Prüfungsschema zur Brandstiftung (§ 306 I StGB): Täter setzt bestimmte fremde Tatobjekte in Brand oder zerstört diese durch Brandlegung.
Nach h.M. ist die Brandstiftung Qualifikation zur Sachbeschädigung (§ 303 StGB).
- Inhaltsverzeichnis
- Tatbestand
- Objektiver Tatbestand
- Tatobjekt
- Fremdheit
- Katalogobjekt (Abs. 1 Nr. 1-6)
- Nr. 1: Gebäude und Hütten
- Nr. 2: Betriebsstätten und technischen Einrichtungen
- Nr. 3: Warenlager oder Warenvorräte
- Nr. 4: Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge
- Nr. 5: Wälder, Heiden oder Moore
- Nr. 6: Land-, ernährungs-, forstwirtschaftliche Anlagen oder Erzeugnisse
- Tathandlung
- Inbrandsetzen
- Ganze / teilweise Zerstörung durch Brandlegung
- Kausalität und objektive Zurechnung
- Subjektiver Tatbestand
- Rechtswidrigkeit
- Schuld
- Strafzumessung
- Minder schwerer Fall (§ 306 II StGB)
- Tätige Reue (§ 306e StGB)
- Qualifikationen
- Deliktart
- Rechtsgut:
Eigentum (h.M.)
§ 306 I StGB ist nach h.M. Qualifikation zu § 303 StGB, da es das einzige Brandstiftungsdelikt ist, das (wie § 303 StGB) Fremdheit erfordert.
Aufgrund der Komplexität des Deliktes sollten beide Delikte jedoch getrennt geprüft werden.
Tatbestand
Objektiver Tatbestand
Tatobjekt
Fremdheit
Fremd = Nicht im Alleineigentum des Täters (Sache gehört zumindest auch einem anderen) und nicht herrenlos (vgl. § 959 BGB).
Katalogobjekt (Abs. 1 Nr. 1-6)
Die tauglichen Tatobjekte sind in Abs. 1 Nr. 1-6 abschließend aufgelistet. Wegen der hohen Strafandrohung (bis zu 10 Jahre) verlangt die h.M. bei allen Nrn. eine restriktive Auslegung der Tatbestandsmerkmale (teleologische Reduktion):
- Bedeutender Wert: > 1.000€, oder
- Gemeingefährlichkeit im Falle eines Brandes
z.B. Gefahr, dass ein in Brand gesetztes Tatobjekt ein weiteres Tatobjekt gefährden könnte
Nr. 1: Gebäude und Hütten
Gebäude = Jedes von Dach und Wänden begrenztes Raumgebilde, das (zumindest auch) zum Betreten durch Menschen (und nicht für den Schutz von Tieren oder Sachen wie bei § 303 StGB - restriktive Auslegung) bestimmt und fest mit dem Boden verbunden ist (auch: türen- und fensterlose Rohbauten, Geräteschuppen).
Hütte = Unbewegliches Bauwerk, das mangels Größe, Festigkeit und Dauerhaftigkeit nicht als Gebäude gilt (z.B. Bau-/Marktbude, zum Aufenthaltsraum umgebauter Bauwagen (str.))
Nr. 2: Betriebsstätten und technischen Einrichtungen
Betriebsstätten = Sachgesamtheit von baulichen Anlagen und Inventar, das zur Fertigung und Produktion in einem gewerblichen Betrieb dient
Technische Einrichtung = Sachgesamtheit von beweglichen oder unbeweglichen Sachen, die in einem gewerblichen Betrieb zur Fertigung und Produktion eingesetzt wird
Nr. 3: Warenlager oder Warenvorräte
Warenlager = Lagerstätten von beweglichen Sachen, die zum gewerblichen Umsatz bestimmt sind
Warenvorräte = Gesamtheit, der in einem Warenlager eingelagerten beweglichen Sachen, die zum gewerblichen Umsatz bestimmt sind
Nr. 4: Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge
Kraftfahrzeuge = Zur Fortbewegung dienende Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden und nicht an Bahngleise gebunden sind (Legaldefinition in § 248b IV StGB)
Schienenfahrzeuge = Auf Schienen geführte Landfahrzeuge
Luftfahrzeuge = Zur Fortbewegung dienende Fahrzeuge, die in der Luft frei beweglich sind
Wasserfahrzeuge = Zur Fortbewegung auf dem Wasser dienende Fahrzeuge (nicht: Paddelboote mitten im See – restriktive Auslegung mangels Gemeingefährlichkeit, s.o.)
Nr. 5: Wälder, Heiden oder Moore
Wälder = Zusammenhängende, mit Bäumen bedeckte Bodenflächen, inklusive des Unterholzes und des übrigen Pflanzenwuchses
Heide = Offene Landschaft mit typischerweise Zwergsträuchern als Vegetation
Moor = Dauerhaftes Feuchtgebiet mit Torfboden und charakteristischer Vegetation
Nr. 6: Land-, ernährungs-, forstwirtschaftliche Anlagen oder Erzeugnisse
Erzeugnisse = Sachen, deren unmittelbarer Produktionsprozess beendet ist, ohne dass sie weiterverarbeitet sind.
- Landwirtschaftliche Erzeugnisse = Sich aus dem planmäßigen Betreiben von Ackerbau und Viehzucht ergebende pflanzliche und tierische Erzeugnisse
- Ernährungswirtschaftliche Erzeugnisse = Landwirtschaftliche Erzeugnisse, die einen gewissen Bearbeitungsgrad erfahren haben (z.B. unbearbeitete Milch)
- Forstwirtschaftliche Erzeugnisse = Sich aus der planmäßigen Nutzung von Waldflächen ergebend (z.B. ganze Baumstämme)
Anlagen = Feste, auf Dauer installierte Einrichtungen, die der Erzeugung und Verarbeitung von Produkten der genannten Wirtschaftszweige dienen.
- Landwirtschaftliche Anlagen = Insb. bestellte Felder sowie andere landwirtschaftliche Produktionsstätten (z.B. Gewächshäuser, Strohlager)
- Ernährungswirtschaftliche Anlagen = Insb. der Tierproduktion dienende Stätten (z.B. Koppeln, Ställe)
- Forstwirtschaftliche Anlagen = Insb. Holzlagerstätten, Aufforstungsflächen
Tathandlung
§ 306 I StGB ist Erfolgsdelikt. Die Tathandlung muss daher jeweils kausal und objektiv zurechenbar zu einer Beeinträchtigung des Tatobjekts geführt haben.
Inbrandsetzen
Inbrandsetzen = Ein wesentlicher Teil des Tatobjekts wird derart vom Feuer ergriffen, dass er auch nach Entfernen oder Erlöschen des Zündstoffs selbstständig weiterbrennen kann.
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Wesentlicher Teil = Teil, der nicht jederzeit entfernt werden kann, ohne dass das Objekt in seiner bestimmungsgemäßen Funktion beeinträchtigt würde (z.B. tragende Wände eines Gebäudes, Treppen; nicht: Möbel, Gardinen)
Wann ist das Inbrandsetzen im strafrechtlichen Sinne vollendet?
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Rspr: Vollendung bereits, wenn sich der Brand auf wesentliche Teile ausbreiten kann.
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a.A.: Vollendung erst, wenn sich der Brand tatsächlich auf wesentliche Teile ausgebreitet hat.
(pro) Systematik: Für andere Fälle Versuchsstrafbarkeit (§ 23 I StGB) ausreichend
Ist ein im strafrechtlichen Sinne ein Inbrandsetzen bereits brennender Gebäude möglich?
Option 1: Inbrandsetzen an noch nicht brennender Stelle
- h.M.: (+) Erneutes ‚Inbrandsetzen‘ → eigene Täterschaft
(pro) Hat eigenständigen erheblichen Unwertgehalt; erschwert Rettung / Flucht
- a.A.: (-) Kein eigenständiges Inbrandsetzen → ggf. (sukzessive) Beihilfe
Option 2: Verstärken / Intensivieren des Brandes an bereits brennender Stelle
- h.M.: (-) Kein eigenständiges ‚Inbrandsetzen‘ → ggf. (sukzessive) Beihilfe
(pro) Hat keinen eigenständigen erheblichen Unwertgehalt; erschwert Rettung / Flucht i.d.R. nicht zusätzlich; i.d.R. keine Tatherrschaft (kein ‚in den Händen halten‘)
- a.A.: (+) Erneutes ‚Inbrandsetzen‘ → eigene Täterschaft
Ganze / teilweise Zerstörung durch Brandlegung
Wesentlicher Teil: s.o.
Brandlegung = Jede auf das Verursachen eines Brandes gerichtete Handlung
- Kein „Feuer“ notwendig
- Zum Brand muss es nicht kommen, es genügt, wenn die zerstörende Wirkung des Brandmittels eintritt; z.B. Brandbeschleuniger explodiert; Schwelbrände; Verrußung; Rauch; umfasst sind auch objektiv zurechenbare Folgeschäden wie insb. Löschschäden
Ganzes oder teilweises Zerstören = Vernichtung der Existenz oder wesentliche Beschädigung selbstständiger, für die Gesamtfunktion wesentlicher Teile, sodass die bestimmungsgemäße Brauchbarkeit völlig oder zumindest für einzelne Aufgaben ausgeschlossen ist
- Rspr.: Teilweises Zerstören muss ‚von Gewicht‘ sein (restriktive Auslegung, s.o.)
z.B. tage-/wochenlange Unbewohnbarkeit einer Unterwohnung
Kausalität und objektive Zurechnung
Subjektiver Tatbestand
Mindestens Eventualvorsatz (dolus eventualis)
Bei rein fahrlässiger Herbeiführung ist § 306d I StGB als eigenständiges Fahrlässigkeitsdelikt i.V.m. § 306 I StGB zu prüfen.
Rechtswidrigkeit
Die Rechtswidrigkeit wird durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert. Siehe für eine Übersicht der möglichen Rechtfertigungsgründe die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.
Beachte vorliegend:
Schuld
Schuld bezeichnet die persönliche Vorwerfbarkeit der Unrechtsverwirklichung. Auch diese wird grundsätzlich angenommen. Siehe für Fälle, in denen sie entfällt (Schuldunfähigkeit, entschuldigende Irrtümer und Entschuldigungsgründe) die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.
Strafzumessung
Minder schwerer Fall (§ 306 II StGB)
Tätige Reue (§ 306e StGB)
- Täter löscht Brand (auch mit Hilfe Dritter) freiwillig selbst oder bemüht sich freiwillig und ernsthaft darum…
- vor Eintritt eines erheblichen Schadens, d.h.
- bei Sachwerten: Mindestens 2.500€ zur Schadensbereinigung (str.)
- bei Personenschäden: Körperverletzung mit erheblicher Verletzungsgefahr
Qualifikationen
Siehe auch die Übersicht: Brandstiftungsdelikte (§§ 306 ff. StGB).