Prüfungsschema für die Grundrechte der Kunstfreiheit (Werk- und Wirkbereich) und Wissenschaftsfreiheit (Forschung und Lehre) als Abwehrrechte der Bürger gegen den Staat (Art. 5 III GG).
Dieses Schema bildet die klassische abwehrrechtliche Dimension der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit in Form des Schutzes vor staatlichen Eingriffen ab.
Spezifisch in Bezug auf die Wissenschaftsfreiheit ist aber auch die Dimension der objektiv-rechtlichen Gewährleistungsfunktion stark ausgeprägt: Der Staat muss insb. für funktionsfähige Institutionen eines freien Wissenschaftsbetriebs sorgen und durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass das individuelle Grundrecht der freien wissenschaftlichen Betätigung so weit unangetastet bleibt, wie möglich.
Daraus resultiert auch ein Leistungsrecht des Einzelnen auf Gewährleistung hinreichender finanzieller, personeller und organisatorischer Mittel.
Das im Grunde bestehende Recht auf Wahl der eigenen Ausbildungsstätte (wie etwa einer Uni) leitet sich hingegen aus der Berufsfreiheit (Art. 12 I 1 GG) ab.
Schutz umfasst sowohl den Werk- als auch den Wirkbereich der Kunstfreiheit.
Werkbereich = Die künstlerische Betätigung in Form aller mit der Herstellung im Zusammenhang stehenden Vorgänge
z.B. Erstellung von Skizzen; Zusammenstellung der benötigten Materialien; Malen
Wirkbereich = Darbietung und Verbreitung der Kunst
z.B. Werbeplakate für eine Kunstausstellung (Arg.: Kunst ist auf Öffentlichkeit angewiesen); Kunstausstellung selbst
Inhalt und Qualität der Kunst sind irrelevant.
Kunst (formaler Begriff) = Arbeiten an traditionellen künstlerischen Werktypen (Malerei, Bildhauerei, Theater, Poesie etc.)
Kunst (materieller Begriff) = Arbeiten, mit denen der Künstler in freier schöpferischer Gestaltung seine Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse unmittelbar zur Anschauung bringt (BVerfG: Mephisto-Entscheidung).
Kunst (offener Begriff) = Arbeiten, die aufgrund der Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiterreichende Bedeutungen erkennen lassen (BVerfG: Anachronistischer Zug).
„Wissenschaft“ bildet nach h.M. den Oberbegriff zu „Forschung“ und „Lehre“. Geschützt ist somit als einheitliches Freiheitsrecht der Wissenschaftsfreiheit lediglich die wissenschaftliche Forschung und Lehre.
Schutz umfasst sowohl den Werkbereich (z.B. Zusammentragen von Daten; Schreiben eines Aufsatzes) als auch den Wirkbereich (z.B. Veröffentlichung und Publikation) der Wissenschaftsfreiheit.
Wissenschaft = Alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter, planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist.
Forschung = Geistige Tätigkeit mit dem Ziel, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Lehre = Wissenschaftlich fundierte Übermittlung der durch die Forschung gewonnenen Erkenntnisse.
Die Treueklausel des Art. 5 III 2 GG hat nach h.M. lediglich Hinweischarakter (auf die dienstrechtliche Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der freiheitlich-demokratischen Grundordnung) und grenzt nicht etwa den Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit ein.
Zuerst sollte das Vorliegen eines ‚klassischen Eingriffs‘ geprüft werden; nur wenn ein Merkmal nicht erfüllt ist, sollte auf den ‚modernen Eingriffsbegriff‘ eingegangen werden. Siehe hierzu ausführlich das Prüfungsschema Freiheitsgrundrechte.
Eingriff = Jedes staatliche Handeln, das zur Beeinträchtigung des Schutzbereiches führt und nach dem …
Beispiele: Auftrittsverbote; Vorgaben für künstlerische Methoden oder Inhalte
Der Wortlaut des Art. 5 III GG enthält keinen geschriebenen Gesetzesvorbehalt.
Sind die Schranken der Kommunikationsfreiheiten aus Art. 5 II GG anwendbar?
Enthalten Grundrechte keinen Gesetzesvorbehalt, gilt nach h.M. aufgrund der sozialen Dimension der Grundrechte stets der ungeschriebene Vorbehalt der verfassungsimmanenten Schranken. Siehe hierzu ausführlich das Prüfungsschema Freiheitsgrundrechte. Es handelt sich dabei um einen besonders qualifizierten (strengen) Gesetzesvorbehalt. Das Grundrecht kann also nur auf gesetzlicher Grundlage eingeschränkt werden und nur zum Zweck des Schutzes kollidierenden Verfassungsrechts.
(→ Ausführlich hierzu das Prüfungsschema Gesetzgebungsverfahren)
Legitimer Zweck
Einschränkungen sind mangels Gesetzesvorbehalts nicht zu jedem verfassungsrechtlich anerkannten Zweck, sondern lediglich zum Schutz kollidierenden Verfassungsrechts zulässig, also insb. zum Schutz kollidierender Grundrechte (z.B. Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 I, I 1 GG vor künstlerischen Darbietungen von Personen) oder sonstige Rechtsgüter von Verfassungsrang (z.B. Schutz des Tierwohls aus Art. 20a GG vor wissenschaftlichen Tierversuchen).
Geeignetheit
Das Ziel kann grundsätzlich durch das Mittel erreicht werden.
Erforderlichkeit
Es existiert kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Erreichung des Ziels.
Angemessenheit
Hier liegt in aller Regel der Schwerpunkt der Klausur. Dies sollte bei der Zeiteinteilung unbedingt berücksichtigt werden.
Die Intensität des Eingriffs muss in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel des Schutzes anderer Verfassungsgüter stehen. Eingriffe in den Werkbereich sind i.d.R. als intensiver zu werten, als ein Eingriff in den Wirkbereich.
Urteil oder Maßnahmen aufgrund des Gesetzes.