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Rücktritt vom Versuch (§ 24 StGB)

StrafrechtStrafrecht AT

Prüfungsschema zu den Formen des Rücktritts gem. § 24 StGB, wonach ein Täter straflos bleibt, wenn er, nachdem er bereits unmittelbar zu Tat angesetzt hat (§ 22 StGB), vom Versuch freiwillig zurücktritt.

Welche Anforderungen an den Rücktritt zu stellen sind, hängt insb. davon ab, ob es sich um einen Alleintäter (Abs. 1) oder mehrere Beteiligte (Abs. 2) handelt.

 

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Rücktritt des Alleintäters (Abs. 1)
  3. Rücktritt vom unbeendeten Versuch durch Aufgabe der weiteren Ausführung (§ 24 I 1 Alt. 1 StGB)
  4. Kein fehlgeschlagener Versuch
  5. Unbeendeter Versuch
  6. Aufgabe der weiteren Ausführung
  7. Objektives Element
  8. Subjektives Element
  9. Freiwilligkeit
  10. Rücktritt vom beendeten Versuch
  11. Rücktritt vom beendeten Versuch durch Verhinderung der Vollendung (§ 24 I 1 Alt. 2 StGB)
  12. Kein fehlgeschlagener Versuch
  13. Beendeter Versuch
  14. Verhinderung
  15. Objektives Element
  16. Subjektives Element
  17. Freiwilligkeit
  18. (Versuchter) Rücktritt vom beendeten Versuch durch Bemühen um Erfolgsverhinderung (§ 24 I 2 StGB)
  19. Kein fehlgeschlagener Versuch
  20. Beendeter Versuch
  21. Nichtvollendung ohne Zutun
  22. Ernsthaftes Bemühen um Erfolgsverhinderung
  23. Freiwilligkeit
  24. Rücktritt bei mehreren Beteiligten (Abs. 2)
  25. Kein fehlgeschlagener Versuch
  26. Beteiligung mehrerer
  27. Rücktrittshandlung
  28. Objektives Element
  29. Grds. nicht bloß Aufgabe der weiteren Ausführung
  30. Ausnahme 1: Einvernehmliche Aufgabe der Beteiligten
  31. Ausnahme 2: Aufgabe durch Zentralfigur des Geschehens
  32. Verhindern der Vollendung der gesamten Tat (§ 24 II 1 StGB)
  33. Ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern (§ 24 II 2 StGB)
  34. Subjektives Element

 

Nach h.M. handelt es sich beim Rücktritt vom Versuch um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund, der Rechtswidrigkeit und Schuld nicht entfallen lässt (a.A. lässt Schuld entfallen). Er wird nach h.M. nach der Schuld geprüft.

Im Unterschied zum Ausschluss des Tatbestandes ist der Täter bei Vorliegen eines persönlichen Strafausschließungsgrundes zwar ebenfalls straffrei, es liegt jedoch weiterhin eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige Haupttat vor, an der eine Teilnahme möglich ist.

 

Telos der Strafbefreiung:

  • Kriminalpolitische Theorie
    Motivationswirkung / Opferschutz (‚goldene Brücke‘ für den Täter zurück in Straffreiheit)
  • Strafzwecktheorie
    Geringere Gefährlichkeit und Strafwürdigkeit des Täters
  • Verdienstlichkeits- / Gnadentheorie
    Ausgleich des Unwertes durch „honorierfähige Umkehrleistung“

 

 

Rücktritt des Alleintäters (Abs. 1)

 

Rücktritt vom unbeendeten Versuch durch Aufgabe der weiteren Ausführung (§ 24 I 1 Alt. 1 StGB)

 

Kein fehlgeschlagener Versuch

  • h.M.: ‚Fehlschlag‘ ist eigener Prüfungspunkt, der zum Ausschluss der Rücktrittsfähigkeit führt
    Arg.: Dann Aufgabe / Verhinderung nicht erforderlich → zu Beginn des Rücktritts zu prüfen

  • a.A.: Merkmal in § 24 StGB nicht vorausgesetzt; keine eigenständige Rechtsfigur, sondern schließt Möglichkeit der Aufgabe der weiteren Ausführung oder der Freiwilligkeit (s.u.) aus

 

Fehlschlag = Täter kann nach seiner Vorstellung den Taterfolg mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht oder nicht ohne zeitliche Zäsur herbeiführen.

 

Auf welchen Zeitpunkt der Vorstellung ist in Bezug auf das Fehlschlagen abzustellen?

Wenn bereits mehrere Einzelakte zur Verwirklichung realisiert wurden, ist fraglich, ob T noch vom Gesamtgeschehen oder nur vom letzten Einzelakt zurücktreten kann (Bsp: Täter schießt mehrmals daneben; Täter schießt erst daneben, versucht dann zu erwürgen)

  • e.A. Einzelakttheorie
    Bezugspunkt ist die Tätervorstellung nach jedem Einzelakt, der den Erfolg herbeigeführt haben könnte.
    Jeder Einzelakt kann fehlschlagen.
    (pro) Geschehen bereits aus der Hand gegeben; sonst Zufallsgeschenk; bereits soziale Störung; spezial- und generalpräventives Strafbedürfnis der Einzelakte
    (con) Geringer Opferschutz → keine ‚Goldene Brücke‘ für den Täter zurück in Straffreiheit; Auseinanderreißen einheitlicher Lebensvorgänge

  • Rspr. Gesamtbetrachtungslehre / Lehre vom Rücktrittshorizont
    Bezugspunkt ist die Tätervorstellung in einer Gesamtbetrachtung nach der letzten Ausführungshandlung mehrerer unmittelbar im Zusammenhang stehender Einzelakte.
    (pro) Effektiver Opferschutz → lange Rücktrittsmöglichkeit des Täters

 

Fehlschlag bei Erreichen eines außertatbestandlichen Ziels (‚Denkzettelfälle‘) 

Täter hat es primär auf ein außertatbestandliches Ziel abgesehen (z.B. jemandem einen Denkzettel zu verpassen), der tatbestandliche Erfolg (z.B. Tötung) ist dabei vom Eventualvorsatz erfasst. Nach Erreichen des außertatbestandlichen Erfolges (z.B. leichte Schnittwunde durch einmaligen Messerstich) wird weitere Ausführung aufgegeben.

  • e.A. Einzelakttheorie
    Mit einmaligem Messerstich, der nicht tödlich war, ist die Tötung fehlgeschlagen, daher kein Rücktritt möglich.
  • Rspr. Gesamtbetrachtungslehre / Lehre vom Rücktrittshorizont
    Tötung in Gesamtbetrachtung weiterhin möglich und daher nicht fehlgeschlagen, sodass Rücktritt möglich. Versuch auch nicht beendet (s.u.), da Erreichen des Denkzettels nur ein Zwischenziel war.

 

Unbeendeter Versuch

Unbeendet = Täter hat nach seiner Vorstellung noch nicht alles getan, was zur Vollendung des Tatbestandes erforderlich ist.

Ist der Versuch beendet, ist ein Rücktritt noch möglich, allerdings nur unter den strengeren Voraussetzungen des § 24 I 1 Alt. 2 (dazu unten).

 

Auf welchen Zeitpunkt der Vorstellung ist in Bezug auf die Beendigung abzustellen?

parallel zu oben

  • e.A. Tatplantheorie
  • a.A. Einzelakttheorie
  • Rspr. Gesamtbetrachtungslehre / Lehre vom Rücktrittshorizont

 

Aufgabe der weiteren Ausführung

Aufgabe der weiteren Ausführung = Aufgrund eines Gegenentschlusses (subj. Element) Abstand nehmen von der weiteren Tatbestandsverwirklichung (obj. Element)

Objektives Element

Der Täter muss objektiv die weitere Tatausführung aufgeben.

Ist ein Teilrücktritt von der Qualifikation möglich?

Beispiel: A macht sich mit einer Pistole auf den Weg zu B, um ihn auszurauben. Er wirft aber nach Versuchsbeginn (§§ 250 I Nr. 1a Alt. 1, 22, 23 I) die Pistole weg und vollendet den Raub unbewaffnet.

  • e.A.: (-) Nein 
    (pro) Systematik: Aufgabe der „Tat“ i.S.d. § 24 StGB erfordert Aufgabe von Grunddelikt und Qualifikation

  • h.M.: (+) Ja 
    (pro) Telos: Unrechtsreduktion; Opferschutz

 

Subjektives Element

Der Täter muss einen Gegenentschluss zur Tatbestandsverwirklichung gefasst haben.

Wie lange muss der Täter die weitere ausführung aufgeben?

Fraglich ist, ob der Täter die weitere Tatausführung endgültig aufgeben muss oder ob auch kurzzeitige Unterbrechungen reichen.

  • a.A.: Täter muss seinen gesamten Tatplan endgültig aufgeben
    (con) Telos: Opferschutz bereits, wenn konkrete Handlung aufgegeben wird

  • e.A.: Täter muss (nur) die konkrete Handlung aufgeben
    (con) Telos: Keine Strafbefreiung angezeigt, wenn Täter z.B. Schlag mit Hammer aufgibt und zu Messer wechselt

  • h.M.: Täter muss all diejenigen Handlungen aufgeben, die mit der begonnenen einen tateinheitlichen Lebensvorgang bilden würden

 

Freiwilligkeit

  • Der Täter muss subjektiv freiwillig zurücktreten
  • Zeitpunkt nach der letzten abgeschlossenen Ausführungshandlung entscheidend

  • Kein ethisch hochwertiges Motiv nötig (z.B. auch: Aufgabe einer Mordhandlung, um andere Person zu töten)

Wann handelt der Täter freiwillig?

  • h.M. Lehre von den autonomen Motiven
    Täter handelt freiwillig, wenn er aus autonomen (nicht aus heteronomen / fremdbestimmten) Gründen heraus handelt.

  • a.A. Lehre von der Verbrechervernunft
    Täter handelt freiwillig, wenn er entgegen der Verbrechervernunft handelt.

  • a.A. Frank’sche Formel
    Täter handelt freiwillig, wenn er sich sagt: „Ich will nicht, selbst wenn ich könnte“ und unfreiwillig, wenn er sich sagt: „Ich kann nicht, selbst wenn ich wollte“.

 

 

Rücktritt vom beendeten Versuch

 

Rücktritt vom beendeten Versuch durch Verhinderung der Vollendung (§ 24 I 1 Alt. 2 StGB)

Kein fehlgeschlagener Versuch

Der Versuch darf nicht fehlgeschlagen sein (s.o.).

 

Beendeter Versuch

Der Versuch muss beendet sein.

Beendet = Täter hat nach seiner Vorstellung alles getan, was zur Vollendung des Tatbestandes erforderlich ist.

 

Verhinderung

Der Täter muss die Vollendung selbst verhindern.

Verhinderung = Bewusstes und gewolltes (subj. Element) Ingangsetzen einer neuen Kausalreihe, die für das Ausbleiben der Vollendung wenigstens mitursächlich wird (obj. Element)

Objektives Element

Ingangsetzen einer neuen Kausalreihe, durch aktives Tun / ‚Gegenaktivitäten‘; h.M.: Kein ‚antizipierter Rücktritt‘ (z.B. T bestellt Notarzt vor Duell) möglich

  • h.M.: Tun muss zumindest mitursächlich (äquivalent kausal) für die Nichtvollendung sein
  • a.A.: Tun muss mitursächlich für die Nichtvollendung sein und Täter muss zusätzlich alle aus seiner Sicht vorhandenen Möglichkeiten zur Erfolgsabwendung ausgeschöpft haben (subj. ‚Bestleistungsprinzip‘)
Subjektives Element
  • h.M.: Verhinderungsvorsatz
  • a.A.: Verhinderungsabsicht (dolus directus 1. Grades)

 

Freiwilligkeit

Der Täter muss die Vollendung freiwillig verhindert haben (s.o.).

 

 

(Versuchter) Rücktritt vom beendeten Versuch durch Bemühen um Erfolgsverhinderung (§ 24 I 2 StGB)

Kein fehlgeschlagener Versuch

Der Versuch darf nicht fehlgeschlagen sein (s.o.).

 

Beendeter Versuch

Der Versuch muss aus Sicht des Täters beendet sein (s.o.).

 

Nichtvollendung ohne Zutun

Der Versuch muss objektiv ohne Zutun des Täters nicht zur Vollendung gekommen sein:

  • Untauglicher Versuch
  • Vom Täter noch nicht erkannter Fehlschlag
  • Rettendes Eingreifen Dritter
  • Fehlende objektive Zurechnung des Erfolgs zum Täter
    z.B. völlig atypische Weiterentwicklung des Geschehens

 

Ernsthaftes Bemühen um Erfolgsverhinderung

Da der Täter objektiv nichts zur Nichtvollendung beiträgt, sind besonders hohe Anforderungen an das subjektive Element zu stellen:

Ernsthaftes Bemühen um Erfolgsverhinderung = Täter schöpft alle aus seiner Sicht besten, erkannten Möglichkeiten zur Abwendung des drohenden Erfolges aus (subj. ‚Bestleistungsprinzip‘)

 

Freiwilligkeit

Der Täter muss sich freiwillig bemüht haben (s.o.).

 

 

Rücktritt bei mehreren Beteiligten (Abs. 2)

Kein fehlgeschlagener Versuch

Der Versuch darf nicht fehlgeschlagen sein (s.o.).

 

Beteiligung mehrerer

An der Tat hat zumindest ein Beteiligter (Mittäter, Anstifter oder Gehilfe) mitgewirkt.

 

Rücktrittshandlung

Objektives Element

Es muss eins der nacholgenden objektiven Rücktrittselemente vorliegen:

Grds. nicht bloß Aufgabe der weiteren Ausführung

Aufgrund der besonderen Gefährlichkeit und Unkontrollierbarkeit bei der Begehung mittels mehrerer Beteiligter reicht die bloße Aufgabe der Tat (im Unterschied zu § 24 I 1 Alt. 1 StGB) dem Wortlaut des § 24 II StGB nach grds. nicht aus. Einmal gesetzte Tatbeiträge eines Beteiligten wirken über andere Beteiligte gefährlich fort.

Die h.M. erkennt hiervon über den Wortlaut hinaus in teleologischer Auslegung zwei Ausnahmen an:

Ausnahme 1: Einvernehmliche Aufgabe der Beteiligten

Mehrere Beteiligte geben einvernehmlich einen aus subjektiver Sicht (Rücktrittshorizont) unbeendeten Versuch auf.
(pro) Dann wirkt die Gefährlichkeit über verstreute Beteiligte nicht mehr fort.

Ausnahme 2: Aufgabe durch Zentralfigur des Geschehens

Einer der Beteiligten ist so sehr Zentralfigur des Geschehens, dass seine bloße Aufgabe die Vollendung sicher verhindert und dieser gibt einen aus subjektiver Sicht unbeendeten Versuch auf.
(pro) Ohne die Zentralfigur geht von den anderen Beteiligten keine besondere Gefahr aus

 

Verhindern der Vollendung der gesamten Tat (§ 24 II 1 StGB)

Ausweislich § 24 II 1 StGB kann der Täter auch durch die Verhinderung der Vollendung der gesamten Tat (inkl. der Tatbeiträge anderer Beteiligter) zurücktreten (vgl. o.).

 

Ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern (§ 24 II 2 StGB)

Beim aussichtslosen Versuch (§ 25 II 2 Alt. 1 StGB) sowie bei der teilnehmerunabhängigen Tatvollendung (§ 25 II 2 Alt. 2 StGB) kann der Täter auch durch ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, zurücktreten (vgl. o.).

 

Subjektives Element

Die Rücktrittshandlung des Täters muss jeweils freiwillig erfolgen (s.o.).

 

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