärungsgehalt entsteht, der Abgeschlossenheit / Vollständigkeit zum Ausdruck bringt
Bei diesen Tatobjekten stellt die Gesamtheit ein eigenes Tatobjekt dar, sodass z.B. die Entfernung einzelner Elemente nicht nur eine Urkundenunterdrückung (§ 274 I Nr. 1), sondern auch ein Verfälschen einer echten Urkunde (§ 267 I Var. 2) darstellt.
Sind Fotokopien von Urkunden taugliche Tatobjekte?
Beispiel: A fertigt eine Fotokopie des Prädikatsexamens seines Freundes B an und legt dabei über die Personenangaben einen Zettel mit seinen eigenen Daten.
Herstellen einer unechten Urkunde = Herstellen einer menschlichen Gedankenerklärung, die den Anschein erweckt, als stamme sie von einer anderen Person, als der tatsächlich ausstellenden
Herstellen = Jede zurechenbare Verursachung der Existenz
Wird durch den Gebrauch eines fremden Namens eine unechte Urkunde hergestellt?
e.A. Körperlichkeitstheorie: (+) Ja
Durch den Gebrauch eines fremden Namens wird stets eine unechte Urkunde hergestellt, da der erkennbare Aussteller nicht der körperliche Hersteller ist
h.M. Geistigkeitstheorie: (+/-) Differenzierend
Durch den Gebrauch eines fremden Namens wird keine unechte Urkunde hergestellt, wenn…
Tatsächliche Befugnis
…der Unterschreibende willens und befugt ist, den Namensträger zu vertreten, und dieser sich vertreten – und damit die Erklärung geistig zurechnen – lassen will.
z.B. der mit Prokura ausgestattete Bürokaufmann A versendet im Namen der Malermeisterin B eine Rechnung
Rechtliche Befugnis
…nicht Eigenhändigkeit rechtlich vorgeschrieben ist oder im Rechtsverkehr erwartet wird.
z.B. bei Anwälten in Fällen der §§ 172 II 2, 345 II StPO
Bloße Namenstäuschung
…kein Zweifel über die Person des Ausstellers besteht oder der wahre Name nach Interessenlage der Beteiligten bedeutungslos ist (sog. ‚Namenstäuschung‘; im Unterschied zur Identitätstäuschung, die die Urkunde unecht macht)
z.B. A checkt mit seiner Geliebten im Hotel C ein und unterschreibt nach Barzahlung mit „Max Mustermann“ (str., a.A.: nur kein Täuschungsvorsatz)
Verfälschen einer echten Urkunde = Jede nachträgliche Veränderung der menschlichen Gedankenerklärung, die den Anschein erweckt, der Aussteller hätte die Erklärung von Anfang an mit diesem Inhalt abgegeben
Beispiel: A ändert auf seinem Staatsexamenszeugnis die Note „ausreichend“ in ein „vollbefriedigend“.
Wird nicht der Inhalt verändert, sondern die Urkundsqualität insg. aufgehoben, liegt lediglich eine Urkundenunterdrückung (§ 274 I Nr. 1 StGB) vor.
Kann der ursprüngliche Aussteller eine Urkunde verfälschen?
Beispiel: A merkt nach Abgabe seiner Schwerpunktklausur, dass seine Ausführungen an einer Stelle unvertretbar sind. Er folgt der Prüfungsaufsicht und schleicht sich in das Zimmer des Prüfungsamtes, wo er die entsprechende Passage abändert.
e.A. Echtheitsschutzlehre: (-) Strafbarkeit
Arg.: Der ursprüngliche Aussteller täuscht nicht über die Urheberschaft der Urkunde, sondern nur über die nicht vom Schutzgehalt des § 267 StGB umfasste inhaltliche Richtigkeit der Urkunde.
(pro) Telos: § 267 StGB gewährleistet keinen Wahrheitsschutz, sondern nur Echtheitsschutz; Systematik: Keine Strafbarkeitslücke, da dann i.d.R. Urkundenunterdrückung (§ 274 I Nr. 1 StGB).
h.M. Bestandsschutzlehre: (+) Strafbarkeit
Arg.: Auch der ursprüngliche Aussteller kann seine eigene Urkunde verfälschen, wenn er seine Dispositionsbefugnis verloren hat, indem die Urkunde in den Rechtsverkehr gelangte.
(pro) Telos: Schutz der Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs; Systematik: Urkundenunterdrückung für diese Fälle nicht passend, da der Täter die Urkunde ja nicht unterdrücken, sondern gerade weiterhin im Rechtsverkehr behalten möchte.
Gebrauchen = Urkunde wird dem zu Täuschenden so zugänglich gemacht, dass dieser die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat
Es genügt die theoretische Möglichkeit der Kenntnisnahme; eine tatsächliche Kenntnisnahme ist nicht erforderlich.
Beispiel: A fährt mit seinem Sportwagen mit verfälschtem Nummernschild durch die Stadt, ohne dass jemand sein Nummernschild wahrnimmt.
Mind. bedingter Vorsatz / Eventualvorsatz (dolus eventualis) bezüglich der objektiven Tatbestandsmerkmale.
Absicht, im Rechtsverkehr zu täuschen (i.S.d. § 267 StGB) = Täter will einen Irrtum über die Echtheit der Urkunde erregen und den Getäuschten durch den gedanklichen Inhalt zu einem rechtserheblichen Verhalten bestimmen
Die Rechtswidrigkeit wird durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert. Siehe für eine Übersicht der möglichen Rechtfertigungsgründe die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.
Schuld bezeichnet die persönliche Vorwerfbarkeit der Unrechtsverwirklichung. Auch diese wird grundsätzlich angenommen. Siehe für Fälle, in denen sie entfällt (Schuldunfähigkeit, entschuldigende Irrtümer und Entschuldigungsgründe) die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.
Siehe Abs. 3.
Ist die Qualifikation erfüllt, empfiehlt es sich die objektiven Qualifikationsmerkmale direkt nach dem objektiven Tatbestand des Grunddeliktes und die subjektiven Qualifikationsmerkmale direkt nach dem subjektiven Tatbestand des Grunddeliktes zu prüfen.
Liegt eine Qualifikation nahe, ist diese aber letztlich nicht erfüllt, empfiehlt sich eine getrennte Prüfung.