Prüfungsschema zur Zulässigkeit und Begründetheit eines Organstreitverfahrens von Bundestagsabgeordneten gegen einen Fraktionsausschluss.
Fraglich ist, ob Abgeordnete „Teile“ des Organs „Bundestag“ i.S.d. § 63 BVerfGG sind.
Sind einzelne Bundestagsabgeordnete parteifähig im Organstreitverfahren?
§ 63 BVerfGG nennt als parteifähig: Oberste Bundesorgane wie u.a. den Bundestag, sowie „Teile dieser Organe“. Fraglich ist, ob einzelne Abgeordnete hierunter subsummierbar sind.
In jedem Fall sind einzelne Abgeordnete „andere Beteiligte“ i.S.v. Art. 93 I Nr. 1 HS 2 GG, die - z.B. in Art. 38 I 2 GG - mit eigenen Rechten ausgestattet sind. Art. 93 GG ist als ranghöhere Norm maßgebend (lex superior-Grundsatz) mit der Folge der verfassungskonformen Auslegung des § 63 BVerfGG als lediglich beispielhaft.
Fraktionen sind in der GOBT (z.B. in §§ 12, 26, 35, 76, 101) mit eigenen Rechten ausgestattet.
Sie sind ständig vorhandene Gliederungen des Bundestages und somit gem. § 63 BVerfGG taugliche Antragsgegner.
Sie sind auch andere Beteiligte i.S.v. Art. 93 I Nr. 1 HS 2 GG.
Rechtserheblich = Geeignet, die Rechtsstellung des Antragstellers zu beeinträchtigen
Handelt es sich um eine verfassungsrechtlich rechtserhebliche oder um eine rein privatrechtliche Streitigkeit?
Antragsteller muss (1.) in einem „durch das Grundgesetz übertragenen“, (2.) eigenen („er oder das Organ, dem er angehört“) Recht (3.) durch die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung möglicherweise „verletzt oder unmittelbar gefährdet“ sein (§ 64 I BVerfGG).
Auf welche Rechte können Abgeordnete sich in Bezug auf den Fraktionsausschluss berufen?
Das Recht aus Art. 38 I 2 GG (h.M., s.o.) steht gerade einem jeden einzelnen Abgeordneten zu.
Im Unterschied zur Begründetheit ist keine vollständige Prüfung einer Rechtsverletzung nötig. Diese muss jedoch zumindest möglich erscheinen (Möglichkeitstheorie). Das Merkmal dient der Aussonderung ganz offensichtlich unbegründeter Fälle.
Hier auf die unter III. bezeichnete Maßnahme / Unterlassung abstellen und auf das gleiche Recht (Art. 38 I 2 GG) wie in der Begründetheit (s.u.).
Möglichkeit der Verletzung = Diese ist nicht von vornherein, unter jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen (Möglichkeitstheorie)
Unmittelbare Rechtsgefährdung = Solch sachliche und zeitliche Konkretisierung, dass ohne Eingreifen mit großer Wahrscheinlichkeit eine Verletzung eintreten wird
Kein leichterer / schnellerer Weg zur außergerichtlichen Durchsetzung der dargelegten Rechte, z.B. durch eigenes Handeln in anderen Verfahren wie parteiinterne Schlichtung.
Der Antrag ist begründet, soweit der Fraktionsausschluss gegen das Grundgesetz verstößt.
Verweis auf Zulässigkeitsprüfung (A. IV. 1. oben). Siehe ausführlich hierzu auch die Übersicht: Abgeordnetenrechte.
Die tatsächlichen Rechte eines Abgeordneten hängen ganz maßgeblich von der Mitgliedschaft in einer Fraktion ab, z.B.:
Daher stellt ein Fraktionsausschuss auch eine Beeinträchtigung der Abgeordnetenrechte aus Art. 38 I 2 GG dar.
Welche Rechtsgrundlage kommt für den Fraktionsausschluss in Betracht?
Fraktionsversammlung, nicht nur der Vorstand
Durch Fraktionsvorstand oder aus der Mitte der Fraktion
Schriftliche Ankündigung des Ausschlusses, Anhörung des Abgeordneten & Gelegenheit zur Stellungnahme und Weiterleitung dieser an die gesamte Fraktion.
Aufgrund der Freiheit des Mandats (Art. 38 I 2 HS 2 GG) und des sich daraus ableitenden grundsätzlichen Verbotes des Fraktionszwangs ist ein „wichtiger Grund“ erforderlich. Da es sich beim Fraktionsausschluss somit nicht um eine Strafmaßnahme für vergangenes Verhalten handeln darf, muss aufgrund vergangenen Verhaltens erkennbar sein, dass keine zukünftige vertrauensvolle Zusammenarbeit mehr möglich ist (Prognose).
Anerkannt als wichtige Gründe sind:
Der Fraktion kommt dabei ein eigener Ermessensspielraum zu, das BVerfG beschränkt sich auf eine Evidenz- und Willkürkontrolle. Dabei wird insb. untersucht: