Prüfungsschema für die Stellvertretung bei Willenserklärungen (z.B. bei Vertragsschluss). Erforderlich ist die Abgabe einer eigenen Willenserklärung, dies muss in fremdem Namen geschehen und der Stellvertreter muss mit Vertretungsmacht handeln. Die Vertretungsmacht kann sich aus Gesetz, Rechtsgeschäft oder Rechtsschein ergeben.
Auf die Zulässigkeit der Stellvertretung ist im Rahmen eines Gutachtens nur einzugehen, sofern hieran Zweifel bestehen.
Wer ist Vertragspartner bei Handeln unter fremden Namen?
Namenstäuschung
Beispiel: Gast checkt unter falschem Namen in Standard-Hotelzimmer ein und zahlt bar. Dem Hotel ist der Name des Gastes gleichgültig.
→ Geschäft des Handelnden, wenn die Nutzung des falschen Namens keine Fehlvorstellung über die Identität auslöst (h.M.).
Identitätstäuschung
Beispiel: Gast checkt unter dem Namen eines Stammgastes in Senior-Suite ein und wird vom Personal für diesen gehalten.
→ Geschäft des Namensträgers, wenn Verwendung beim Adressaten zur falschen Vorstellung über die Identität führt (h.M.). Regelm. liegt Stellvertretung ohne Vertretungsmacht vor (s.u.).
Bei Bargeschäften des täglichen Lebens ist dem Vertragspartner die Person des Vertragsschließenden regelm. gleichgültig, sodass eine Offenlegung der Stellvertretung nicht erforderlich ist.
Die WE wird dem Vertretenen zugerechnet, wenn Stellvertreter mit Vertretungsmacht gehandelt hat.
Die Vertretungsmacht kann sich aus gesetzlichen Vorschriften ergeben.
Beispiele:
Gesetzlich geregelte Fälle eines zurechenbaren Rechtsscheintatbestandes:
Geschäftspartner hatte keine Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von Erlöschen der Vertretungsmacht (Gutgläubigkeit).
Geschäftspartner hätte Rechtsgeschäft bei Kenntnis der wahren Rechtslage nicht abgeschlossen.
Geschäftsherr kennt und duldet Auftreten des vermeintlichen Stellvertreters trotz Verhinderungsmöglichkeit.
Geschäftspartner hatte keine Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von Fehlen der Vertretungsmacht (Gutgläubigkeit).
Geschäftspartner hätte Rechtsgeschäft bei Kenntnis der wahren Rechtslage nicht abgeschlossen.
Stellt die Anscheinsvollmacht einen rechtlich anerkannten Fall der Vertretungsmacht dar?
h.M.: (+) Anscheinsvollmacht anerkannt
(pro) Telos: Vertrauensschutz im Rechtsverkehr; Mangel für Erklärungsempfänger nicht erkennbar.
(pro) Systematik: Auch bei ‚potentiellem Erklärungsbewusstsein‘ reicht fahrlässiges Verhalten (nach h.M.) für Fiktion einer WE aus; §§ 170 – 172 BGB zeigen, dass fahrlässiges Verhalten zum (Fort-)Bestand einer Vollmacht führen können.
a.A.: (-) Anscheinsvollmacht nicht anerkannt
(pro) Systematik:
Privatautonomie; anders als bei Duldungsvollmacht hier keine Anknüpfung an Willensakt des Vertretenen; Fahrlässigkeit stellt keine WE dar.
Bei §§ 170 – 172 BGB besteht Anlass für Vertretenen zu besondere Sorgfalt; hier nicht
Gesetzgeber hat in §§ 177-179 BGB Regelungen für Vertreter ohne Vertretungsmacht geschaffen, die Dritten schützen.
Sorgfaltspflichtverletzungen sind durch SE zu kompensieren; in Betracht kommt Schadensersatz wegen c.i.c. gem. §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB; Haftung des Geschäftsherrn auf Vertrauensschaden beschränkt.
Geschäftspartner hatte keine Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von Fehlen der Vertretungsmacht (Gutgläubigkeit).
Geschäftspartner hätte Rechtsgeschäft bei Kenntnis der wahren Rechtslage nicht abgeschlossen.
Str. ob neben o.g. Tatbeständen noch generelle Rechtsscheinshaftung in Betracht kommt; die h.M. wendet den die Grundsätze jedenfalls im kaufmännischen Rechtsverkehr an.
Geschäftsherr setzt in zurechenbarer Weise den Rechtsschein einer Vollmacht.
Geschäftspartner hatte keine Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von Fehlen der Vertretungsmacht (Gutgläubigkeit).
Geschäftspartner hätte Rechtsgeschäft bei Kenntnis der wahren Rechtslage nicht abgeschlossen.
Ist die Anfechtung der ausgeübten Innenvollmacht möglich?
e.A.: (-) Nein, die ausgeübte Innenvollmacht ist grds. nicht anfechtbar
Anfechtung nur möglich, wenn Mangel auf Vertretergeschäft durchschlägt.
(pro) Systematik: Geschäftspartner würde sonst Ansprüche gg. Vertretenen verlieren; Geschäftspartner steht auch kein Schadensersatz aus § 122 BGB zu, da dieser nicht Anfechtungsgegner ist; Telos: Geschäftspartner ist schutzwürdiger als Vertretener.
h.M.: (+) Ja, die ausgeübte Innenvollmacht ist anfechtbar
(pro) Systematik: Geschäftspartner wird durch Anspruch gg. Vertreter nach § 179 BGB geschützt und erhält Anspruch gegen Vertretenen analog § 122 BGB; Gutgläubiger Vertreter kann sich bei Vertretenem durch Schadensersatzanspruch nach § 122 BGB schadlos halten.
Ist die Anfechtung von Rechtsscheinsvollmachten möglich?
e.A.: (-) Nein, keine Anfechtung möglich
(pro) Da die Erteilung nicht durch WE erfolgt, kommen Willensmängel nicht in Betracht
a.A.: (+) Ja, Anfechtung möglich
(pro) Rechtsscheinsvollmacht soll nicht weiter reichen als tatsächliche Vollmacht.
Die Willenserklärung des Stellvertreters wird dem Vertretenen zugerechnet.