StGB Strafgesetzbuch
Nichtvermögensdelikte
- 1.
- einen der in § 125a Satz 2 Nr. 1 bis 4 bezeichneten Fälle des Landfriedensbruchs,
- 2.
- eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen des § 177 Absatz 4 bis 8 oder des § 178,
- 3.
- einen Mord (§ 211), Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder ein Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 des Völkerstrafgesetzbuches),
- 4.
- eine gefährliche Körperverletzung (§ 224) oder eine schwere Körperverletzung (§ 226),
- 5.
- eine Straftat gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 232 Absatz 3 Satz 2, des § 232a Absatz 3, 4 oder 5, des § 232b Absatz 3 oder 4, des § 233a Absatz 3 oder 4, jeweils soweit es sich um Verbrechen handelt, der §§ 234 bis 234b, 239a oder 239b,
- 6.
- einen Raub oder eine räuberische Erpressung (§§ 249 bis 251 oder 255),
- 7.
- ein gemeingefährliches Verbrechen in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 3, des § 309 Abs. 1 bis 4, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 3, des § 315b Abs. 3, des § 316a Abs. 1 oder 3, des § 316c Abs. 1 oder 3 oder des § 318 Abs. 3 oder 4 oder
- 8.
- ein gemeingefährliches Vergehen in den Fällen des § 309 Abs. 6, des § 311 Abs. 1, des § 316b Abs. 1, des § 317 Abs. 1 oder des § 318 Abs. 1
Entschuldigender Notstand (§ 35 StGB)
Prüfungsschema zum entschuldigenden Notstand (§ 35 StGB): Hiernach wird nicht bestraft, wer nur durch eine Straftat eine Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit von sich, einem Angehörigen oder Nahestehenden abwenden kann.
Es handelt sich hierbei um einen strafrechtlichen Entschuldigungsgrund.
- Inhaltsverzeichnis
- Objektive Voraussetzungen
- Notstandslage
- Gegenwärtige Gefahr
- Notstandsfähiges Rechtsgut
- Notstandshandlung
- Geeignetheit
- Erforderlichkeit
- Unzumutbarkeit der Gefahrhinnahme (§ 35 I 2 StGB)
- Subjektive Voraussetzungen
- Kenntnis der Notstandslage
- Gefahrabwendungswille
- Strafzumessung und Strafaufhebung
Objektive Voraussetzungen
Notstandslage
Notstandslage i.S.d. § 35 StGB = Gegenwärtige Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit des Täters, eines Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person
Gegenwärtige Gefahr
Gegenwärtige Gefahr i.S.d. § 35 StGB = Zustand, der bei ungehinderter Weiterentwicklung aus ex-ante Sicht eines objektiven Beobachters jederzeit in einen Schaden umschlagen kann (Schadenseintritt liegt nahe)
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Zeitliche Komponente
Mit Verwirklichung der Gefahr ist alsbald zu rechnen.
Die Definition ist erheblich weiter als bei Notwehr (§ 32 StGB); sie ist gleich wie beim rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB).
Notstandsfähiges Rechtsgut
Notstandsfähige Rechtsgüter i.S.d. § 35 StGB sind:
- Leben (= durch §§ 211 ff. geschütztes Leben),
- Leib (= durch §§ 223 ff. StGB geschützte körperliche Unversehrtheit) und
- Freiheit (= nur die durch § 239 StGB geschützte Fortbewegungsfreiheit)
Umfasst sind lediglich diese elementaren, höchstpersönlichen, durch Art. 2 II GG geschützten Rechtsgüter (sog. numerus clausus der notstandsfähigen Rechtsgüter). Keine analoge Anwendung auf weitere Rechtsgüter.
Es muss sich dabei jeweils um Rechtsgüter eines Angehörigen (Legaldefinition in § 11 I Nr. 1 StGB) oder einer anderen nahestehenden Person (Person, mit der ein gegenseitiges Näheverhältnis besteht, das in Dauer und Intensität dem zu einem Angehörigen vergleichbar ist) handeln.
Notstandshandlung
Geeignetheit
Die Notstandshandlung muss geeignet sein, die Gefahr für das Rechtsgut abzuwenden oder zumindest abzuschwächen.
Erforderlichkeit
Die Notstandshandlung muss erforderlich sein (Wortlaut: ‚nicht anders abwendbare Gefahr‘), d.h. es darf kein anderes, gleich geeignetes, aber milderes Mittel zur Gefahrenabwendung zur Verfügung stehen. Unter mehreren gleich geeigneten Abwehrmöglichkeiten ist die mildeste (d.h. die am wenigsten schädigende) zu wählen. Zumutbare Handlungsalternativen müssen berücksichtigt werden.
Der entschuldigende Notstand des § 35 StGB erfordert keine Verhältnismäßigkeitsprüfung i.S. einer Güterabwägung.
Unzumutbarkeit der Gefahrhinnahme (§ 35 I 2 StGB)
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Keine pflichtwidrige Gefahrverursachung durch den Täter selbst
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Keine Gefahrtragungspflicht kraft besonderen Rechtsverhältnisses
Beispiele: Polizei, Feuerwehr, Bademeister -
Keine sonstige Gefahrtragungspflicht; § 35 I 2 StGB nicht abschließend (‚namentlich‘)
Beispiele: Garantenstellung aus Gefahrgemeinschaft; gesetzliche Duldungspflicht etwa bei Freiheitsentziehungen auf Grund eines rechtmäßigen Hoheitsaktes; besondere Disproportionalität zwischen Gefahr für geschütztes Rechtsgut und Beeinträchtigung anderer Rechtsgüter durch Notstandshandlung
Subjektive Voraussetzungen
Kenntnis der Notstandslage
Gefahrabwendungswille
Strafzumessung und Strafaufhebung
Sofern der Täter nicht die o.g. objektiven und subjektiven Voraussetzungen des § 35 I StGB erfüllt und daher entschuldigt ist, kommt eine Strafmilderung in Betracht:
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Bei Zumutbarkeit der Gefahrhinnahme aus einem anderen Grund als einer Gefahrtragungspflicht kraft besonderen Rechtsverhältnisses (§ 35 I 2 StGB) → Möglichkeit der Strafmilderung (§ 49 I StGB)
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Wenn der Täter irrig einen Sachverhalt annimmt, der ihn nach § 35 I StGB entschuldigen würde (Entschuldigungstatbestandsirrtum)
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bei Unvermeidbarkeit des Irrtums → Straflosigkeit (§ 35 II 1 StGB)
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bei Vermeidbarkeit des Irrtums → Obligatorische Strafmilderung (§§ 35 II 2, 49 I StGB)
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