Prüfungsschema zur schweren Brandstiftung (§ 306a II StGB): Bestraft wird, wer bestimmte Tatobjekte in Brand setzt oder durch Brandlegung zerstört und dabei einen anderen Menschen in die konkrete Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt.
Siehe auch die Übersicht: Brandstiftungsdelikte (§§ 306 ff. StGB)
Ein in § 306 I Nr. 1-6 genanntes Objekt → siehe Schema Brandstiftung (§ 306 I StGB).
Das Tatobjekt braucht nach h.M. nicht fremd zu sein.
(pro) Systematik: § 306a II StGB verweist nur auf „eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache“ und nicht etwa auf eine „Brandstiftung nach § 306“ – wie etwa § 306b I StGB dies tut.
→ siehe Schema Brandstiftung (§ 306 I StGB)
→ siehe Schema Brandstiftung (§ 306 I StGB)
Gesundheitsschädigung = Hervorrufen / Steigern eines pathologischen Zustandes (entspricht § 223 I Alt. 2 StGB).
Konkrete Gefahr = Eintritt / Nichteintritt des schädigenden Ereignisses hängt lediglich vom Zufall ab
Kann auch ein Tatbeteiligter „anderer Mensch“ und somit taugliches Tatobjekt i.S.d. § 306a II StGB sein?
e.A.: (+) Ja, Beteiligte sind ebenfalls taugliches Tatobjekt
(pro) Wortlaut: Umfasst jeden beliebigen anderen
a.A.: (-) Nein, Beteiligte sind kein taugliches Tatobjekt
(pro) Telos: Geringe Schutzwürdigkeit, da sie sich selbst auf die Seite des Unrechts stellen; Systematik: Keine objektive Zurechnung aufgrund eigenverantwortlicher Selbstgefährdung des Beteiligten
Die Tathandlung darf nicht hinweggedacht werden können, ohne dass die Gefahr der Gesundheitsschädigung in ihrer konkreten Gestalt entfiele (sine-qua-non-Formel).
Wie auch bei Erfolgsqualifikationen ist nach h.M. auch hier ein tatspezifischer Gefahrzusammenhang erforderlich (Arg.: Wortlaut „dadurch“). Bei § 306a II muss gerade die einer Brandstiftungshandlung (Inbrandsetzung / Brandlegung) typischerweise anhaftende spezifische Gefahr sich in der konkreten Gefahr der Gesundheitsschädigung realisiert haben.
Beispiele: Gefahr von Verbrennungen oder einer Rauchvergiftung; Gefahr eines vorbeilaufenden Passanten bei der Explosion eines Brandsatzes durch Scherben der zerspringenden Fensterscheibe getroffen zu werden
Liegt ein tatspezifischer Gefahrzusammenhang bei ‚Retterschäden‘ vor?
Problem: Rettungswillige begeben sich freiwillig und sehenden Auges in den Gefahrenbereich (zurück).
e.A.: (–) Retter nie umfasst
(pro) Systematik: Stets gefahrzusammenhangsausschließende eigenverantwortliche Selbstgefährdung der Retter.
h.M.: (+/–) Retter unter best. Umständen umfasst
(pro) Historie: Alte Fassung bis 1998 erforderte Anwesenheit des Opfers „zur Zeit der Tat“, was bei nach Inbrandsetzen/Brandlegung eintreffenden Rettern nicht der Fall ist. Gesetzgeber hat dieses Erfordernis jedoch bewusst gestrichen.
Differenzierung nach Art der Retter:
Berufsretter (insb. Feuerwehr)
...sind grundsätzlich umfasst, da diese typischerweise nach Inbrandsetzen/Brandlegung tätig werden; berufliche Rettungspflicht spricht gegen eigenverantwortliche Selbstgefährdung; außer: Rettungsbemühungen sind von vornherein aussichtslos
Private Retter
... sind nur umfasst, wenn diese aufgrund einer § 35 StGB ähnlichen Drucksituation handeln (insb. Rettung naher Angehöriger), da dann keine eigenverantwortliche Selbstgefährdung, sondern faktischer Rettungszwang
Mindestens Eventualvorsatz (dolus eventualis) bezüglich der Gefahr einer Gesundheitsschädigung (nicht bezüglich des Eintritts einer Gesundheitsschädigung).
Bei rein fahrlässiger Herbeiführung der Gefahr § 306d I StGB prüfen.
Die Rechtswidrigkeit wird durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert. Siehe für eine Übersicht der möglichen Rechtfertigungsgründe die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.
Beachte dabei vorliegend jedoch folgendes Problem:
Ist eine Einwilligung in die schwere Brandstiftung nach § 306a II StGB möglich?
Schuld bezeichnet die persönliche Vorwerfbarkeit der Unrechtsverwirklichung. Auch diese wird grundsätzlich angenommen. Siehe für Fälle, in denen sie entfällt (Schuldunfähigkeit, entschuldigende Irrtümer und Entschuldigungsgründe) die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.
Besonders schwere Brandstiftung nach § 306b II StGB
§ 306b II StGB stellt eine Qualifikation des § 306a StGB dar. Ist die Qualifikation erfüllt, können die objektiven Qualifikationsmerkmale direkt nach dem objektiven Tatbestand des Grunddeliktes und die subjektiven Qualifikationsmerkmale direkt nach dem subjektiven Tatbestand des Grunddeliktes geprüft werden. Aufgrund der Komplexität der Brandstiftungsdelikte empfiehlt sich jedoch i.d.R. eine getrennte Prüfung. Liegt eine Qualifikation nahe, ist diese aber letztlich nicht erfüllt, empfiehlt sich in jedem Fall eine getrennte Prüfung, um die unterschiedlichen Ergebnisse besser festhalten zu können.
Besonders schwere Brandstiftung nach § 306b I StGB
§ 306b I StGB stellt eine Erfolgsqualifikation zu § 306 I, § 306a I und II StGB dar. Letztere sollten zunächst gesondert geprüft werden. Bei der Prüfung der Erfolgsqualifikation kann dann darauf verwiesen werden.
Brandstiftung mit Todesfolge nach § 306c StGB
§ 306c StGB stellt ebenfalls eine Erfolgsqualifikation zu § 306 I, § 306a I und II StGB dar. Letztere sollten zunächst gesondert geprüft werden. Bei der Prüfung der Erfolgsqualifikation kann dann darauf verwiesen werden.
Siehe zur Systematik auch die Übersicht: Brandstiftungsdelikte (§§ 306 ff. StGB).
Siehe allgemein für den Unterschied zwischen Qualifikation und Erfolgsqualifikation die Übersicht: Qualifikation, Erfolgsqualifikation, besonders schwerer Fall.