Suche

BGB  
Bürgerliches Gesetzbuch

ZivilrechtBürgerliches Recht

BGB AT

(1) Die Verjährung wird gehemmt durch
1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils,
1a.
(weggefallen)
2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger,
3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1),
4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer
a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder
b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
die Verjährung wird schon durch den Eingang des Antrags bei der Streitbeilegungsstelle gehemmt, wenn der Antrag demnächst bekannt gegeben wird,
5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess,
6.
die Zustellung der Streitverkündung,
6a.
die öffentliche Bekanntmachung des Vorlagebeschlusses in einem Musterverfahren für Ansprüche, denen derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens, wenn die Ansprüche zum Musterverfahren angemeldet werden,
7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens,
8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens,
9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird,
10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren,
10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist,
11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens,
12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt,
13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und
14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.
(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.
(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
Quelle: BMJ
Import:
LexMea

Anfechtung wegen falscher Übermittlung (§ 120 BGB)

ZivilrechtBürgerliches RechtBGB AT

Prüfungsschema zur Anfechtung einer Willenserklärung wegen falscher Übermittlung (§ 119 I BGB), wodurch diese als von Anfang an (ex tunc) nichtig anzusehen ist (§ 142 I BGB). Die Norm erfasst vor allem die unbewusste Falschübermittlung durch Erklärungsboten. Stellvertreter sind dagegen nicht erfasst. 

 

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Anfechtungserklärung (§ 143 BGB)
  3. Anfechtungsgrund (§ 120 BGB)
  4. Unrichtige Übermittlung der WE
  5. Einschaltung eines Übermittlers
  6. Unrichtige / falsche Übermittlung
  7. Unbewusste Falschübermittlung
  8. Erheblichkeit der Falschübermittlung (§§ 120, 119 I a.E. BGB)
  9. Kein Ausschluss
  10. Keine Bestätigung des Rechtsgeschäfts (§ 144 BGB)
  11. Keine Verfristung (§ 121 BGB)
  12. Unverzügliche Absendung der Anfechtungserklärung (§ 121 I BGB)
  13. Kein Verstreichen von 10 Jahren (§ 121 II BGB)
  14. Rechtsfolgen
  15. Ex tunc
  16. Ersatz des Vertrauensschadens (§ 122 BGB)

 

Die erfolgreiche Anfechtung einer Willenserklärung (WE) führt gem. § 142 I BGB grds. dazu, dass diese als von Anfang an (ex tunc) nichtig anzusehen ist. Die Prüfung erfolgt daher bei Ansprüchen üblicherweise unter dem Prüfungspunkt „Anspruch entstanden“. Da der Anspruch tatsächlich bis zur erfolgten Anfechtung bestanden hat, ist auch eine Prüfung unter dem Punkt „Anspruch nicht erloschenvertretbar.

Praktische Auswirkungen hat der Prüfungsstandort nicht. Sofern im Anschluss Kondiktionsansprüche geprüft werden, sollte aber im Einklang mit der Einordnung im ersten Fall eine condictio indebiti nach § 812 I 1 Alt. 1 BGB geprüft werden und in letzterem Fall eine condictio ob causam finitam nach § 812 I 2 Alt. 1 BGB.

 

Anfechtungserklärung (§ 143 BGB)

Bei der Anfechtungserklärung (AnfErkl) handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige WE.

  • Bedingungsfeindlichkeit
    Als Gestaltungserklärung ist die AnfErkl bedingungsfeindlich. Zulässig ist aber die Anfechtung unter einer sog. innerprozessualen Rechtsbedingung, bei der die Anfechtung - anders als § 158 BGB - für den Fall einer bestimmten rechtlichen Beurteilung (durch ein Gericht) vorgenommen wird. Bsp.: Anfechtung für den Fall, dass überhaupt ein Vertrag zu Stande gekommen ist.

  • Adressat
    Die Erklärung erfolgt gegenüber dem Anfechtungsgegner. Dies ist grds. der Erklärungsempfänger, bei Verträgen der Vertragspartner.

  • Form
    Die AnfErkl ist nicht formgebunden und muss den Begriff ‚Anfechtung‘ nicht enthalten. Sie muss aber zu erkennen geben, dass der Anfechtende die WE wegen Willensmängeln nicht gegen sich gelten lassen möchte.

  • Begründung (str., s. Problembox)

Ist die Angabe des Anfechtungsgrundes erforderlich?

  • h.M. BGH: (+) Ja
    Der Anfechtende muss die der Anfechtung zugrunde liegenden Tatsachen nennen, sofern sich der Grund nicht bereits aus den Umständen ergibt oder dem Anfechtungsgegner bekannt ist. 
    (pro) Anderweitig ist der Anfechtungsgegner nicht in der Lage, die Berechtigung der Anfechtung zu überprüfen.

  • a.A. RG: (-) Nein
    Die Anfechtung ist auch ohne Angabe von zugrunde liegenden Tatsachen wirksam.
    (pro) Wortlaut: § 143 BGB nennt dieses Erfordernis nicht.
    (pro) Systematik: Anderweitig macht der Gesetzgeber spezialgesetzliche Vorgaben zur Begründung (z.B. in §§ 573 III, 574 III BGB, § 102 BetrVG) 

 

 

Anfechtungsgrund (§ 120 BGB)

Anders als die Anfechtung nach § 119 II BGB wird eine Anfechtung nach § 119 I BGB, § 120 BGB oder § 123 BGB nicht durch den Vorrang des Gewährleistungsrechts verdrängt.

Unrichtige Übermittlung der WE

Einschaltung eines Übermittlers

  • Die WE wurde durch eine Person (z.B. Erklärungsbote, Dolmetscher) oder Einrichtung (z.B. Post, E-Mailübermittelt. § 120 BGB kommt daher nur bei empfangsbedürftigen WE in Betracht, da bei nicht-empfangsbedürftigen WE keine Übermittlung erforderlich ist.
  • Der Übermittler muss vom Erklärenden eingeschaltet worden sein (z.B. Erklärungsbote); Übermittlungsfehler aufseiten des Adressaten (z.B. des Empfangsboten) gehen zu dessen Lasten (da die WE nach Ankunft etwa beim Empfangsboten bereits ‚zugegangen‘ ist).

  • Der Stellvertreter ist kein Übermittler i.S.d. § 120 BGB, sondern gibt eine eigene WE ab.

 

Unrichtige / falsche Übermittlung

  • Vorab: Der Wortlaut spricht von „unrichtig“, die amtliche Überschrift von „falsch“; beide Begriffe sind gleichbedeutend
  • Die WE muss unrichtig übermittelt worden sein; dies ist sowohl bei unrichtiger Übermittlung einzelner Passagen der Fall, als auch, wenn diese völlig verändert wurde oder einem falschen Empfänger zugeht.

  • Beide WE müssen zunächst ausgelegt werden (§§ 133, 157 BGB), um eine Abweichung festzustellen.

 

Unbewusste Falschübermittlung

  • Im Falle der Einschaltung eines Erklärungsboten muss dieser die WE unbewusst unrichtig übermittelt haben. 
  • Bei vorsätzlicher Falschübermittlung durch eine Person finden nach h.M. die Vorschriften über den vollmachtlosen Vertreter (§§ 177 ff. BGB) Anwendung, sodass die WE auch ohne Anfechtung schwebend unwirksam ist.

 

Erheblichkeit der Falschübermittlung (§§ 120, 119 I a.E. BGB)

Fehlt, wenn der Erklärende die WE auch mit dem übermittelten Inhalt abgegeben hätte.

Bsp.: Bote übermittelt Kaufangebot mit zu niedrigem Kaufpreis.

 

 

Kein Ausschluss

Keine Bestätigung des Rechtsgeschäfts (§ 144 BGB)

Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Anfechtende das Rechtsgeschäft in Kenntnis aller Anfechtungsgründe bestätigt hat. Str., ob die Bestätigung zugangsbedürftig ist.

 

Keine Verfristung (§ 121 BGB)

Unverzügliche Absendung der Anfechtungserklärung (§ 121 I BGB)

  • Die Anfechtung wegen falscher Übermittlung muss unverzüglich erfolgen (§ 121 I BGB); die Erklärung muss nicht sofort, aber ohne schuldhaftes Zögern erklärt werden; dem Anfechtenden steht hierbei eine von den Umständen abhängende Prüfungs- und Überlegungsfrist zu.
  • Die Frist beginnt mit Kenntnis der Tatsachen, die jeweils zur Anfechtung berechtigen; fahrlässige Unkenntnis genügt nach h.M. nicht.
  • Beachte die Möglichkeit der Zurückweisung einseitiger Rechtsgeschäfte gem. § 174 BGB, wenn die Anfechtung durch einen bevollmächtigten Stellvertreter erfolgt; eine erneute Anfechtung ist dann i.d.R. nicht mehr unverzüglich.
  • Für die Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der AnfErkl (§ 121 I 2 BGB); Wirksamwerden aber erst mit Zugang; geht die AnfErkl nach Absendung verloren, muss der Erklärende sie unverzüglich erneut absenden.

Kein Verstreichen von 10 Jahren (§ 121 II BGB)

Auch bei Unkenntnis vom Anfechtungsgrund ist die Anfechtung 10 Jahre nach Abgabe der ursprünglichen Erklärung ausgeschlossen.

 

 

Rechtsfolgen

Ex tunc

  • Die angefochtene WE wird so behandelt, als wäre sie von Anfang (ex tunc) nichtig.
  • Bei bereits vollzogenen Arbeits- oder Gesellschaftsverträgen tritt die Nichtigkeit grds. erst mit der Anfechtungserklärung ein (ex nunc), da eine Rückabwicklung regelmäßig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist; dies gilt nicht, wenn die Rückabwicklung einfach möglich ist oder vorrangige Interessen wie der Schutz Minderjähriger betroffen sind.

  • Bei Teilnichtigkeit richten sich die Folgen nach § 139 BGB.

  • Sofern die Anfechtung zur Nichtigkeit eines Verpflichtungsgeschäfts führt, bleibt das Verfügungsgeschäft hiervon zunächst unberührt (Trennungs- & Abstraktionsprinzip). Eine Rückabwicklung erfolgt i.d.R. über §§ 812 ff. BGB.

 

Ersatz des Vertrauensschadens (§ 122 BGB)

  • Der Anfechtende hat dem Erklärungsempfänger den Schaden zu ersetzen, den er durch das Vertrauen auf die Gültigkeit der WE erlitten hat (Vertrauensschaden); d.h. der Erklärungsempfänger ist so zu stellen, als hätte er nie von der Willenserklärung erfahren (negatives Interesse) (§ 122 I BGB).
  • Der Erklärungsempfänger ist aber nicht besser zu stellen, als er bei Wirksamkeit der WE stünde (Begrenzung auf das positive Interesse) (§ 122 I BGB).

  • Ausschluss des Schadensersatzes, wenn der Geschädigte die zur Anfechtung berechtigenden Tatsachen kannte oder durch Fahrlässigkeit nicht kannte (kennen musste) (§ 122 II BGB).

 

Zuletzt bearbeitet: