Prüfungsschema zur Geschäftsfähigkeit natürlicher Personen nach §§ 104 ff. BGB. Nur wer insoweit geschäftsfähig ist, kann eine wirksame Willenserklärung abgeben.
Die Wirksamkeit der Willenserklärung richtet sich nach der Geschäftsfähigkeit des Abgebenden / Annehmenden.
Geschäftsfähigkeit = die Fähigkeit, selbst Willenserklärungen wirksam abzugeben oder in Empfang zu nehmen
Die Geschäftsfähigkeit ist insbesondere abzugrenzen von:
Rechtsfähigkeit = die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein
§ 1 BGB: ab Vollendung der Geburt
Testierfähigkeit = Unterart der Geschäftsfähigkeit
§ 2229 BGB: mind. 16 Jahre, keine Geistesstörung
Ehefähigkeit = Unterart der Geschäftsfähigkeit
§§ 1303, 1304 BGB: mindestens 18 Jahre
Deliktsfähigkeit (iSd §§ 823 ff. BGB) = die deliktsrechtliche Haftbarkeit
§ 828 BGB: mindestens 7 Jahre, Einschränkungen bis 17 Jahre
Schuldfähigkeit = die strafrechtliche Verantwortungsreife
§ 19 StGB: mindestens 14 Jahre
Grundsätzlich geht das Gesetz von der unbeschränkten Geschäftsfähigkeit nach der Vollendung des 18. Lebensjahres aus (§§ 2, 106 BGB).
Gem. § 104 BGB bestehen zwei Fallgruppen der Geschäftsunfähigkeit:
Rechtsfolge ist die Nichtigkeit der Willenserklärung (§ 105 I BGB). Die Erkennbarkeit für den Geschäftspartner ist unerheblich, da der Schutz des Geschäftsunfähigen Vorrang hat.
Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens durch eine volljährige geschäftsunfähige Person gelten mit Bewirkung der Leistung und Gegenleistung als wirksam, wenn nicht eine erhebliche Gefahr für dessen Person oder Vermögen besteht (§ 105a BGB).
Auch eine vorübergehende Störung der Geistestätigkeit kann zur Nichtigkeit von Willenserklärungen führen (§ 105 II BGB).
Bsp.: Trunkenheit mit einer Alkoholkonzentration von mehr als 3,0 ‰, Intoxikation, Fieber, Hypnose
Beschränkt geschäftsfähig sind gem. §§ 2, 106 BGB Personen nach Vollendung des siebten Lebensjahres und vor Vollendung des 18. Lebensjahres, also im Alter von 7 bis 17 Jahren.
Die Wirksamkeit von Willenserklärungen richtet sich nach §§ 107 bis 113 BGB.
Willenserklärungen beschränkt Geschäftsfähiger sind von Anfang an wirksam, wenn diese lediglich rechtlich vorteilhaft sind (§ 107 BGB).
Entgegen Wortlaut des § 107 BGB sieht die ganz hM auch rechtlich neutrale Rechtsgeschäfte als wirksam an, da auch hier der Schutz des Minderjährigen gewahrt bleibt.
Bsp.: Übereignung einer fremden Sache an einen Dritten nach §§ 929, 932 BGB.
Lediglich rechtlich vorteilhaft = wenn auf der Rechtsfolgenseite keine unmittelbaren Nachteile stehen
Unmittelbare Nachteile auf Rechtsfolgenseite sind insbesondere:
Verpflichtungen
Bsp.: Kaufpreiszahlung, Nebenleistungspflichten, Schadensersatzpflichten, Rückgabepflichten
Verlust von Rechten
Bsp.: Verlust des Rückzahlungsanspruches bei Kündigung des Darlehensvertrages
Beschränkung von Rechten
Bsp.: Wegerecht (§ 1018 BGB)
Wirtschaftliche Betrachtungen (etwa i.S. einer wirtschaftlichen Gesamtsaldierung der Vor- und Nachteile) oder mittelbare Rechtsfolgen sind nicht zu beachten.
Rechtlich neutrale Willenserklärungen sind mangels Schutzbedürftigkeit des Minderjährigen ebenfalls wirksam.
Tritt bei Leistung an Minderjährige gem. § 362 I BGB Erfüllungswirkung ein?
Die Übereignung von Geld an Minderjährige ist lediglich rechtlich vorteilhaft und somit wirksam. Fraglich ist, ob damit auch Erfüllungswirkung nach § 362 I BGB eintritt und es z.B. zum Erlöschen des Kaufpreiszahlungsanspruchs aus § 433 II BGB kommt.
e.A. Modifizierte Vertragstheorie: (+)
Ja, wenn zusätzlich ein Erfüllungsvertrag geschlossen wird oder wenn die Leistung durch tatsächliche Handlung erfolgt.
(pro): Systematik: Der Erfüllungsvertrag wäre rechtlich nachteilig und somit schwebend unwirksam; Minderjährige sind so geschützt. Bei Leistung durch tatsächliche Handlungen ist die Gefahr der Entreicherung nicht gegeben und Minderjährige ausreichend geschützt.
h.M. Theorie der realen Leistungsbewirkung: (-)
Die Erfüllung tritt mit Leistung ein, wenn der Annehmende empfangszuständig ist. Beschränkt Geschäftsfähige sind nicht empfangszuständig und die Erfüllungswirkung tritt nicht ein. Dem Kaufpreisschuldner bleibt der Weg über das Bereicherungsrecht offen (§ 812 ff. BGB), mit der Möglichkeit der Entreicherung (§ 818 III BGB) für den beschränkt Geschäftsfähigen.
(pro) Wortlaut/Systematik: § 362 I BGB setzt dem Wortlaut nach nur eine Leistungsbewirkung voraus. Für die Sonderregelung der Leistung an Erfüllung statt wird im Gegensatz eine Vereinbarung gem. § 364 I BGB gefordert.
(con) Wortlaut/Systematik: Empfangszuständigkeit ist nicht durch Gesetz geregelt.
Nur zu prüfen, wenn die Willenserklärung nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist (§ 107 BGB, s.o.).
Einwilligung = die vorherige Zustimmung (§ 183 S. 1 BGB)
Die Einwilligung (= vorherige Zustimmung, s. § 183 BGB) durch die gesetzlichen Vertreter (grds. §§ 1626 I, 1629 I BGB) ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die ausdrücklich oder konkludent erteilt werden kann. Bis zur Vornahme des Rechtsgeschäftes kann sie gem. § 183 S. 1 BGB widerrufen werden.
Auch ohne explizite Einwilligung gilt ein von einem Minderjährigen geschlossener Vertrag als von Anfang an wirksam, wenn die...
Wenn Minderjährige durch gesetzliche Vertreter mit Genehmigung des Familiengerichts zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts berechtigt werden, sind sie unbeschränkt geschäftsfähig für Rechtsgeschäfte, die ihr Geschäftsbetrieb mit sich bringt.
Wenn Minderjährige durch gesetzliche Vertreter ermächtigt wurden, in ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis zu treten, sind Willenserklärungen zur Eingehung oder Aufhebung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses von Anfang an wirksam. Dies gilt auch zur Erfüllung von sich aus dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis ergebenden Verpflichtungen.
Die Wirksamkeit eines von einem Minderjährigen geschlossenen Vertrages tritt ein, wenn ...
Genehmigung = die nachträgliche Zustimmung (§ 184 BGB)
Die Wirksamkeit tritt nicht ein, wenn ...