Prüfungsschema für Streitigkeiten zwischen Bund und zumindest einem Land vor dem Bundesverfassungsgericht aufgrund der Verletzung einer ihrer verfassungsrechtlichen Rechte.
Gesetzesänderung: Der Gesetzgeber hat mit Zweidrittelmehrheit mit Wirkung zum 28.12.2024 die Art. 93 und Art. 94 GG neu gefasst. Dadurch wurden bisher im Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) einfachgesetzlich geregelte und somit durch einfache (50%ige) Mehrheit änderbare Festlegungen zu Organisation und Verfahren BVerfG direkt ins Grundgesetz aufgenommen. Zudem wurde in Art. 93 II 2 GG eine Regelung für den Fall geschaffen, dass Bundestag oder Bundesrat nicht rechtzeitig einen Nachfolger für eine vakante Richterstelle wählen.
Die Änderungen sollen insb. vor dem Hintergrund akuter Rechtsstaatskrisen - etwa in Polen und Ungarn durch die weitgehende Entmachtung der dortigen Verfassungsgerichte durch autokratische Regierungen - und auch in Deutschland wahrgenommener Änderungen der politischen Mehrheitsverhältnisse die dauerhafte Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit der Verfassungsgerichtsbarkeit als zentrales Element der machtbegrenzenden Gewaltenteilung sicherstellen.
Für die Klausur bedeutet dies konkret lediglich, dass künftig stets Art. 94 statt Art. 93 zitiert wird. Die Nummern des Abs. 1 für die jeweiligen Verfahrensarten sind unverändert geblieben.
Sowohl beim Bund-Länder-Streit, als auch beim Organstreitverfahren geht es um die Rechte und Pflichten der beteiligten Organe aus Anlass einer Maßnahme oder Unterlassung.
Beim Organstreitverfahren sind beide Parteien auf Bundesebene angesiedelt (horizontaler Streit); beim Bund-Länder-Streit ist je eine Partei auf Bundes- und eine auf Landesebene angesiedelt (vertikaler Streit).
Aufgrund der Ähnlichkeit verweist der Bund-Länder-Streit daher (mit der einzig relevanten Ausnahme der Parteifähigkeit von Bund und Ländern, § 68 BVerfGG) in § 69 BVerfGG auf die Vorschriften der §§ 64 - 67 BVerfG (also die Vorschriften des Organstreitverfahrens). § 69 BVerfGG ist daher in sämtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen ab A. II. mitzuzitieren.
Siehe auch die Übersicht: Finden der richtigen verfassungsprozessrechtlichen Verfahrensart sowie die Übersicht über alle klausurrelevanten verfassungsprozessrechtlichen Verfahrensarten.
Gemäß Art. 94 I Nr. 3 GG, § 13 Nr. 7 BVerfGG ist das BVerfG für den Bund-Länder-Streit zuständig.
Der Bund-Länder-Streit ist ein sog. kontradiktorisches Verfahren. Im Unterschied zu objektiven Rechtsbeanstandungsverfahren stehen sich hier zwei Parteien gegenüber, die beide parteifähig sein müssen.
Sowohl Antragsteller als auch Antragsgegner müssten parteifähig sein. Parteifähig sind gem. § 68 BVerfGG:
Rechtserheblich = geeignet, die Rechtsstellung des Antragstellers zu beeinträchtigen
Antragsteller muss gem. §§ 69, 64 BVerfGG (1.) in einem „durch das Grundgesetz übertragenen“, (2.) eigenen („er oder das Organ, dem er angehört“) Recht (3.) durch die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung (h.M.: möglicherweise) „verletzt oder unmittelbar gefährdet“ sein (§ 64 I BverfGG).
Es muss sich um ein eigenes Recht des Antragsstellers oder des Organs, dem er angehört, handeln.
Im Unterschied zur Begründetheit ist keine vollständige Prüfung einer Rechtsverletzung nötig. Diese muss jedoch zumindest möglich erscheinen (Möglichkeitstheorie). In der Klausur sollte hier knapp auf das gleiche Recht abgestellt werden, das später ausführlich unter B. in der Begründetheit geprüft wird.
Das Merkmal dient der Aussonderung ganz offensichtlich unbegründeter Fälle, für die keinerlei Betroffenheit irgendeiner Rechtsposition ersichtlich ist (z.B.: Der Bund dürfe keine Gesetze erlassen, da er lediglich eine GbR sei).
Möglichkeit der Verletzung = Diese ist nicht von vornherein, unter jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen (Möglichkeitstheorie)
Unmittelbare Rechtsgefährdung = Solch sachliche und zeitliche Konkretisierung, dass ohne Eingreifen mit großer Wahrscheinlichkeit eine Verletzung eintreten wird
Der Prüfungspunkt ‚allgemeines Rechtsschutzbedürfnis‘ wird regelmäßig vermutet und daher oft weggelassen. Er sollte angesprochen werden, wenn sich im Sachverhalt konkrete Anhaltspunkte für sein Fehlen ergeben.
Der Antrag ist begründet, soweit die angegriffene Maßnahme / Unterlassung den Antragsteller in seinen grundrechtlich geschützten Rechten verletzt.
Tenor, wenn Antrag zulässig und begründet: