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GG  
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Öffentliches RechtVerfassungsrecht

Staatsrecht I: Staatsorganisationsrecht

(1) Der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der folgenden Steuern stehen dem Bund zu:
1.
die Zölle,
2.
die Verbrauchsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 2 den Ländern, nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam oder nach Absatz 6 den Gemeinden zustehen,
3.
die Straßengüterverkehrsteuer, die Kraftfahrzeugsteuer und sonstige auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Verkehrsteuern,
4.
die Kapitalverkehrsteuern, die Versicherungsteuer und die Wechselsteuer,
5.
die einmaligen Vermögensabgaben und die zur Durchführung des Lastenausgleichs erhobenen Ausgleichsabgaben,
6.
die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer,
7.
Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften.
(2) Das Aufkommen der folgenden Steuern steht den Ländern zu:
1.
die Vermögensteuer,
2.
die Erbschaftsteuer,
3.
die Verkehrsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 1 dem Bund oder nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam zustehen,
4.
die Biersteuer,
5.
die Abgabe von Spielbanken.
(3) Das Aufkommen der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer steht dem Bund und den Ländern gemeinsam zu (Gemeinschaftsteuern), soweit das Aufkommen der Einkommensteuer nicht nach Absatz 5 und das Aufkommen der Umsatzsteuer nicht nach Absatz 5a den Gemeinden zugewiesen wird. Am Aufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer sind der Bund und die Länder je zur Hälfte beteiligt. Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer werden durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, festgesetzt. Bei der Festsetzung ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
1.
Im Rahmen der laufenden Einnahmen haben der Bund und die Länder gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben. Dabei ist der Umfang der Ausgaben unter Berücksichtigung einer mehrjährigen Finanzplanung zu ermitteln.
2.
Die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder sind so aufeinander abzustimmen, daß ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird.
Zusätzlich werden in die Festsetzung der Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer Steuermindereinnahmen einbezogen, die den Ländern ab 1. Januar 1996 aus der Berücksichtigung von Kindern im Einkommensteuerrecht entstehen. Das Nähere bestimmt das Bundesgesetz nach Satz 3.
(4) Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer sind neu festzusetzen, wenn sich das Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder wesentlich anders entwickelt; Steuermindereinnahmen, die nach Absatz 3 Satz 5 in die Festsetzung der Umsatzsteueranteile zusätzlich einbezogen werden, bleiben hierbei unberücksichtigt. Werden den Ländern durch Bundesgesetz zusätzliche Ausgaben auferlegt oder Einnahmen entzogen, so kann die Mehrbelastung durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, auch mit Finanzzuweisungen des Bundes ausgeglichen werden, wenn sie auf einen kurzen Zeitraum begrenzt ist. In dem Gesetz sind die Grundsätze für die Bemessung dieser Finanzzuweisungen und für ihre Verteilung auf die Länder zu bestimmen.
(5) Die Gemeinden erhalten einen Anteil an dem Aufkommen der Einkommensteuer, der von den Ländern an ihre Gemeinden auf der Grundlage der Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohner weiterzuleiten ist. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Es kann bestimmen, daß die Gemeinden Hebesätze für den Gemeindeanteil festsetzen.
(5a) Die Gemeinden erhalten ab dem 1. Januar 1998 einen Anteil an dem Aufkommen der Umsatzsteuer. Er wird von den Ländern auf der Grundlage eines orts- und wirtschaftsbezogenen Schlüssels an ihre Gemeinden weitergeleitet. Das Nähere wird durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt.
(6) Das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer steht den Gemeinden, das Aufkommen der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern steht den Gemeinden oder nach Maßgabe der Landesgesetzgebung den Gemeindeverbänden zu. Den Gemeinden ist das Recht einzuräumen, die Hebesätze der Grundsteuer und Gewerbesteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen. Bestehen in einem Land keine Gemeinden, so steht das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern dem Land zu. Bund und Länder können durch eine Umlage an dem Aufkommen der Gewerbesteuer beteiligt werden. Das Nähere über die Umlage bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Nach Maßgabe der Landesgesetzgebung können die Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie der Gemeindeanteil vom Aufkommen der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer als Bemessungsgrundlagen für Umlagen zugrunde gelegt werden.
(7) Von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftsteuern fließt den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hundertsatz zu. Im übrigen bestimmt die Landesgesetzgebung, ob und inwieweit das Aufkommen der Landessteuern den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließt.
(8) Veranlaßt der Bund in einzelnen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) besondere Einrichtungen, die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) unmittelbar Mehrausgaben oder Mindereinnahmen (Sonderbelastungen) verursachen, gewährt der Bund den erforderlichen Ausgleich, wenn und soweit den Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) nicht zugemutet werden kann, die Sonderbelastungen zu tragen. Entschädigungsleistungen Dritter und finanzielle Vorteile, die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) als Folge der Einrichtungen erwachsen, werden bei dem Ausgleich berücksichtigt.
(9) Als Einnahmen und Ausgaben der Länder im Sinne dieses Artikels gelten auch die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden (Gemeindeverbände).
Quelle: BMJ
Import:
LexMea

Prüfungsschema Freiheitsgrundrechte

Allgemeines Prüfungsschema für Freiheitsgrundrechte (z.B. Handlungsfreiheit, Versammlungsfreiheit u. dergl.) als Abwehrrechte der Bürger gegen den Staat.

 

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Schutzbereich
  3. Persönlicher Schutzbereich
  4. Natürliche Personen
  5. Juristische Personen
  6. Sachlicher Schutzbereich
  7. Eingriff
  8. Rechtfertigung
  9. Einschränkbarkeit des Grundrechts (‚Schranke‘)
  10. Geschrieben 
  11. Einfacher Gesetzesvorbehalt
  12. Qualifizierter Gesetzesvorbehalt
  13. Verfassungsunmittelbare Schranken
  14. Ungeschrieben: Verfassungsimmanente Schranken (h.M.)
  15. Grenzen der Einschränkbarkeit (‚Schranken-Schranken‘)
  16. Formelle Verfassungsmäßigkeit
  17. Zuständigkeit: Gesetzgebungszuständigkeit
  18. Verfahren: Gesetzgebungsverfahren
  19. Form: Ausfertigung und Verkündung
  20. Materielle Verfassungsmäßigkeit
  21. Allgemeine materielle Anforderungen
  22. Verhältnismäßigkeit des Gesetzes
  23. Legitimer Zweck
  24. Geeignetheit
  25. Erforderlichkeit
  26. Angemessenheit (auch: ‚Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (i.e.S.)‘)
  27. Sofern vorhanden: Verfassungsmäßigkeit des Einzelaktes

 

Schutzbereich

Persönlicher Schutzbereich

Natürliche Personen

Der persönliche Schutzbereich hängt davon ab, ob es sich um ein ‚Jedermanngrundrecht‘ (auch ‚Menschenrecht‘) oder ein ‚Deutschengrundrecht‘ (auch ‚Bürgerrecht‘) handelt:

    • Jedermanngrundrechte
      Sofern nicht im Wortlaut anders bestimmt, gelten Grundrechte grundsätzlich für alle natürlichen Personen.

    • Deutschenrechte
      Manche Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte sind ihrem Wortlaut nach explizit auf „alle Deutschen" beschränkt (s. Art. 8, 9 I, 11, 12 I, 16, 20 IV, 33 I – III GG).
      • Deutsche
        Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist, vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, insb. wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (Art. 116 I GG).

      • Ausländer
        Ausländische Staatsbürger können sich nicht auf Deutschengrundrechte berufen; hier kommt ein Rückgriff auf die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) als ‚Auffanggrundrecht‘ in Betracht, das unter Umständen nicht dasselbe Schutzniveau bietet.

      • EU-Bürger
        Ob sich EU-Bürger auf Deutschengrundrechte berufen können ist umstritten (s. Problembox).

Können sich EU-Ausländer auf die Deutschengrundrechte berufen? 

  • e.A.: (+) Ja
    (pro) Systematik: Art. 18 I AEUV verbietet innerhalb der Europäischen Union die Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. 

  • h.Lit.: (-) Nein, aber Art. 2 I GG fungiert in angereicherter Form als Auffanggrundrecht
    Anwendung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) als Auffanggrundrecht aber unter Übernahme der Spezifika des sonst einschlägigen Grundrechts (z.B. besondere Schranken-Schranken wie etwa Drei-Stufen-Theorie der Berufsfreiheit) mit also im Ergebnis gleichem Schutzniveau.
    (pro) Wortlaut: Deutschengrundrechte gelten dem Wortlaut nach nur für Deutsche i.S.d. Art. 116 I GG; Systematik: Auch so im Ergebnis, ob des gleichen Schutzniveaus keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit i.S.d. Art. 18 I AEUV.

Juristische Personen

Siehe hierzu ausführlich die Übersicht: Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen bei Art. 19 III GG.

 

Sachlicher Schutzbereich

Je nach Grundrecht unterschiedliche Schutzgüter (z.B. Leben, Art. 2 II 1 GG; Eigentum, Art. 14 I GG) oder Tätigkeiten (z.B. Äußern und Verbreiten der eigenen Meinung, Art. 5 I GG).

 

Eingriff

Zuerst sollte das Vorliegen eines ‚klassischen Eingriffs‘ geprüft werden; nur wenn ein Merkmal nicht erfüllt ist, sollte auf den ‚modernen Eingriffsbegriff‘ eingegangen werden.

 

Eingriff = Jedes staatliche Handeln, das zur Beeinträchtigung des Schutzbereichs führt und zusätzlich nach dem...

  • klassischen Eingriffsbegriff folgende Merkmale aufweist (Eselsbrücke: ‚furz‘)
    • final (zielgerichtet; nicht bloß unbeabsichtigte Nebenfolge eines auf andere Ziele gerichteten Staatshandelns)
    • unmittelbar (nicht bloß mittelbare Folge / über Zwischenschritte)
    • rechtsförmig (nicht bloß faktisch, durch Realakte wie z.B. Warnhinweise)
    • zwangsförmig (mit Befehl / Zwang angeordnet und durchsetzbar) ist.

 

  • modernen Eingriffsbegriff (auch: ‚neuer Eingriffsbegriff‘) ein „funktionales Äquivalent" zu einem klassischen Eingriff darstellt.
    Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Eingriff eines der folgenden Merkmale aufweist:
    • besondere Intensität,
    • besondere Finalität oder
    • besondere Zurechenbarkeit (meist definiert als Kausalität plus Vorhersehbarkeit).

Beispiel: Das Gesundheitsministerium warnt auf seiner Homepage vor dem mit Glykol versetzten Wein des Herstellers X, der infolgedessen Umsatzeinbrüche erleidet und bankrott geht. Unter anderem mangels Unmittelbarkeit (mittelbare Kundenentscheidung nicht mehr zu kaufen) und Rechtsförmigkeit liegt kein klassischer Eingriff vor. Es handelt sich jedoch um ein funktionales Äquivalent, da besondere Intensität (Weinhersteller geht Bankrott) und Finalität (es wird gerade vor einem bestimmten Weinhersteller gewarnt) vorliegen. 

Beachte, dass manche Grundrechte Besonderheiten in der Eingriffsdogmatik aufweisen. Art. 12 I GG erfordert z.B. zusätzlich eine „berufsregelnde Tendenz" und Art. 14 I GG eine „eigentumsrelevante Maßnahme".

 

Rechtfertigung

Einschränkbarkeit des Grundrechts (‚Schranke‘)

Bis auf die Menschenwürde aus Art. 1 I GG („unantastbar") sind alle Grundrechte einschränkbar (auch wenn sich dies aus dem Wortlaut nicht unmittelbar ergibt).

Geschrieben 

Einfacher Gesetzesvorbehalt

Enthält das Grundrecht selbst einen einfachen Gesetzesvorbehalt (Formulierungen z.B. „durch Gesetz" oder „auf Grund eines Gesetzes"), ist ein formelles Gesetz für die Einschränkung erforderlich (Verordnungen oder Satzungen sind also nicht ausreichend).

Beispiele sind:

    • Art. 2 II 3 GG
    • Art. 10 II 1 GG
Qualifizierter Gesetzesvorbehalt

Enthält das Grundrecht selbst einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt, ist ebenfalls ein formelles Gesetz erforderlich, das jedoch den zusätzlichen im Grundrecht genannten materiellen Voraussetzungen genügen muss.

Beispiele sind:

    • Art. 5 II GG (Gesetz muss z.B. ‚allgemein‘ sein)
    • Art. 10 II 2 GG (Gesetz muss z.B. dem Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung dienen)
    • Art. 11 II GG (Gesetz muss z.B. erforderlich sein, um strafbaren Handlungen vorzubeugen)
Verfassungsunmittelbare Schranken

Das Grundrecht enthält bereits selbst (verfassungsunmittelbar) die Eingriffsgrundlage. Nach h.M. braucht es daher keine gesetzliche Grundlage mehr (a.A.: formelles Gesetz wg. allgemeinem Gesetzesvorbehalt). Beispiele sind:

    • Art. 9 II GG (Verbot von Vereinigungen, deren Zwecke den Strafgesetzen zuwiderlaufen)
    • Art. 13 VII 1. HS GG (Eingriffe und Beschränkungen zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen)

 

Ungeschrieben: Verfassungsimmanente Schranken (h.M.)

Auch wenn das Grundrecht keine expliziten (geschriebenen) Einschränkungsmöglichkeiten vorsieht, ist eine solche nach allen gängigen Theorien möglich.

Sind Grundrechte ohne geschriebene Einschränkungsmöglichkeiten doch einschränkbar?

  • h.M.: (+) Ja, es existieren verfassungsimmanente Schranken in Form des kollidierenden Verfassungsrechts
    (pro) Systematik: Auslegung eines Grundrechts im Lichte der anderen GG-Normen; soziale Dimension der Grundrechte.
    • Erforderlich ist eine gesetzliche Grundlage zur Einschränkung.
    • Legitimer Zweck kann nicht jeder von der Verfassung anerkannte Zweck sein, sondern lediglich der Schutz kollidierenden Verfassungsrechts in Form von Grundrechten Dritter und sonstigen Verfassungsgütern (z.B. Rechtsstaatlichkeit oder Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen).
  • e.A.: (+) Ja, nach der Theorie der Schrankenübertragung / Schrankenleihe von anderen Grundrechten
    (con) Wortlaut / Systematik / Historie: Bewusst differenzierte Ausgestaltung der Grundrechte spricht dagegen, die Schranken aus fremden Grundrechten zu übertragen.

  • a.A.: (+) Ja, aufgrund einer 'Gemeinwohlklausel'
    (pro) Systematik: Gesetzlicher Anknüpfungspunkt ist Art. 20 GG als 'Gemeinwohlklausel', denn Grundrechte dienen aufgrund ihrer sozialen Dimension nie nur individuellen Interessen.

Wenn man schon Einschränkungsmöglichkeiten für Grundrechte annimmt, in denen das Grundgesetz dies nicht geschrieben vorsieht, sind dafür (nach allen Ansichten) mindestens die Voraussetzungen der geschriebenen einfachen Gesetzesvorbehalte erforderlich. Es bedarf also auch hier zumindest eines formellen Gesetzes.

 

Grenzen der Einschränkbarkeit (‚Schranken-Schranken‘)

Formelle Verfassungsmäßigkeit

Siehe ausführlich hierzu das Schema Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes / Gesetzgebungsverfahren (insb. Art. 70 ff. GG).

Zuständigkeit: Gesetzgebungszuständigkeit
Verfahren: Gesetzgebungsverfahren
Form: Ausfertigung und Verkündung

 

Materielle Verfassungsmäßigkeit

Allgemeine materielle Anforderungen
  • Zitiergebot (Art. 19 I 2 GG)
    • Zweck
      Warn- und Besinnungsfunktion für den Gesetzgeber = Anhalten des Gesetzgebers, Notwendigkeit und Ausmaß von Grundrechtseingriffen in öffentlicher Debatte zu klären

    • Anwendungsbereich
      Wird durch BVerfG (Lit. teilw. a.A.) restriktiv ausgelegt, um nicht zur bloßen Formsachen zu verkommen (Gesetzgeber würde jedes Mal schreiben: „Art. 1 - 16 GG werden eingeschränkt") und gilt nicht für im Grundrecht selbst vorgesehene Regelungsaufträge, Inhaltsbestimmungen oder Schrankenziehungen (Allg. Handlungsfreiheit, APR, Meinungsfreiheit, Berufsfreiheit, Inhaltsbestimmungen des Eigentums).

    • Inhalt
      Gesetz muss die Grundrechte, in die eingegriffen wird, benennen (zitieren).

Aufbauhinweis: Das Zitiergebot wird teilweise auch unter dem Punkt „formelle Verfassungsmäßigkeit" geprüft.

 

  • Verbot des Einzelfallgesetzes (Art. 19 I 1 GG)
    • Zweck
      Gewaltenteilung (Art. 20 II GG) behält der Verwaltung Regelung von Einzelfällen vor; Verhinderung einseitiger Grundrechtsprivilegierungen bzw. Diskriminierungen.

    • Inhalt
      Das Gesetz muss allgemein und darf nicht nur für den Einzelfall gelten.

 

  • Verbot der Einschränkung des Wesensgehaltes (Art. 19 II GG)
    • Zweck
      Schutz vor einem zur vollständigen Entleerung und praktischen Auslöschung des Grundrechts führenden Eingriff des Gesetzgebers.

    • Inhalt
      Verhaltensweisen oder sonstige Bestandteile, die wesentlich für die Verwirklichung des Grundrechts sind, dürfen nicht verboten bzw. entzogen werden. Wesensgehalt muss nicht nur für jedes Grundrecht, sondern sogar für jeden Fall einzeln bestimmt werden (Theorie vom relativen Wesensgehalt; str.).

 

  • Bestimmtheitsgebot (allg.: Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 III GG; speziell für Strafgesetze, Art. 103 II GG)
    • Zweck
      Rechtssicherheit; Vorhersehbarkeit; keine übermäßige Übertragung von Aufgaben der Gesetzeskonkretisierung an die Exekutive.

    • Inhalt
      Gesetzgeber muss Vorschriften so klar fassen, dass die Rechtslage für den Betroffenen erkennbar ist und er sein Verhalten daran ausrichten kann.

 

  • Rückwirkungsverbot (allg.: Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 III GG; speziell für Strafgesetze: Art. 103 II GG)
    • Echte Rückwirkung
      Sachverhalt ist in der Vergangenheit abgeschlossen. Grundsätzlich unzulässig; aber stets Einzelfallabwägung zwischen dem schützenswerten Vertrauen in den Bestand der Rechtsordnung und dem Gewicht des Schutzgutes für das nachträglich verändernde Maßnahmen erlassen werden.
      Beispiel: Erhöhung der Erwerbssteuer für Dieselfahrzeuge
    • Unechte Rückwirkung
      Sachverhalt hat in der Vergangenheit begonnen und dauert noch an. Grundsätzlich zulässig; aber auch hier Einzelfallabwägung.
      Beispiel: Erhöhung der laufenden KFZ-Steuer für Dieselfahrzeug

 

Verhältnismäßigkeit des Gesetzes
Legitimer Zweck

Grds. jedes öffentliche Interesse, das verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen ist.

Geeignetheit

Das Ziel kann grundsätzlich durch das Mittel erreicht werden.

Erforderlichkeit

Es existiert kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Erreichung des Ziels.

Angemessenheit (auch: ‚Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (i.e.S.)‘)

Abwägung zwischen dem Rechtsgut, zu dessen Schutz der Eingriff erfolgt (legitimer Zweck) und der Intensität des Eingriffs in das betroffene Rechtsgut.

Häufig bietet es sich an, die Abwägung wie folgt zu strukturieren:

  • 1. Gewichtung des zu schützenden Rechtsgutes
  • 2. Gewichtung des betroffenen Rechtsgutes und des Eingriffs
  • 3. Abwägung mit dem Ziel der „praktischen Konkordanz" (= widerstreitende Positionen sollen möglichst schonend miteinander in Ausgleich gebracht werden, sodass keines der Rechtsgüter völlig zurücktritt, sondern beide möglichst umfangreich zur Geltung kommen).

Hier liegt in aller Regel der Schwerpunkt der Klausur. Dies sollte bei der Zeiteinteilung unbedingt berücksichtigt werden.

 

Sofern vorhanden: Verfassungsmäßigkeit des Einzelaktes

Beispiele: Verwaltungsakte, Verordnungen oder Urteile

  • Vereinbarkeit mit gesetzlicher Grundlage
    Das BVerfG ist keine Superrevisionsinstanz und prüft daher nicht vollständig die richtige Anwendung des einfachen Rechts, sondern vielmehr nur die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts. Allerdings wird in der Verletzung wesentlicher Voraussetzungen der Rechtsgrundlage auch ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG) liegen.
  • Insbesondere Verhältnismäßigkeit
    • Legitimer Zweck
    • Geeignetheit
    • Erforderlichkeit
    • Verhältnismäßigkeit

 

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