Prüfungsschema für die speziellen Gleichheitsgrundrechte, die es dem Staat nach h.M. verbieten, Männer und Frauen (Art. 3 II, III 1 GG) oder Personen wegen der sonstigen Merkmale in Art. 3 III GG ohne verfassungsrechtliche Rechtfertigung ungleich zu behandeln.
- Inhaltsverzeichnis
- (Un)Gleichbehandlung von Mann und Frau, Art. 3 II, III 1 Var. 1 GG
- Ungleichbehandlung
- Bestimmung der ungleich behandelten Männer und Frauen
- Feststellung der Ungleichbehandlung
- Rechtfertigung
- Ungleichbehandlung aufgrund der übrigen Kriterien des Art. 3 III GG
- Ungleichbehandlung
- Rechtfertigung
- Zweistufige Prüfung
Im Unterschied zu den Freiheitsgrundrechten erfolgt die Prüfung von Gleichheitsgrundrechten nicht dreistufig (Schutzbereich, Eingriff, Rechtfertigung), sondern stets zweistufig (Ungleichbehandlung, Rechtfertigung).
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Konkurrenzen
In welchem Verhältnis stehen die speziellen Gleichheitssätze (Art. 3 II, III GG) zum allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 I GG)?
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h.Lit: Die speziellen Gleichheitssätze der Art. 3 II, III GG verdrängen als eigenständige Grundrechte den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 I GG als lex specialis.
→ Im Aufbau werden zunächst die speziellen Gewährleistungen der Art. 3 II, III GG als eigenständige Grundrechte angeprüft und bei Ablehnung ggf. der allg. Gleichheitssatz aus Art. 3 I GG als eigenständiges Grundrecht geprüft.
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a.A. BVerfG: Nach Ansicht des BVerfG sind Art. 3 II und III GG hingegen keine eigenständigen Grundrechte, sondern Konkretisierungen des Art. 3 I GG, die i.R.d. Rechtfertigung der Prüfung nach Art. 3 I GG von Bedeutung sind.
→ Im Aufbau wird ein einheitliches Grundrecht aus Art. 3 GG geprüft und in der Rechtfertigung nach Art der Ungleichbehandlung differenziert.
(Un)Gleichbehandlung von Mann und Frau, Art. 3 II, III 1 Var. 1 GG
Art. 3 III 1 Var. 1 GG enthält das grundsätzliche Verbot der Ungleichbehandlung (Benachteiligung oder Bevorzugung) aufgrund des Geschlechts. Zusätzlich enthält Art. 3 II 2 GG mit der Vorgabe, auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken, einen staatlichen Gleichstellungsauftrag.
Ungleichbehandlung
Bestimmung der ungleich behandelten Männer und Frauen
Zunächst werden die ungleich behandelten Männer und Frauen identifiziert.
Feststellung der Ungleichbehandlung
Sodann wird festgestellt, ob bei wesentlich Gleichem eine Ungleichbehandlung vorliegt bzw. ob bei wesentlich Ungleichem eine Gleichbehandlung vorliegt.
Rechtfertigung
Es handelt sich bei den speziellen Gleichheitssätzen grds. um strikte Differenzierungsverbote.
Ausgenommen hiervon sind lediglich:
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- Ungleichbehandlungen, die aufgrund objektiver biologischer und funktionaler Unterschiede zwischen Mann und Frau zwingend erforderlich sind, wie z.B. Mutterschutzurlaub
- Ungleichbehandlungen zur Erfüllung des staatlichen faktischen Gleichstellungsauftrags aus Art. 3 II 2 GG wie z.B. Quotenregelungen (str.)
- Kollidierendes Verfassungsrecht wie z.B. Art. 12a GG zum Wehr- und Zivildienst
In all diesen Fällen ist die Ungleichbehandlung einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung (Legitimes Ziel, Geeignetheit, zwingende Erforderlichkeit, Angemessenheit) zu unterziehen.
Ungleichbehandlung aufgrund der übrigen Kriterien des Art. 3 III GG
Ungleichbehandlung
Die Diskriminierung muss „wegen“ eines sonstigen Merkmals des Art. 3 III GG erfolgen. Dies erfordert nach h.M., dass eines dieser Merkmale ursächlich für die Diskriminierung ist (Kausalitätstheorie).
- Abstammung = Biologische Beziehung eines Menschen zu seinen Vorfahren
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„Rasse“ = Gruppe mit bestimmten (tatsächlichen oder vermeintlichen) biologisch vererbbaren Merkmalen
z.B. PoC, Sinti und Roma…
[Anmerkung: Der Begriff „Rasse“ ist in den Rechtswissenschaften aufgrund seiner Historie der heftigen Kritik ausgesetzt und wird daher in Anführungszeichen geführt. Änderungsvorhaben sind bisher jedoch im Sand verlaufen, insb. mit dem Hinweis darauf, dass er lediglich dem Schutz der betreffenden Personengruppen diene.]
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Sprache = Mutter- bzw. Elternsprache
z.B. dänische oder sorbische Minderheit in Deutschland
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Heimat = Örtliche Herkunft eines Menschen nach Geburt oder Ansässigkeit im Sinne der emotionalen Beziehung zu einem geografisch begrenzten, den Einzelnen mitprägenden Raum (Ort, Landschaft)
z.B. Vertriebene und Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg
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Herkunft = Ständisch-soziale Abstammung und Verwurzelung
z.B. Adel
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Glaube und religiöse Anschauung = Wie bei Art. 4 GG; Glaube ist Oberbegriff für religiöse oder sonstige (auch antireligiöse) Weltanschauungen
z.B. Evangelische Kirche, Islam…
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Politische Anschauung = Ist weit zu verstehen, setzt jedoch deren Äußerung oder Betätigung voraus
z.B. Partei- oder Gewerkschaftsmitgliedschaft
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Behinderung = Die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht
z.B. Down-Syndrom; auch psychische Krankheiten, wenn sie längerfristig und von einem gewissen Gewicht sind
Rechtfertigung
Sind Ungleichbehandlungen aufgrund der sonstigen Merkmale des Art. 3 zu rechtfertigen?
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- Ungleichbehandlungen, zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur bei einer spezifischen Gruppe auftreten
- Ungleichbehandlungen aufgrund kollidierenden Verfassungsrechts (wie insb. des staatlichen Schutzauftrags für die benannten Gruppen)
- Sonderfall ‚Behinderung‘
Beim Merkmal der ‚Behinderung‘ handelt es sich aufgrund seiner separaten Nennung in Art. 3 III 2 GG nach ganz h.M. um ein eingeschränktes Differenzierungsverbot, d.h. Benachteiligungen deswegen sind unzulässig, Bevorzugungen hingegen grds. zulässig.