Prüfungsschema für das allgemeine Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 I GG, das es dem Staat verbietet, wesentlich Gleiches ungleich oder wesentlich Ungleiches gleich zu behandeln, sofern hierfür keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung vorliegt.
Konkurrenzen
Freiheitsgrundrechte
Die anderen Freiheitsgrundrechte sind neben den Gleichheitsrechten stets parallel anwendbar.
In welchem Verhältnis stehen die speziellen Gleichheitssätze (Art. 3 II, III GG) zum allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 I GG)?
h.Lit: Die speziellen Gleichheitssätze der Art. 3 II, III GG verdrängen als eigenständige Grundrechte den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 I GG als lex specialis.
→ Im Aufbau werden zunächst die speziellen Gewährleistungen der Art. 3 II, III GG als eigenständige Grundrechte angeprüft und bei Ablehnung ggf. der allg. Gleichheitssatz aus Art. 3 I GG als eigenständiges Grundrecht geprüft.
a.A. BVerfG: Nach Ansicht des BVerfG sind Art. 3 II und III GG hingegen keine eigenständigen Grundrechte, sondern Konkretisierungen des Art. 3 I GG, die i.R.d. Rechtfertigung der Prüfung nach Art. 3 I GG von Bedeutung sind.
→ Im Aufbau wird ein einheitliches Grundrecht aus Art. 3 GG geprüft und in der Rechtfertigung nach Art der Ungleichbehandlung differenziert.
Zunächst wird untersucht, ob es sich bei den verglichenen Personen / Personengruppen / Situation um wesentlich Gleiches oder Ungleiches handelt.
Hierzu wird ein gemeinsamer Oberbegriff (tertium comparationis) für beide gebildet.
Beispiel: Bürger A zahlt für den Kauf eines Grundstücks in Hannover mehr Grunderwerbssteuer als Bürger B in Braunschweig; Gemeinsamer Oberbegriff: Grundstückskäufer
Sodann wird festgestellt, ob bei wesentlich Gleichem eine Ungleichbehandlung vorliegt bzw. ob bei wesentlich Ungleichem eine Gleichbehandlung vorliegt.
Die (Un-)Gleichbehandlung muss jeweils durch denselben Hoheitsträger erfolgen.
Beispiel: Grunderwerbssteuer in Hannover und Braunschweig, jeweils durch das Land Niedersachsen; Nicht: Grunderwerbssteuer in Hannover und Stuttgart durch unterschiedliche Länder
Umfasst Art. 3 I GG Inländerdiskriminierungen beim Vergleich EU-Bürger/Inländer?
Beispiel: In Deutschland muss Margarine anders verpackt werden als Butter, um Verbraucher nicht zu verwirren. Wegen der EU-Warenverkehrsfreiheit gilt dies jedoch nicht für ausländische Margarine-Hersteller.
h.M.: (-) Keine Ungleichbehandlung durch denselben Hoheitsträger (EU und BRD)
a.A.: (+) Zuordnung der EU-Warenverkehrsfreiheit zur BRD, sodass die Ungleichbehandlung durch denselben Hoheitsträger erfolgt
Es handelt sich beim allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG um kein striktes Differenzierungsverbot. (Un-)Gleichbehandlungen können gerechtfertigt sein.
Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss zu Art. 3 III GG, der ein Differenzierungsverbot aufgrund der dort aufgeführten Merkmale enthält und sonst überflüssig wäre.
→ Ausführlich hierzu das Prüfungsschema Gesetzgebungsverfahren.
Welcher Rechtfertigungsmaßstab ist i.R.d. Art. 3 I GG anzuwenden?
Die Rechtsprechung der letzten Jahre ist diesbezüglich nicht einheitlich und befindet sich im Wandel.
e.A. (alt, heute kaum mehr vertreten): Stets lediglich Willkürkontrolle ('Willkürformel')
Willkürformel: Die Differenzierung darf (nur) nicht willkürlich sein, d.h. es muss einen sachlich / sachbezogen einleuchtenden Grund für sie geben. Andersherum ausgedrückt ist die Ungleichbehandlung willkürlich, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt.
Eine Gruppe darf im Vergleich zu einer anderen Gruppe nicht anders behandelt werden, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. In der Prüfung bedeutet dies eine Verhältnismäßigkeitsprüfung.
Folgt man der h.M., lassen sich folgende Indizien zur Bestimmung der Intensität und somit des Maßstabes heranziehen:
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Geringe Intensität → Willkürformel |
Größere Intensität → Verhältnismäßigkeit |
Personelle Auswirkung |
Sachliche / sachbezogene Ungleichbehandlung |
Personelle / personenbezogene Ungleichbehandlung |
Beeinflussbarkeit |
Betroffener kann Kriterium beeinflussen |
Betroffener kann Kriterium nicht beeinflussen |
Differenzierungskriterium |
Neutrales Kriterium |
Kriterium ähnelt jenen des Art. 3 III GG |
Auswirkung auf Wahrnehmung anderer Grundrechte |
Geringe Auswirkung |
Größere Auswirkung |
Beispiel für Ungleichbehandlung geringer Intensität: Bereich der Leistungsverwaltung, wie insb. Subventionen für best. Vorhaben
Willkürformel = Die Ungleichbehandlung ist willkürlich, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt.
Andersherum ausgedrückt, muss zur Rechtfertigung lediglich irgendein sachlich / sachbezogen, einleuchtender Grund vorliegen.
Differenzierungsziel und -kriterium müssen verfassungsrechtlich legitim sein.
Die (Un-)Gleichbehandlung muss geeignet sein, das Ziel zu erreichen.
Es darf kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Erreichung des Ziels geben.
Die Intensität der (Un-)Gleichbehandlung muss in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit der (Un-)Gleichbehandlung verfolgten Ziel stehen.