Prüfungsschema zur Unterschlagung (§ 246 StGB): Täter eignet sich im Grundtatbestand eine fremde bewegliche Sache zu. Ist ihm die Sache anvertraut gewesen, erfüllt er dabei die Qualifikation des Abs. 2.
Abs. 1 ist Grunddelikt
Abs. 2 ist Qualifikation
§ 246 I StGB ist Auffangtatbestand für alle Arten rechtswidriger Zueignung fremder beweglicher Sachen. Er wird von den mit schwererer Strafe bedrohten speziellen Vermögensdelikten (insb. §§ 242, 249, 263 StGB) verdrängt (formelle Subsidiarität; siehe Wortlaut „wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist“).
§ 246 I StGB ist in der Klausur daher innerhalb der Vermögensdelikte zuletzt zu prüfen - bei Subsidiarität, aufgrund erfüllter spezieller Vermögensdelikte, nur kursorisch.
Siehe allgemein zum Unterschied der Vermögensdelikte die Übersicht hierzu.
Sache = Jeder körperliche Gegenstand (vgl. § 90 BGB; auch Tiere sind geschützt, vgl. § 90a S. 3 BGB)
Fremd = Nicht im Alleineigentum des Täters (Sache gehört zumindest auch einem anderen) und nicht herrenlos (vgl. § 959 BGB)
Beweglich = Kann tatsächlich fortbewegt werden.
§ 246 II StGB enthält eine Qualifikation für die veruntreuende Unterschlagung bei anvertrauten Sachen.
Kommt eine Qualifikation in Frage, so empfiehlt sich, aufgrund der bis auf dieses Merkmal identischen Anforderungen von Grunddelikt und Qualifikation, eine gemeinsame Prüfung beider - wie hier dargestellt.
Anvertraut = Alle Sachen, deren Gewahrsam der Täter (vom Eigentümer oder einem Dritten) mit der Verpflichtung erlangt hat, sie zu einem bestimmten Zweck zu verwenden, aufzubewahren oder auch nur zurückzugeben
Sind auch zu sittenwidrigen Zwecken überlassene Sachen ‚anvertraut‘ i.S.d. Qualifikation?
Rspr.: (+) Ja, grds. auch hier Anvertrautsein anzunehmen
Nur nicht, wenn dies Interessen des (ursprünglichen) Eigentümers zuwiderläuft. Oft wird die Strafschärfung jedoch im Interesse des Eigentümers liegen.
z.B. Überlassung von Diebesgut durch Dieb an Hehler
(pro) Systematik: Sonst würde ein rechtsleerer Raum in Ganovenkreisen entstehen
a.A.: (–) Nein, kein Anvertrautsein
(pro) Telos: Opfer nicht schutzwürdig
Der Täter muss die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignen.
Im Unterschied zum Diebstahl (§ 242 StGB) muss bei der Unterschlagung (§ 246 StGB) die Zueignung objektiv vollendet und nicht nur subjektiv beabsichtigt sein. Es handelt sich um kein Delikt mit ‚überschießender Innentendenz‘. (Arg.: Kein „in der Absicht … zuzueignen“ im Wortlaut).
Zueignung = dauerhafte Enteignung und mindestens vorübergehende Aneignung der Sachsubstanz oder des Sachwertes mittels objektiv erkennbarer Zueignungshandlung
In welcher Form muss sich die objektiv erkennbare Zueignungshandlung manifestieren?
a.A.: Aneignungstheorie
Zueignungen i.S.d. § 246 I StGB sind nur Handlungen, die zum objektiver Erfolg eine Aneignung führen.
Erfüllt eine mehrfache Zueignung den Tatbestand mehrfach?
Rspr. Tatbestandslösung: (-) Nein, nur die erstmalige Zueignung erfüllt den Tatbestand
(pro) Systematik: Zueignung erfordert Enteignung + Aneignung. Enteignung des ursprünglichen Eigentümers findet aber nur bei erstmaliger Zueignung statt; Anschlussdelikte sind abschließend für weitere Zueignungen
h.L. Konkurrenzlösung: (+) Ja, jede einzelne (weitere) Zueignung erfüllt den Tatbestand
(pro) Systematik: Teilnahme an zweiter Zueignung lässt sich bestrafen (z.B. bei Erstzueignung in schuldlosem Zustand)
(con) Systematik: Verjährung wird immer neu verschoben
Rechtswidrig i.S.d. § 246 StGB = Der materiellen Eigentumsordnung widersprechend und nicht durch einen fälligen und einredefreien Übereignungsanspruch gedeckt
Gem. Wortlaut keine ‚Absicht‘ (wie bei § 242 StGB) erforderlich. Daher nach allg. Maßstab des § 15 StGB bedingter Vorsatz / Eventualvorsatz (dolus eventualis) bzgl. Zueignung und Rechtswidrigkeit ausreichend.
Die Rechtswidrigkeit wird durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert. Siehe für eine Übersicht der möglichen Rechtfertigungsgründe die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.
Schuld bezeichnet die persönliche Vorwerfbarkeit der Unrechtsverwirklichung. Auch diese wird grundsätzlich angenommen. Siehe für Fälle, in denen sie entfällt (Schuldunfähigkeit, entschuldigende Irrtümer und Entschuldigungsgründe) die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.
Trotz der verengten Überschrift des § 247 StGB „Haus- und Familiendiebstahl“ gelten sowohl § 247 StGB als auch § 248a StGB ihrem Wortlaut nach direkt nicht nur für den Diebstahl, sondern auch für die Unterschlagung.
Haus- und Familienunterschlagung
In den Fällen des § 247 (Haus- und Familienunterschlagung) ist zwingend ein Strafantrag erforderlich (absolutes Antragsdelikt).
Geringwertige Sachen
In den Fällen des § 248a StGB (geringwertige Sachen) ist entweder ein Strafantrag oder ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung erforderlich (relatives Antragsdelikt). Entscheidend ist der objektive Verkehrswert. Bei mehreren Sachen wird der Wert addiert. Umstritten ist die (Gesamt-)Wertschwelle (BGH: 25 €; a.A. 50 €).