Prüfungsschema für Streitigkeiten von insb. obersten Bundesorganen vor dem Bundesverfassungsgericht aufgrund von Verletzungen ihrer verfassungsrechtlichen Rechte.
Sowohl beim Organstreitverfahren, als auch beim Bund-Länder-Streit geht es um die Rechte und Pflichten der beteiligten Organe aus Anlass einer Maßnahme oder Unterlassung.
Beim Organstreitverfahren sind beide Parteien auf Bundesebene angesiedelt (horizontaler Streit), beim Bund-Länder-Streit ist je eine Partei auf Bundes- und eine auf Landesebene angesiedelt (vertikaler Streit).
Aufgrund der Ähnlichkeit beider Verfahrensarten verweist der Bund-Länder-Streit daher (mit der einzig relevanten Ausnahme der Parteifähigkeit von Bund und Ländern, § 68 BVerfGG) in § 69 BVerfGG auf die Vorschriften der §§ 64 - 67 BVerfG (also die Vorschriften des Organstreitverfahrens).
Siehe auch die Übersicht: Finden der richtigen verfassungsprozessrechtlichen Verfahrensart sowie die Übersicht über alle klausurrelevanten verfassungsprozessrechtlichen Verfahrensarten.
Gemäß Art. 93 I Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG ist das BVerfG für das Organstreitverfahren zuständig.
Das Organstreitverfahren ist ein sog. kontradiktorisches Verfahren. Im Unterschied zu objektiven Rechtsbeanstandungsverfahren stehen sich hier zwei Parteien gegenüber, die beide parteifähig sein müssen.
Sowohl Antragsteller als auch Antragsgegner müssten parteifähig sein. Parteifähig sind:
Art. 93 I Nr. 1 GG (Vorrang: lex superior) |
§ 63 BVerfG |
„Oberstes Bundesorgan“ (keine Aufzählung) |
Aufgezählte oberste Bundesorgane |
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h.M.: Rückgriff auf Art. 93 I Nr. 1 GG, da wg. lex superior keine einfachgesetzliche Verengung des Verfassungsrechts; |
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„Andere Beteiligte, die im GG oder der GO eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind“ |
„Teile dieser Organe, die im GG oder in der GO des BT und des BRates mit eigenen Rechten ausgestattet sind“ |
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Sind Abgeordnete nach § 63 BVerfGG parteifähig? BVerfG: (-) Nur „ständige Gliederungen“ wie Fraktionen; Aber h.M: Rückgriff auf Art. 93 I Nr. 1 GG, da wg. lex superior keine einfachgesetzliche Verengung des Verfassungsrechts; § 63 BVerfGG verfassungskonform auszulegen (nur beispielhaft). |
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(-) Aber h.M.: Rückgriff auf Art. 93 I Nr. 1 GG (s.o.) |
„Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners“ (§ 64 I BVerfGG)
Rechtserheblich = geeignet, die Rechtsstellung des Antragstellers zu beeinträchtigen
Antragsteller muss (1.) in einem „durch das Grundgesetz übertragenen“, (2.) eigenen („er oder das Organ, dem er angehört“) Recht (3.) durch die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung (h.M.: möglicherweise) „verletzt oder unmittelbar gefährdet“ sein (§ 64 I BVerfGG).
Es muss sich um ein eigenes Recht des Antragsstellers oder des Organs, dem er angehört, handeln.
Ist eine Prozessstandschaft im Organstreitverfahren möglich?
BVerfG:
Im Unterschied zur Begründetheit ist keine vollständige Prüfung einer Rechtsverletzung nötig. Diese muss jedoch zumindest möglich erscheinen (Möglichkeitstheorie). In der Klausur sollte hier knapp auf das gleiche Recht abgestellt werden, das später ausführlich unter B. in der Begründetheit geprüft wird.
Das Merkmal dient der Aussonderung ganz offensichtlich unbegründeter Fälle, für die keinerlei Betroffenheit irgendeiner Rechtsposition ersichtlich ist (z.B. Abgeordneter A hält der Abgeordneten B nie die Tür auf).
Möglichkeit der Verletzung = Diese ist nicht von vornherein, unter jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen (Möglichkeitstheorie)
Unmittelbare Rechtsgefährdung = Solch sachliche und zeitliche Konkretisierung, dass ohne Eingreifen mit großer Wahrscheinlichkeit eine Verletzung eintreten wird
Der Prüfungspunkt ‚allgemeines Rechtsschutzbedürfnis‘ wird regelmäßig vermutet und daher oft weggelassen. Er sollte angesprochen werden, wenn sich im Sachverhalt konkrete Anhaltspunkte für sein Fehlen ergeben.
Der Antrag ist begründet, soweit die angegriffene Maßnahme / Unterlassung gegen eine Bestimmung des GG verstößt und den Antragsteller folglich in seinen grundgesetzlichen Rechten verletzt.
Was ist von der in Rede stehenden Norm konkret umfasst?
z.B. umfasst Art. 38 I 2 GG die Freiheit des Mandats, i.e. die Freiheit keinen Weisungen unterworfen zu sein
Welche Maßnahme beeinträchtigt diese Freiheit wie genau?
z.B. die Weisung einer Fraktion auf eine gewisse Art und Weise abzustimmen
Welche kollidierenden Rechtsgüter können diese Beeinträchtigung rechtfertigen?
z.B. die Rechte der anderen Abgeordneten aus Art. 38 I 2 GG, sich zu einer einheitlich und geschlossen auftretenden Fraktion zusammenzuschließen
Tenor, wenn Antrag zulässig und begründet:
Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Maßnahme / des Unterlassens des Antragsgegners (§ 67 S. 1 BVerfGG).