Prüfungsschema für die von einem anderen Gericht vom Bundesverfassungsgericht erbetene Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit eines entscheidungserheblichen Gesetzes für den konkreten Einzelfall des vorlegenden Gerichts.
Sowohl bei der abstrakten (Art. 92 I Nr. 2 GG), als auch bei der konkreten Normenkontrolle ist ein Gesetz Vorlagegegenstand.
Bei der konkreten Normenkontrolle gibt ein konkreter, vor einem Gericht anhängiger Einzelfall den Anlass für die Vorlage. Vorlageberechtigt ist somit jedes Gericht.
Bei der abstrakten Normenkontrolle wird das Gesetz abstrakt – also losgelöst von einem konkreten Einzelfall – auf seine Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht untersucht. Vorlageberechtigt sind besonders bedeutende Verfassungsorgane (Bundesregierung, Landesregierungen, ¼ der Mitglieder des Bundestages).
Siehe auch die Übersicht: Finden der richtigen verfassungsprozessrechtlichen Verfahrensart sowie die Übersicht über alle klausurrelevanten verfassungsprozessrechtlichen Verfahrensarten.
Gemäß Art. 100 I GG, § 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG ist das BVerfG zuständig für die konkrete Normenkontrolle (auch: ‚Richtervorlage‘).
Vorlageberechtigt ist gem. Art. 100 I 1 GG, § 80 I BVerfGG jedes Gericht.
Gericht = Jeder sachlich unabhängige, staatliche Spruchkörper (Einzelrichter, Kammer, Senat), den ein formelles Gesetz mit Aufgaben der Rechtsprechung betraut und als Gericht bezeichnet.
Art. 100 I 1 GG nennt als tauglichen Vorlagegegenstand ein Gesetz.
Im Rahmen der konkreten Normenkontrolle sind hierunter jedoch nur formelle, nachkonstitutionelle Bundes- oder Landesgesetze zu verstehen.
Formelle Gesetze = Gesetze, die durch das Gesetzgebungsverfahren, das die Verfassung vorschreibt, vom Parlament verabschiedet wurden.
Argument:
Nachkonstitutionelle Gesetze = Gesetze, die nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes (24.05.1949) vom parlamentarischen Gesetzgeber
Argument für die Zulässigkeit von vorkonstitutionellen Gesetzen, die „in seinen Willen aufgenommen“ wurden:
Durch die Änderungen bringt der demokratisch legitimierte Gesetzgeber einen Bestätigungswillen der vorhandenen Normen zum Ausdruck, der respektiert werden muss - sodass die Instanzgerichte diese Normen also nicht selbst verwerfen dürfen, sondern vorlegen können und müssen.
Art. 100 I GG hat eine sehr sperrige, differenzierende Formulierung, die dem Umstand geschuldet ist, dass das BVerfG nicht auf die Unvereinbarkeit von Landesrecht mit den Landesverfassungen prüft. Hierfür sehen die Landesverfassungen eigene Verfahren vor den Verfassungsgerichtshöfen der Länder vor.
Objektiv erforderlich ist die Unvereinbarkeit des Gesetzes mit höherrangigem Recht (excl. der Landesverfassungen), d.h.:
In subjektiver Hinsicht muss das Gericht von der Unvereinbarkeit mit höherrangigem deutschem Recht überzeugt sein. Nicht ausreichend sind bloße Zweifel bezüglich der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht. Argumente:
Andernfalls muss es die Norm anwenden. So auch, wenn das Gericht eine verfassungskonforme Auslegung für möglich hält (d.h. die Norm bietet Auslegungsspielräume und zumindest eine mögliche Auslegung ist nach Ansicht des Gerichts mit der Verfassung vereinbar).
Das Gericht muss nach Art. 100 I 1 GG ein Gesetz vorlegen, „auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt“ (Entscheidungserheblichkeit).
Entscheidungserheblichkeit eines Gesetzes = Die Entscheidung würde bei Gültigkeit des Gesetzes / der Norm anders ausfallen als bei deren Ungültigkeit.
Dies ist z.B. nicht der Fall, wenn:
Die konkrete Normenkontrolle ist nicht fristgebunden.
Da die konkrete Normenkontrolle nicht fristgebunden ist, kann dieser Prüfungspunkt auch weggelassen werden. Er zeigt lediglich, dass bekannt ist, dass andere Verfahrensarten vor dem BVerfG fristgebunden sind.
Prüfung auf Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, d.h.:
BVerfG prüft nicht auf Vereinbarkeit mit Landesverfassungen. Hierfür sehen die Landesverfassungen eigene Verfahren vor den Landesverfassungsgerichten vor.
Siehe hierzu ausführlich das Schema Gesetzgebungsverfahren, Art. 70 ff. GG
Das BVerfG beschränkt sich nach st. Rspr. nicht darauf, die Verfassungsmäßigkeit einer Norm nur vom Blickpunkt des vorlegenden Gerichts und seiner verfassungsrechtlichen Bedenken aus zu erörtern. Es prüft die Norm vielmehr unter allen denkbaren verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten. Prüfungsmaßstab sind somit sämtliche Bestimmungen des Grundgesetzes.
Das BVerfG entscheidet nicht den vorgelegten Ausgangsfall, sondern lediglich die Rechtsfrage der Vereinbarkeit der vorgelegten Norm mit dem höherrangigen Recht (§ 81 BVerfGG).
Tenor, wenn Antrag zulässig und begründet:
Grundsatz
Nichtigkeitserklärung des Gesetzes (§ 78 BVerfGG) mit Wirkung auch für die Vergangenheit (ex tunc).