Prüfungsschema zu den objektiven (Erklärung, Rechtsbindungswille) und subjektiven Voraussetzungen (Handlungswille, potenzielles Erklärungsbewusstsein) für das Vorliegen einer Willenserklärung.
Im Rahmen eines Rechtsgutachtens ist auf die folgenden Punkte jeweils nur einzugehen, wenn deren Vorliegen problematisch erscheint.
Es muss ein objektiv erkennbares Verhalten vorliegen.
Erklärung kann konkludent, d.h. durch schlüssiges Handeln, erfolgen.
Bsp.: V nickt auf das Kaufangebot des K und packt die Ware ein.
Der Inhalt einer Willenserklärung ist im Zweifel zunächst im Rahmen der Auslegung zu ermitteln.
Der durch Auslegung ermittelte, verobjektivierte Erklärungsgehalt muss auf die willentliche Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet sein (Rechtsbindungswille). Unerheblich ist, ob ein entsprechender Wille auch tatsächlich (subjektiv) vorlag.
Rechtsbindungswille bei Gefälligkeiten: Hier ist regelmäßig im Rahmen der Auslegung (s.o.) zu ermitteln, ob ein Rechtsbindungswille vorliegt. Das Fehlen einer Gegenleistung schließt eine rechtliche Bindung nicht aus (s. z.B. §§ 516, 598, 662 BGB) kann aber als Indiz gegen einen Rechtsbindungswillen sprechen. Als weitere Indizien können Art, Grund und Zweck der Gefälligkeit sowie die wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung der Angelegenheit herangezogen werden.
Die Erklärung muss alle für die Herbeiführung der Rechtsfolge notwendigen Merkmale (essentialia negotii) umfassen. Bei Verträgen müssen regelmäßig Vertragspartner, Leistung und Gegenleistung zu ermitteln sein.
Handlungswille = Das Bewusstsein, überhaupt zu handeln.
Folge bei Fehlen: Handlungswille ist konstitutive Voraussetzung; ohne Handlungswille liegt keine Willenserklärung vor.
Erklärungsbewusstsein = Das Bewusstsein, irgendeine rechtserhebliche Handlung vorzunehmen. Auf die Kenntnis der konkreten Folgen kommt es nicht an.
Folge bei Fehlen: umstritten (s. Problembox)
Ist das Erklärungsbewusstsein konstitutiv für das Vorliegen einer Willenserklärung?
e.A. Erklärungstheorie: (–) Nein
Bloße obj. Erklärung genügt; aber Anfechtung analog § 119 I Var. 2 BGB, wenn subj. Erklärungsbewusstsein fehlt.
(pro) Empfänger kann Vorliegen des Erklärungsbewusstseins nicht erkennen, Wirksamkeit sollte daher von weiterer Erklärung gegenüber dem Empfänger abhängen; Systematik: Schutz des Erklärungsempfängers durch Ersatz des Vertrauensschadens gem. § 122 I BGB nach Anfechtung.
(con) Vertragliche Bindung erfolgt gegen den Willen des Erklärenden.
a.A. Willenstheorie: (+) Ja
Subj. Erklärungsbewusstsein ist stets erforderlich
(pro) Systematik: Privatautonomie erfordert Anknüpfung an Willen rechtserheblich zu handeln; auch eine Scherzerklärung ist gem. § 118 BGB nichtig; Schutz des Erklärungsempfängers durch Ersatz des Vertrauensschadens gem. § 122 I BGB analog (es liegt ja keine Anfechtungssituation, sondern Nichtigkeit vor).
(con) Empfänger kann das Vorliegen des Erklärungsbewusstseins nicht erkennen.
h.M. Lehre vom potenziellen Erklärungsbewusstsein: (+/-) Differenzierend
Es ist nicht notwendigerweise tatsächliches, aber zumindest potenzielles Erklärungsbewusstsein erforderlich; d.h. der Erklärende muss die Rechtserheblichkeit gekannt oder wenigstens fahrlässig verkannt haben.
(pro) Telos: Teilnahme am Rechtsverkehr erfordert Sorgfalt; Erklärender bei Fahrlässigkeit weniger schutzwürdig als Erklärungsempfänger.
(con) Systematik: Knüpft vertragliche Bindung an Fahrlässigkeit statt an Willensakt.
Geschäftswille = Der Wille, eine bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen.