StGB Strafgesetzbuch
Strafrecht AT
- 1.
- jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
- a)
- sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
- b)
- unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
- c)
- den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
- 2.
- der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
- 3.
- er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
- 4.
- die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Rechtfertigende (tatsächliche / mutmaßliche / hypothetische) Einwilligung
Prüfungsschema zum Rechtfertigungsgrund der Einwilligung, der mutmaßlichen Einwilligung und der hypothetischen Einwilligung sowie zu deren Grenzen (siehe § 228 StGB).
- Inhaltsverzeichnis
- Objektive Voraussetzungen
- Disponibilität des Rechtsguts
- Einwilligungserklärung
- Tatsächliche Einwilligung
- Mutmaßliche Einwilligung
- Hypothetische Einwilligung (str.)
- Keine Sittenwidrigkeit (§ 228 StGB)
- Subjektive Voraussetzungen
- Kenntnis der Einwilligung
- Handeln aufgrund der Einwilligung (str.)
Die Einwilligung wird grundsätzlich als Rechtfertigungsgrund auf der Ebene der Rechtswidrigkeit geprüft.
Gewisse Delikte können allerdings nur gegen den Willen des Opfers verwirklicht werden - insb. solche, die sich gegen die Willensfreiheit richten (z.B. §§ 239, 240, 253 StGB). Bei diesen Delikten ist ein Verzicht des Opfers auf den Schutz seiner Rechtsgüter als (tatbestandsausschließendes) Einverständnis bereits auf der Ebene des Tatbestandes zu prüfen.
- Herleitung
Allg. Rechtsgrundsatz ‚volenti non fit iniuria‘ (lat.: Dem Wollenden geschieht kein Unrecht).
Objektive Voraussetzungen
Disponibilität des Rechtsguts
Einwilligender ist alleiniger Träger des Rechtsgutes und somit alleine verfügungsbefugt. (Nur bei Individual- nicht bei Allgemeinrechtsgütern möglich.) Bei Leben § 216 StGB beachten.
Einwilligungserklärung
Tatsächliche Einwilligung
-
Zeitpunkt
Eine tatsächliche Einwilligungserklärung muss vor der Tat abgegeben worden sein und im Zeitpunkt der Tat noch fortbestehen.
- Form
Die Einwilligungserklärung muss ausdrücklich oder konkludent (str.) nach außen kundgetan worden sein (sonst ggf. mutmaßliche oder hypothetische Einwilligung, s.u.).
- Inhalt
Die Einwilligungserklärung muss ein Einverstandensein mit dem Eingriff in das Rechtsgut enthalten.
-
Wirksamkeit
Die einwilligende Person muss einwilligungsfähig sein und es dürfen keine Willensmängel vorliegen.-
Einwilligungsfähigkeit
Fähigkeit, die Bedeutung und Tragweite der Einwilligung zu erkennen und sachgerecht zu beurteilen.-
e.A.: Bestimmt sich stets nach der geistigen und sittlichen Reife, die Bedeutung und Tragweite des Rechtsgutverzichts zu erkennen und sachgerecht zu beurteilen.
-
a.A.: Bestimmt sich bei Vermögensdelikten nach der (zivilrechtlichen) Geschäftsfähigkeit.
-
-
Keine Willensmängel
Die Einwilligung muss informiert (Kenntnis der Umstände und Folgen; bei falscher ärztlicher Aufklärung ggf. hypothetische Einwilligung, s.u.), ernstlich (keine Scherz- oder Scheinerklärung) und freiwillig (aus autonomen Motiven; insb. nicht durch Zwang / Drohung / Gewalt) abgegeben worden sein.
-
Mutmaßliche Einwilligung
- Eine mutmaßliche Einwilligung kommt nur in Betracht, wenn eine tatsächliche Einwilligung aufgrund faktischer Umstände nicht oder nicht rechtzeitig einholbar war (Subsidiarität).
- Der Eingriff muss im mutmaßlichen Interesse des Betroffenen erfolgen oder es dürfen zumindest keine gegenläufigen Interessen des Betroffenen erkennbar sein (rein subjektive ex-ante-Sicht aus Opferperspektive). Bei Selbstmordopfern kommt daher allenfalls Notstand (§ 34 StGB) in Betracht.
Hypothetische Einwilligung (str.)
Beispiel: Arzt A klärt Patienten P falsch auf, sodass die Einwilligung nicht hinreichend informiert abgegeben wurde. Der anschließende Heileingriff (Körperverletzung) verläuft ohne Komplikationen und zum umfassenden Wohle des P.
-
Anerkennung der hypothetischen Einwilligung
Stellt die hypothetische Einwilligung einen Rechtfertigungsgrund im Strafrecht dar?
War eine tatsächliche Einwilligung zwar möglich, sind bei der Aufklärung jedoch Fehler unterlaufen, sodass diese aufgrund von Willensmängeln nicht wirksam ist, wird eine hypothetische Einwilligung diskutiert.
-
Rspr.: (+) Hypothetische Einwilligung rechtfertigt Eingriff
(pro) Systematik: Parallele zum Pflichtwidrigkeitszusammenhang (rechtmäßiges Alternativverhalten, str.), der die objektive Zurechnung entfallen lässt. -
a.A.: (–) Hypothetische Einwilligung nicht anerkannt
(pro) Selbstbestimmungsrecht des Patienten; Schwierigkeiten der Bestimmung eines hypothetischen Willens
- Voraussetzungen der hypothetischen Einwilligung
Bei Anerkennung der hypothetischen Anerkennung werden an diese i.d.R. die nachfolgenden Voraussetzungen gestellt:- Unwirksame tatsächliche Einwilligung aufgrund von Aufklärungsfehlern
- Patient hätte bei hypothetischer wahrheitsgemäßer Aufklärung eingewilligt (Rspr.: in dubio pro Arzt)
- Ausführung des Eingriffes lege artis (ohne Behandlungsfehler)
Keine Sittenwidrigkeit (§ 228 StGB)
Bei Körperverletzungsdelikten Grenze des § 228 StGB ‚guten Sitten‘
Beispiele: Sittenwidrige verabredete Schlägereien oder illegale Autorennen
Subjektive Voraussetzungen
Kenntnis der Einwilligung
Der Täter muss in Kenntnis der tatsächlichen Einwilligung handeln.
Bei mutmaßlicher Einwilligung: Gewissenhafte Prüfung der für den hypothetischen Willen maßgeblichen Umstände.
Handeln aufgrund der Einwilligung (str.)