Prüfungsschema zur Strafvereitelung (§ 258 StGB): Täter erschwert den staatlichen Zugriff auf den Täter einer fremden Vortat im Vortäterinteresse durch Vereiteln der Unterwerfung einer Maßnahme oder Bestrafung.
- Inhaltsverzeichnis
- Tatbestand
- Objektiver Tatbestand
- Objektiver Tatbestand des Abs. 1: „Verfolgungsvereitelung“
- Strafbare Haupttat eines anderen
- Tathandlung
- Vereiteln
- Ganz vereiteln (Vollvereitelung)
- Zum Teil vereiteln (Teilvereitelung)
- Vereiteln durch Unterlassen
- Unterwerfung einer Maßnahme oder Bestrafung
- Unterwerfung einer Maßnahme
- Unterwerfung einer Bestrafung
- Objektiver Tatbestand des Abs. 2: „Vollstreckungsvereitelung“
- Rechtskräftig verhängte Strafe / Maßnahme
- Vereitelung (s.o.)
- Subjektiver Tatbestand
- Vorsatz
- Wissentlichkeit bzgl. Vereitelungserfolg
- Rechtswidrigkeit
- Schuld
- Persönliche Strafausschließungsgründe
- Selbstschutz (Abs. 5)
- Angehörigenschutz (Abs. 6)
- Qualifikation: Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB)
- Deliktart
- Anschlussdelikt (setzt Vortat eines anderen voraus)
- Erfolgsdelikt
Systematik der Anschlussdelikte
Innerhalb der Anschlussdelikte (§§ 257 ff. StGB) regelt § 258 StGB die „persönliche Begünstigung“ (in Bezug auf Tatbeteiligte) im Interesse des Täters der Vortat. Siehe hierzu die Übersicht: Anschlussdelikte §§ 257 ff. StGB.
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Abs. 1 enthält den Tatbestand der Verfolgungsvereitelung mit zwei Untervarianten.
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Abs. 2 enthält den separaten Tatbestand der Vollstreckungsvereitelung.
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Abs. 3 begrenzt den maximalen Strafrahmen (Strafrahmenbestimmung) auf jenen der Vortat.
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Abs. 4 ordnet die Versuchsstrafbarkeit an.
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Abs. 5 ordnet eine Strafausschließung für Fälle an, in denen der Täter seine eigene Bestrafung vereiteln will (Selbstbegünstigung).
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Abs. 6 ordnet eine Strafausschließung für Fälle des Angehörigenschutzes an (Angehörigenprivileg).
Tatbestand
Objektiver Tatbestand
Objektiver Tatbestand des Abs. 1: „Verfolgungsvereitelung“
Strafbare Haupttat eines anderen
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Haupttat
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Bei Tathandlung der Vereitelung der Bestrafung (§ 258 I Var. 1 StGB):
Tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Haupttat und keine Strafaufhebungs- oder Strafausschließungsgründe.
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Bei der Tathandlung der Vereitelung der Unterwerfung einer Maßnahme (§ 258 I Var. 2 StGB):
Lediglich tatbestandsmäßige und rechtswidrige, aber nicht notwendigerweise schuldhaft begangene Vortat. Arg.: Maßnahmen knüpfen nicht an die Schuld des Täters, sondern an dessen Sozialgefährlichkeit an und erfordern somit keine schuldhafte Tatbegehung.
Tathandlung
Vereiteln
Vereiteln = Verhalten, welches bewirkt, dass der staatliche Strafanspruch zumindest für geraume Zeit nicht durchgesetzt werden kann
Aus teleologischen Gründen nicht umfasst sind rein berufsspezifische (z.B. Notbehandlung eines flüchtigen Täters durch einen Arzt) oder sozialadäquate (z.B. bloßes Zusammenleben des Mitbewohners mit dem flüchtigen Täter) Verhaltensweisen.
Ganz vereiteln (Vollvereitelung)
Ganz vereiteln =
- Täter wird endgültig nicht bestraft / einer Maßnahme unterworfen
- h.M.: … oder zumindest für „geraume Zeit“ nicht
- e.A.: mind. 7 Tage
- a.A.: mind. 10 Tage
- a.A.: mind. 14 Tage; (pro) Systematik: Anlehnung an prozessuale Regelung des § 229 I StPO)
Zum Teil vereiteln (Teilvereitelung)
Zum Teil vereiteln = Täter wird milder bestraft als objektiv angemessen (z.B. Vergehen statt Verbrechen)
Vereiteln durch Unterlassen
Unterwerfung einer Maßnahme oder Bestrafung
Unterwerfung einer Maßnahme
Maßnahme = jede Maßregel der Besserung und Sicherung, die Einziehung und die Unbrauchbarmachung (Legaldefinition in § 11 I Nr. 8 StGB)
Beispiele: Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB); Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB); Berufsverbot (§ 70 StGB)
Unterwerfung einer Bestrafung
Objektiver Tatbestand des Abs. 2: „Vollstreckungsvereitelung“
Rechtskräftig verhängte Strafe / Maßnahme
Vorliegen einer rechtskräftig verhängten Strafe (z.B. durch Urteil) / Maßnahme. Es ist irrelevant, ob Vortat wirklich begangen wurde (Arg.: Rechtsfriedensfunktion der Rechtskraft).
Vereitelung (s.o.)
Ist die Bezahlung einer Geldstrafe durch einen Dritten eine Vereitelung?
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h.M.: (-) Nein, keine Vereitelung
(pro) Wortlaut: Geldstrafe ist keine höchstpersönliche Strafe; Telos: Dies stört nur den Strafzweck, nicht die Vollstreckung.
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e.A.: (+) Ja, Vereitelung gegeben
(pro) Telos: Der Verurteilte spürt die Strafe nicht selbst wirtschaftlich
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Strenge Variante
Auch die vorherige Überlassung und der nachträgliche Erlass sind strafbar.
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Gemäßigte Variante
Die Überlassung und der nachträgliche Erlass sind nicht strafbar, da der Verurteilte das Strafübel zumindest vorübergehend spürt.
Subjektiver Tatbestand
Vorsatz
Mindestens bedingter Vorsatz / Eventualvorsatz (dolus eventualis) bzgl. Vortat / rechtskräftiger Verurteilung.
Wissentlichkeit bzgl. Vereitelungserfolg
Mindestens direkter Vorsatz / Wissentlichkeit (dolus directus 2. Grades) bzgl. Vereitelungserfolg.
Rechtswidrigkeit
Die Rechtswidrigkeit wird durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert. Siehe für eine Übersicht der möglichen Rechtfertigungsgründe die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.
Schuld
Schuld bezeichnet die persönliche Vorwerfbarkeit der Unrechtsverwirklichung. Auch diese wird grundsätzlich angenommen. Siehe für Fälle, in denen sie entfällt (Schuldunfähigkeit, entschuldigende Irrtümer und Entschuldigungsgründe) die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.
Persönliche Strafausschließungsgründe
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Strafausschließungsgründe liegen bereits zur Tatzeit vor, Strafaufhebungsgründe treten nachträglich ein.
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Im Unterschied zum Ausschluss des Tatbestandes ist der Täter bei Vorliegen eines Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgrundes zwar ebenfalls straffrei, es liegt jedoch weiterhin eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige Haupttat vor, an der eine Teilnahme möglich ist.
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Sie gelten beide nur für die Täter, bei denen sie persönlich vorliegen (§ 28 II StGB).
Selbstschutz (Abs. 5)
Abs. 5 ordnet eine Strafausschließung für Fälle an, in denen der Täter seine eigene Bestrafung vereiteln will (Selbstbegünstigung).
Abgrenzung zwischen (strafloser) Beihilfe und (strafbarer) täterschaftlicher Strafvereitelung
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e.A.: Abgrenzung anhand der allg. Kriterien für Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme (h.L.: Tatherrschaft)
(pro) Systematik: Dogmatisch einheitlich zur sonstigen Abgrenzung
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a.A.: Bloßes Bestärken ist Teilnahme; eigene Vereitelungshandlung ist Täterschaft
(pro) Rechtspolitisch sinnvoll
(con) Systematik: Dogmatischer Bruch (wenn hier nicht die allg. Abgrenzungskriterien verwendet werden); zu unbestimmt (Bestimmtheitsgebot, Art. 103 II GG)
Angehörigenschutz (Abs. 6)
Abs. 6 ordnet eine Strafausschließung für Fälle des Angehörigenschutzes an (Angehörigenprivileg).
Qualifikation: Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB)
- Die Amtsträgereigenschaft wirkt hier nicht strafbegründend, sondern strafschärfend. Daher ist § 28 II StGB bzgl. Amtsträgereigenschaft anwendbar. § 258a StGB ist somit unechtes Sonderdelikt.
- Beachte: Eingrenzung des Tatbestandes für Strafverteidiger nach Grenzen der StPO