Prüfungsschema zur fahrlässigen Tötung (§ 222 StGB): Täter verursacht durch Fahrlässigkeit, den Tod eines anderen Menschen. Fahrlässigkeit erfordert jeweils eine subjektive und objektive Sorgfaltspflichtverletzung sowie Vorhersehbarkeit der Tatfolge.
Bei vorsätzlicher Tötung kommen dagegen §§ 211, 212, 216 StGB in Betracht.
Beruht die Tötung auf einer vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 StGB) ist vorrangig die Erfolgsqualifikation der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) zu prüfen.
Siehe auch die Übersicht: Prüfungsreihenfolge bei Tötungsdelikten (§ 211 ff. StGB)
Tun oder Unterlassen (bei Garantenstellung, § 13 StGB)
Tod eines Menschen.
Eine Handlung ist kausal für den Erfolg, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele (conditio sine qua non).
Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg dann, wenn der Täter eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat (Gefahrschaffung), die sich im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert hat (Risikozusammenhang).
Grds. können alle Probleme der objektiven Zurechnung relevant werden (siehe hierfür das Grundschema: Vollendetes vorsätzliches Begehungsdelikt). Besonders häufig problematisch sind:
Es wird bereit keine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen, da es sich um ein sozialadäquates / erlaubtes Risiko handelt.
Beispiel: A rät dem B auch mal den Klettersteig an seinem Lieblingsberg auszuprobieren. B tut dies und verunglückt dabei tödlich.
Im Erfolg hat sich nicht das vom Schutzzweck der Norm missbilligte Risiko verwirklicht
Beispiel: A achtet in einer 30er Zone in Ort 1 nicht auf seine Geschwindigkeit und fährt 50km/h, sodass er früher in Ort 2 ist und dort das auf die Straße rennende Kind B überfährt (Unfallschutz in Ort 2 nicht Schutzzweck der Geschwindigkeitsbegrenzung in Ort 1)
Beispiel: A fährt mit dem LKW an Radfahrer B vorbei und hält dabei nur 0,75m statt den vorgeschriebenen 1,5m Abstand ein. B wird dabei überrollt. Der zu geringe Abstand hat die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls zwar erhöht, dieser wäre jedoch auch bei ordnungsgemäßem Abstand eingetreten.
Die freiverantwortliche Selbstgefährdung (Tatherrschaft liegt beim Opfer) oder -verletzung eines Opfers durch sich selbst ist grds. straffrei. Die Beihilfe (§ 27 StGB) hierzu mangels vorsätzlicher und rechtswidriger Haupttat auch. Diese Wertung gilt auch für die fahrlässige Tötung.
Beispiel: A nimmt seit Jahren Heroin und ist sich dessen Wirkung und Gefährlichkeit voll bewusst. B besorgt ihm eine Ladung. A verabreicht sich eine Überdosis und stirbt.
→ (+) Freiverantwortliche Selbstgefährdung
Fahrlässige Tötung durch Unterlassen bei freiverantwortlicher Selbstgefährdung
Beispiel: Wie oben. Zudem: B erkennt die Risiken für A und unterlässt es Rettungsmaßnahmen einzuleiten.
Ein abweichendes Ergebnis ergibt sich, wenn die Handlung nicht freiverantwortlich ist, etwa weil der Helfende ein überlegenes Wissen / das Opfer bewusst täuscht.
Beispiel: A nimmt seit Jahren Kokain und ist sich dessen Wirkung und Gefährlichkeit voll bewusst. B besorgt ihm eine Ladung, streckt diese jedoch heimlich mit Heroin, um ihn abhängiger zu machen. A verabreicht sich seine gewohnte Dosis und stirbt aufgrund des Heroinanteils.
→ (–) Keine freiverantwortliche Selbstgefährdung
Beispiel: A will bei stürmischem Wetter von B mit dessen Fähre über die Memel (Fluss) transportiert werden. B lehnt dies zunächst mit Verweis auf die Gefahren ab. A besteht weiterhin darauf und sagt er wolle das Risiko eingehen. Bei der Überquerung kentert die Fähre und A stirbt.
Die einverständliche Fremdgefährdung (Tatherrschaft liegt beim Täter) ist dogmatisch umstritten.
Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt.
Erfolgseintritt und Kausalverlauf müssen objektiv zumindest in groben Zügen vorhersehbar sein.
Die Rechtswidrigkeit wird durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert. Siehe für eine Übersicht der möglichen Rechtfertigungsgründe die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.
Vorhersehbarkeit des Erfolgs unter (einschränkender) Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse des Täters.
Schuld bezeichnet die persönliche Vorwerfbarkeit der Unrechtsverwirklichung. Auch diese wird grundsätzlich angenommen. Siehe für Fälle, in denen sie entfällt (Schuldunfähigkeit, entschuldigende Irrtümer und Entschuldigungsgründe) die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.