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GG  
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Öffentliches RechtVerfassungsrecht

Staatsrecht I: Staatsorganisationsrecht

(1) Das Bundesgebiet kann neu gegliedert werden, um zu gewährleisten, daß die Länder nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können. Dabei sind die landsmannschaftliche Verbundenheit, die geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge, die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit sowie die Erfordernisse der Raumordnung und der Landesplanung zu berücksichtigen.
(2) Maßnahmen zur Neugliederung des Bundesgebietes ergehen durch Bundesgesetz, das der Bestätigung durch Volksentscheid bedarf. Die betroffenen Länder sind zu hören.
(3) Der Volksentscheid findet in den Ländern statt, aus deren Gebieten oder Gebietsteilen ein neues oder neu umgrenztes Land gebildet werden soll (betroffene Länder). Abzustimmen ist über die Frage, ob die betroffenen Länder wie bisher bestehenbleiben sollen oder ob das neue oder neu umgrenzte Land gebildet werden soll. Der Volksentscheid für die Bildung eines neuen oder neu umgrenzten Landes kommt zustande, wenn in dessen künftigem Gebiet und insgesamt in den Gebieten oder Gebietsteilen eines betroffenen Landes, deren Landeszugehörigkeit im gleichen Sinne geändert werden soll, jeweils eine Mehrheit der Änderung zustimmt. Er kommt nicht zustande, wenn im Gebiet eines der betroffenen Länder eine Mehrheit die Änderung ablehnt; die Ablehnung ist jedoch unbeachtlich, wenn in einem Gebietsteil, dessen Zugehörigkeit zu dem betroffenen Land geändert werden soll, eine Mehrheit von zwei Dritteln der Änderung zustimmt, es sei denn, daß im Gesamtgebiet des betroffenen Landes eine Mehrheit von zwei Dritteln die Änderung ablehnt.
(4) Wird in einem zusammenhängenden, abgegrenzten Siedlungs- und Wirtschaftsraum, dessen Teile in mehreren Ländern liegen und der mindestens eine Million Einwohner hat, von einem Zehntel der in ihm zum Bundestag Wahlberechtigten durch Volksbegehren gefordert, daß für diesen Raum eine einheitliche Landeszugehörigkeit herbeigeführt werde, so ist durch Bundesgesetz innerhalb von zwei Jahren entweder zu bestimmen, ob die Landeszugehörigkeit gemäß Absatz 2 geändert wird, oder daß in den betroffenen Ländern eine Volksbefragung stattfindet.
(5) Die Volksbefragung ist darauf gerichtet festzustellen, ob eine in dem Gesetz vorzuschlagende Änderung der Landeszugehörigkeit Zustimmung findet. Das Gesetz kann verschiedene, jedoch nicht mehr als zwei Vorschläge der Volksbefragung vorlegen. Stimmt eine Mehrheit einer vorgeschlagenen Änderung der Landeszugehörigkeit zu, so ist durch Bundesgesetz innerhalb von zwei Jahren zu bestimmen, ob die Landeszugehörigkeit gemäß Absatz 2 geändert wird. Findet ein der Volksbefragung vorgelegter Vorschlag eine den Maßgaben des Absatzes 3 Satz 3 und 4 entsprechende Zustimmung, so ist innerhalb von zwei Jahren nach der Durchführung der Volksbefragung ein Bundesgesetz zur Bildung des vorgeschlagenen Landes zu erlassen, das der Bestätigung durch Volksentscheid nicht mehr bedarf.
(6) Mehrheit im Volksentscheid und in der Volksbefragung ist die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wenn sie mindestens ein Viertel der zum Bundestag Wahlberechtigten umfaßt. Im übrigen wird das Nähere über Volksentscheid, Volksbegehren und Volksbefragung durch ein Bundesgesetz geregelt; dieses kann auch vorsehen, daß Volksbegehren innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren nicht wiederholt werden können.
(7) Sonstige Änderungen des Gebietsbestandes der Länder können durch Staatsverträge der beteiligten Länder oder durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates erfolgen, wenn das Gebiet, dessen Landeszugehörigkeit geändert werden soll, nicht mehr als 50.000 Einwohner hat. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates und der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages bedarf. Es muß die Anhörung der betroffenen Gemeinden und Kreise vorsehen.
(8) Die Länder können eine Neugliederung für das jeweils von ihnen umfaßte Gebiet oder für Teilgebiete abweichend von den Vorschriften der Absätze 2 bis 7 durch Staatsvertrag regeln. Die betroffenen Gemeinden und Kreise sind zu hören. Der Staatsvertrag bedarf der Bestätigung durch Volksentscheid in jedem beteiligten Land. Betrifft der Staatsvertrag Teilgebiete der Länder, kann die Bestätigung auf Volksentscheide in diesen Teilgebieten beschränkt werden; Satz 5 zweiter Halbsatz findet keine Anwendung. Bei einem Volksentscheid entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wenn sie mindestens ein Viertel der zum Bundestag Wahlberechtigten umfaßt; das Nähere regelt ein Bundesgesetz. Der Staatsvertrag bedarf der Zustimmung des Bundestages.
Quelle: BMJ
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LexMea

Allgemeines Persönlichkeitsrecht (APR) (Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG)

Prüfungsschema für das Grundrecht ‚Allgemeines Persönlichkeitsrecht' (APR, Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG) als Abwehrrecht der Bürger gegen den Staat.

Vom Schutzbereich umfasst sind insb. das Recht zur Selbstdefinition (teilw.: Selbstbestimmung), Selbstdarstellung und Selbstbewahrung (Privatsphäre).

Ausprägungen des APR (bzw. nach a.A. eigenständige Grundrechte) stellen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das „Grundrecht auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme" (teilw. auch: IT-Grundrecht oder Computer-Grundrecht) dar.

 

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Schutzbereich
  3. Persönlicher Schutzbereich
  4. Natürliche Personen
  5. Juristische Personen
  6. Sachlicher Schutzbereich
  7. Selbstdefinition (teilw.: Selbstbestimmung)
  8. Selbstdarstellung
  9. Selbstbewahrung
  10. Eingriff 
  11. Rechtfertigung 
  12. Einschränkbarkeit des Grundrechts (‚Schranke‘)
  13. Grenzen der Einschränkbarkeit (‚Schranken-Schranke‘)
  14. Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes
  15. Formelle Verfassungsmäßigkeit 
  16. Zuständigkeit: Gesetzgebungszuständigkeit
  17. Verfahren: Gesetzgebungsverfahren
  18. Form: Ausfertigung und Verkündung
  19. Materielle Verfassungsmäßigkeit
  20. Allgemeine materielle Anforderungen
  21. Verhältnismäßigkeit 
  22. Legitimer Zweck 
  23. Geeignetheit
  24. Erforderlichkeit
  25. Angemessenheit: Sphärentheorie
  26. Rechtfertigung bei Eingriffen in die Sozialsphäre
  27. Rechtfertigung bei Eingriffen in die Privatsphäre
  28. Rechtfertigung bei Eingriffen in die Intimsphäre (Kernbereich privater Lebensgestaltung)
  29. Ggf. Verfassungsmäßigkeit des Einzelakts

 

Schutzbereich

Persönlicher Schutzbereich

Natürliche Personen

Das APR ist ein ‚Jedermanngrundrecht‘ (auch ‚Menschenrecht‘), auf das sich alle natürlichen Personen – unabhängig von ihrer Nationalität – berufen können.

Juristische Personen

  • Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich nicht auf das APR berufen.
  • Juristische Personen des Privatrechts können sich nach Art. 19 III GG nur auf den Teil des APR berufen, der seinem Wesen nach auf diese Anwendbar ist (‚wesensmäßige Anwendbarkeit‘). Siehe hierzu auch das Schema Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen, Art. 19 III GG
    Die Menschenwürde ist nicht ihrem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar, da sie an natürliche Qualitäten des Menschen bzw. das „Menschsein" an sich anknüpft. Daher können sich juristische Personen nach Ansicht des BVerfG nicht auf die in der Menschenwürde (Art. 1 I GG) verankerten Ausformungen des APR berufen (str.); anerkannt hat das BVerfG eine Berufung juristischer Personen des Privatrechts auf Teile des Rechts am gesprochenen Wort, am eigenen Bild sowie auf informationelle Selbstbestimmung. 

 

Sachlicher Schutzbereich

Der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts lässt sich – ähnlich wie jener der allgemeinen Handlungsfreiheit – aufgrund seiner lückenschließenden Gewährleistung nicht abschließend bestimmen. Im Kern steht das Recht des Einzelnen, seine Individualität selbstbestimmt zu entwickeln, darzustellen und zu wahren. Ohne dass dem irgendeine abschließende Funktion zukommt, nimmt die Literatur zur besseren Anschauung häufig eine Untergliederung in drei Ausprägungen vor:

 

Selbstdefinition (teilw.: Selbstbestimmung)

Zur Selbstdefinition gehört insbesondere die Ausgestaltung der eigenen Persönlichkeit

Nicht abschließende, beispielhafte, in der Rspr. anerkannte Ausprägungen sind:

  • die Kenntnis von Abstammungsinformationen, 
  • die sexuelle Selbstbestimmung / sexuelle Orientierung / geschlechtliche Identität wie etwa Transsexualität oder Intersexualität und (eng damit verknüpft) die Wahl eines passenden Geschlechtseintrags,
  • das selbstbestimmte Sterben inkl. der Hilfe Dritter hierfür.

Die Selbstdefinition / Selbstbestimmung als ein Teil des Schutzbereichs hier ist nicht zu verwechseln mit dem mehr oder weniger verselbstständigten Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (dazu unten).

 

Selbstdarstellung

Zur Selbstdarstellung gehört insbesondere das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden.
Nicht abschließende, beispielhafte, in der Rspr. anerkannte Ausprägungen sind das:

  • Recht zur Wahl bzw. Beibehaltung des eigenen Vor‑ bzw. Nachnamens (etwa bei Änderungen der geschlechtlichen Identität)
  • Recht auf die Darstellung der eigenen Person, insbesondere in Presseberichten. Eng damit verbunden sind:
    • Recht am eigenen Bild
    • Recht am gesprochenen (tatsächlichen) Wort sowie des Schutzes vor der Unterschiebung nicht getätigter Äußerungen
    • Recht der persönlichen Ehre

 

  • Sonderfall: Recht auf informationelle Selbstbestimmung

    • Hintergrund
      Vor dem Hintergrund der besonderen Gefahren automatischer Datenverarbeitung hat das BVerfG im Volkszählungsurteil (1983) das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als mehr oder weniger verselbstständigte Ausprägung des APR abgeleitet.

    • Sachlicher Schutzbereich
      Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Vom Schutzbereich sind personenbezogene Daten erfasst, unabhängig davon, wie (un)sensibel diese sind oder ob sie öffentlich (un)zugänglich sind..

      In der Literatur wird das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung teilweise als Unterfall des APR, teilweise als eigenständiges Grundrecht dargestellt und aufgebaut. Entsprechend kann sich auch in der Klausur für eine Variante entschieden werden.

 

Selbstbewahrung

Zur Selbstbewahrung gehört insbesondere das

  • Recht auf Achtung der Privat- und Intimsphäre
    Umfasst ist der Schutz eines eigenen autonomen Bereichs privater Lebensgestaltung – in dem der Einzelne sich so verhalten kann, wie er möchte, sowie seine Individualität entwickeln und wahren kann – vor einem Eindringen oder Einblicken durch Dritte. Dies wird oft auch umschrieben als ‚Recht auf Achtung der Privat- und Intimsphäre‘.
    Beispiele: der familiäre Bereich, das eigene Geschlechtsleben 

Das Recht auf Privat- und Intimsphäre als Teil des Schutzbereichs gilt es nicht zu verwechseln mit der – erst auf Ebene des Eingriffs bzw. dessen Rechtfertigung relevanten – Sphärentheorie, s.u.).

 

  • Sonderfall: „Grundrecht auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme" (teilw. auch: IT-Grundrecht oder Computer-Grundrecht)
    • Hintergrund
      Vor dem Hintergrund der immer umfangreicheren Speicherung persönlichkeitsrelevanter Informationen auf Computern und mobilen Endgeräten (bzw. dem Zugriff auf Clouds über diese) hat das BVerfG im Urteil zu Online-Durchsuchungen (2008) das „Grundrecht auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme" (teilw. auch: IT-Grundrecht oder Computer-Grundrecht) als mehr oder weniger verselbstständigte Ausprägung des APR abgeleitet.

    • Sachlicher Schutzbereich
      • Dieses Recht schützt vor staatlichem Zugriff im Bereich der Informationstechnik auch insoweit, als auf das informationstechnische System insgesamt zugegriffen wird und nicht nur auf einzelne Kommunikationsvorgänge (dann Art. 10 GG) oder auf gespeicherte Daten (dann Recht auf informationelle Selbstbestimmung, s.o.). Auch Zugriffe auf mobile Endgeräte außerhalb der Wohnung (sonst Art. 13 GG) sind erfasst.
      • Voraussetzung ist nach Auffassung des BVerfG, dass das informationstechnische System es aufgrund des Umfangs und der Vielzahl der enthaltenen personenbezogenen Daten ermöglicht, einen Einblick in wesentliche Teile der Lebensgestaltung einer Person zu gewinnen oder gar ein aussagekräftiges Bild der Persönlichkeit zu erhalten (z.B. Handy, Laptop). Nicht umfasst sind informationstechnische Systeme mit lediglich punktuellem Bezug zu einem bestimmten Lebensbereich (z.B. nicht vernetzte elektronische Steuerungsanlagen der Haustechnik). Diese Einschränkung ist jedoch aufgrund der steigenden Datenmengen auch nur zu lediglich bestimmten Lebensbereichen zunehmend strittig.

In der Literatur wird das Grundrecht auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme teilweise als Unterfall des APR, teilweise als eigenständiges Grundrecht dargestellt und aufgebaut. Entsprechend kann sich auch in der Klausur für eine Variante entschieden werden.

 

 

Eingriff 

Zuerst sollte das Vorliegen eines ‚klassischen Eingriffs‘ geprüft werden; nur wenn ein Merkmal nicht erfüllt ist, sollte auf den ‚modernen Eingriffsbegriff‘ eingegangen werden. Siehe hierzu ausführlich das Prüfungsschema Freiheitsgrundrechte.

Eingriff = Jedes staatliche Handeln, das zur Beeinträchtigung des Schutzbereiches führt und nach dem …

  • klassischen Eingriffsbegriff final, unmittelbar, rechtsförmig und zwangsförmig ist, bzw.
  • modernen Eingriffsbegriff (auch: ‚neuer Eingriffsbegriff‘) ein „funktionales Äquivalent" zu einem klassischen Eingriff darstellt.
    Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Eingriff eines der folgenden Merkmale aufweist: besondere Intensität, besondere Finalität oder besondere Zurechenbarkeit (meist definiert als Kausalität plus Vorhersehbarkeit).

Besonderheiten beim Recht auf informationelle Selbstbestimmung: Jede Erhebung, Speicherung und Verwendung von Daten stellt einen eigenen Grundrechtseingriff dar, der einer separaten Rechtfertigung bedarf. 

 

 

 

Rechtfertigung 

Einschränkbarkeit des Grundrechts (‚Schranke‘)

Das APR enthält die gleichen drei Tatbestände möglicher Grundrechtseinschränkungen (Schranken): „die Rechte anderer", „die verfassungsmäßige Ordnung" sowie „das Sittengesetz" (sog. Schrankentrias) wie die allgemeine Handlungsfreiheit. Praktische Bedeutung erlangt auch hier lediglich die Schranke der „verfassungsmäßigen Ordnung", da die anderen Schranken in dieser aufgehen. Zur verfassungsmäßigen Ordnung zählen nicht nur die Normen des Grundgesetzes, sondern alle im Einklang mit der Verfassung stehenden Normen.

Die Schranke der „verfassungsmäßigen Ordnung" wird in der Klausur daher in aller Regel wie ein einfacher Gesetzesvorbehalt (→ siehe Prüfungsschema Freiheitsgrundrechte) zu prüfen sein.

 

Grenzen der Einschränkbarkeit (‚Schranken-Schranke‘)

Bei einem Eingriff durch Gesetz ist im Folgenden die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zu prüfen (einstufiger Aufbau). Bei einem Eingriff aufgrund eines Gesetzes ist anschließend zusätzlich der Eingriffsakt zu prüfen (mehrstufiger Aufbau). (→ siehe ausführlich Prüfungsschema Freiheitsgrundrechte).

Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes

Formelle Verfassungsmäßigkeit 

Detailliert: Siehe das Schema Gesetzgebungsverfahren

Zuständigkeit: Gesetzgebungszuständigkeit
Verfahren: Gesetzgebungsverfahren
Form: Ausfertigung und Verkündung

 

Materielle Verfassungsmäßigkeit
Allgemeine materielle Anforderungen
  • Verbot des Einzelfallgesetzes (Art. 19 I 1 GG) 
  • Verbot der Einschränkung des Wesensgehaltes (Art. 19 II GG)
  • Bestimmtheit und Rückwirkungsverbot (allg.: Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 III GG; speziell für Strafgesetze, Art. 103 II GG
  • Zitiergebot (Art. 19 I 2 GG) gilt nach Ansicht des BVerfG (str.) nicht.
Verhältnismäßigkeit 

Legitimer Zweck 

Grds. jedes öffentliche Interesse, das verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen ist.

Geeignetheit

Das Ziel kann grundsätzlich durch das Mittel erreicht werden. 

Erforderlichkeit

Es existiert kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Erreichung des Ziels.

 

Angemessenheit: Sphärentheorie

Hier liegt in aller Regel der Schwerpunkt der Klausur. Dies sollte bei der Zeiteinteilung unbedingt berücksichtigt werden. 

Sphärentheorie: Die Anforderungen an die Angemessenheit hängen von der Intensität des Eingriffs ab. Die Intensität kann u.a. nach der betroffenen Sphäre bestimmt werden:

 

Rechtfertigung bei Eingriffen in die Sozialsphäre

Sozialsphäre = Bereich, in dem sich der Mensch als soziales Wesen im Austausch mit anderen Menschen befindet.

Bsp.: Ausübung des Berufs, ehrenamtliche Tätigkeiten, Hobbys
Rechtfertigung: allgemeine Angemessenheitsprüfung ohne besondere Anforderungen.

 

Rechtfertigung bei Eingriffen in die Privatsphäre

Privatsphäre = 

  • räumlich: Leben im häuslichen Bereich, im Familienkreis, Privatleben
  • thematisch: Sachverhalte, die sich typischerweise im privaten Lebensbereich abspielen

  • Bsp. für räumliche Privatsphäre: Gespräche am häuslichen Esstisch
  • Bsp. für thematische Privatsphäre: Private Gespräche im öffentlichen Restaurant über die eigene Sexualität

Rechtfertigung: Eingriff nur bei überwiegenden Interessen der Allgemeinheit unter strenger Wahrung der Verhältnismäßigkeit.

 

Rechtfertigung bei Eingriffen in die Intimsphäre (Kernbereich privater Lebensgestaltung)

Intimsphäre =

  • Wird materiell bestimmt, also danach, ob der Inhalt anhand Art und Intensität der sozialen Bedeutung oder Beziehung eines jeweiligen Sachverhalts von höchstpersönlichem Charakter ist. 
    z.B. nicht bei Berichten über geplante, nach außen tretende Straftaten in einem Tagebuch
  • Wird nicht formell bestimmt
    z.B. nicht bereits alle Inhalte eines Tagebuchs

Bsp.: Äußerung intimster Gefühle, Ausdrucksformen der Sexualität, Verwertung von Tagebüchern mit höchstpersönlichem Inhalt, Rundumüberwachung (etwa in Psychiatrie)

Rechtfertigung: Keine Rechtfertigung eines Eingriffs möglich, da Ausdruck der unantastbaren Menschenwürde (Art. 1 I GG) und Schutz des Wesensgehalts (Art. 19 III GG).

 

Aufweichung der Sphärentheorie aufgrund unvermeidbarer Eingriffe in die Intimsphäre bei Auswertungen größer (insbesondere digitaler) Datenmengen

Bevor der Staat feststellen kann, welcher Sphäre ein Inhalt zuzuordnen ist, hat er diesen oftmals bereits erhoben (was einen eigenen Eingriff darstellt). Für die Feststellung ist dann eine Sichtung des Inhalts erforderlich (was einen erneuten Eingriff darstellt).

Beispiele: Infiltration eines PCs und anschließendes Filtern der erlangten Daten nach Informationen über Verbrechen, wobei auch pornografische Bilder aus der absolut geschützten Intimsphäre gefunden werden.

Bei strenger Anwendung der Sphärentheorie wären dies unter Umständen zwei nicht rechtfertigbare Eingriffe in die Intimsphäre. Die Sphärentheorie befindet sich daher zunehmend in Auflösung. In Bezug auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das IT-Grundrecht sieht das BVerfG in im Informationszeitalter oft unvermeidbaren Eingriffen in die Intimsphäre daher nicht stets eine Grundrechtsverletzung an, sofern insbesondere die nachfolgenden zusätzlichen Voraussetzungen gegeben sind (nicht abschließend und auch vom konkreten Einzelfall abhängig):

  • Zweckbindung für die erhobenen Daten
  • Einhaltung gewisser Verfahrensgarantien: 
    • Während des Eingriffs:
      Intimsphäre muss bei Erhebung, Auswertung und Verwertung hinreichend, durch unabhängige Stellen oder informationstechnische Sicherungen geschützt sein. 
    • Zumindest nach Eingriff:
      Benachrichtigung und Auskunftsrechte des Betroffenen (nur so gerichtliche Kontrolle gem. Art. 19 IV GG möglich); Existieren von Berichtigungs- und Löschpflichten.
    • Nach dem Eingriff:
      Kein Datenaustausch zwischen Polizei und Nachrichtendiensten (informationelles Trennungsgebot) sowie zwischen sonstigen Behörden nur aufgrund zweier separater Ermächtigungsgrundlagen für Datenübermittlung und Datenabruf (Doppeltürprinzip). 
  • Heimliche Eingriffe zu präventiven (und nicht lediglich repressiven) Zwecken sind nur zulässig, wenn 
    • ...vor dem Eingriff bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut (insb. Leib, Leben und Freiheit der Person) hinweisen und
    • ...grds. vor dem Eingriff – wegen der mit einer Wohnungsdurchsuchung vergleichbaren Eingriffsintensität, s. dafür Art. 13 II GG – eine Anordnung eines Richters oder einer sonstigen unabhängigen und neutralen Instanz vorliegt; Ausnahme für Eilfälle (etwa bei Gefahr im Verzug), wenn jedenfalls für eine anschließende Überprüfung durch eine neutrale Stelle gesorgt ist und
    • ...nach dem Eingriff eine unabhängige Kontrolle (z.B. durch den Bundesdatenschutzbeauftragten) sichergestellt ist.

 

Ggf. Verfassungsmäßigkeit des Einzelakts

Urteil oder Maßnahmen aufgrund des Gesetzes. 

 

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