GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Staatsrecht I: Staatsorganisationsrecht
sieht folgende Maßgaben vor:
Artikel 3
Inkrafttreten des Grundgesetzes
Mit dem Wirksamwerden des Beitritts tritt das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 1983 (BGBl. I S. 1481), in den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie in dem Teil des Landes Berlin, in dem es bisher nicht galt, mit den sich aus Artikel 4 ergebenden Änderungen in Kraft, soweit in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist.
Artikel 4
Beitrittsbedingte Änderungen des Grundgesetzes
... (betroffen: Präambel, Art. 23, 51, 135a, 143, 146)
Artikel 5
Künftige Verfassungsänderungen
Die Regierungen der beiden Vertragsparteien empfehlen den gesetzgebenden Körperschaften des vereinten Deutschlands, sich innerhalb von zwei Jahren mit den im Zusammenhang mit der deutschen Einigung aufgeworfenen Fragen zur Änderung oder Ergänzung des Grundgesetzes zu befassen, insbesondere
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- in bezug auf das Verhältnis zwischen Bund und Ländern entsprechend dem Gemeinsamen Beschluß der Ministerpräsidenten vom 5. Juli 1990,
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- in bezug auf die Möglichkeit einer Neugliederung für den Raum Berlin/Brandenburg abweichend von den Vorschriften des Artikels 29 des Grundgesetzes durch Vereinbarung der beteiligten Länder,
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- mit den Überlegungen zur Aufnahme von Staatszielbestimmungen in das Grundgesetz sowie
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- mit der Frage der Anwendung des Artikels 146 des Grundgesetzes und in deren Rahmen einer Volksabstimmung.
Artikel 6
Ausnahmebestimmung
Artikel 131 des Grundgesetzes wird in dem in Artikel 3 genannten Gebiet vorerst nicht in Kraft gesetzt.
Artikel 7
Finanzverfassung
(1) Die Finanzverfassung der Bundesrepublik Deutschland wird auf das in Artikel 3 genannte Gebiet erstreckt, soweit in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist.
- 1.
- bis zum 31. Dezember 1994 Absatz 3 Satz 4 und Absatz 4 keine Anwendung finden;
- 2.
- bis zum 31. Dezember 1996 der Anteil der Gemeinden an dem Aufkommen der Einkommensteuer nach Artikel 106 Abs. 5 des Grundgesetzes von den Ländern an die Gemeinden nicht auf der Grundlage der Einkommensteuerleistung ihrer Einwohner, sondern nach der Einwohnerzahl der Gemeinden weitergeleitet wird;
- 3.
- bis zum 31. Dezember 1994 abweichend von Artikel 106 Abs. 7 des Grundgesetzes den Gemeinden (Gemeindeverbänden) von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftssteuern und dem gesamten Aufkommen der Landessteuern ein jährlicher Anteil von mindestens 20 vom Hundert sowie vom Länderanteil aus den Mitteln des Fonds "Deutsche Einheit" nach Absatz 5 Nr. 1 ein jährlicher Anteil von 40 vom Hundert zufließt.
| 1991 | 55 vom Hundert |
| 1992 | 60 vom Hundert |
| 1993 | 65 vom Hundert |
| 1994 | 70 vom Hundert |
des durchschnittlichen Umsatzsteueranteils pro Einwohner in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein beträgt. Der Anteil des Landes Berlin wird vorab nach der Einwohnerzahl berechnet. Die Regelungen dieses Absatzes werden für 1993 in Ansehung der dann vorhandenen Gegebenheiten überprüft.
- 1.
- zu 85 vom Hundert als besondere Unterstützung den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie dem Land Berlin zur Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs gewährt und auf diese Länder im Verhältnis ihrer Einwohnerzahl ohne Berücksichtigung der Einwohnerzahl von Berlin (West) verteilt sowie
- 2.
- zu 15 vom Hundert zur Erfüllung zentraler öffentlicher Aufgaben auf dem Gebiet der vorgenannten Länder verwendet.
Organstreitverfahren (Art. 94 I Nr. 1, §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG)
Prüfungsschema für Streitigkeiten von insb. obersten Bundesorganen vor dem Bundesverfassungsgericht aufgrund von Verletzungen ihrer verfassungsrechtlichen Rechte.
- Inhaltsverzeichnis
- Zulässigkeit
- Zuständigkeit (Art. 94 I Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG)
- Parteifähigkeit / teilw.: Beteiligtenfähigkeit (Art. 94 I Nr. 1, § 63 BVerfGG)
- Antragsgegenstand / teilw.: Streitgegenstand (§ 64 I BVerfGG)
- Antragsbefugnis (§ 64 I BVerfGG)
- Durch das GG übertragenes Recht
- Eigenes Recht
- Möglichkeit der Rechtsverletzung / unmittelbaren Rechtsgefährdung durch die Maßnahme oder Unterlassung
- Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
- Form (§§ 23 I, 64 II BVerfGG)
- Frist (§ 64 III BVerfGG)
- Begründetheit
- Verstoß gegen Bestimmung XX des GG
- Inhaltsbestimmung / Maßstabsbildung / Schutzbereich
- Beeinträchtigung / Eingriff
- Rechtfertigung
- Verstoß gegen Bestimmung XY des GG
Gesetzesänderung: Der Gesetzgeber hat mit Zweidrittelmehrheit mit Wirkung zum 28.12.2024 die Art. 93 und Art. 94 GG neu gefasst. Dadurch wurden bisher im Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) einfachgesetzlich geregelte und somit durch einfache (50%ige) Mehrheit änderbare Festlegungen zu Organisation und Verfahren BVerfG direkt ins Grundgesetz aufgenommen. Zudem wurde in Art. 93 II 2 GG eine Regelung für den Fall geschaffen, dass Bundestag oder Bundesrat nicht rechtzeitig einen Nachfolger für eine vakante Richterstelle wählen.
Die Änderungen sollen insb. vor dem Hintergrund akuter Rechtsstaatskrisen - etwa in Polen und Ungarn durch die weitgehende Entmachtung der dortigen Verfassungsgerichte durch autokratische Regierungen - und auch in Deutschland wahrgenommener Änderungen der politischen Mehrheitsverhältnisse die dauerhafte Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit der Verfassungsgerichtsbarkeit als zentrales Element der machtbegrenzenden Gewaltenteilung sicherstellen.
Für die Klausur bedeutet dies konkret lediglich, dass künftig stets Art. 94 statt Art. 93 zitiert wird. Die Nummern des Abs. 1 für die jeweiligen Verfahrensarten sind unverändert geblieben.
Sowohl beim Organstreitverfahren, als auch beim Bund-Länder-Streit geht es um die Rechte und Pflichten der beteiligten Organe aus Anlass einer Maßnahme oder Unterlassung.
Beim Organstreitverfahren sind beide Parteien auf Bundesebene angesiedelt (horizontaler Streit), beim Bund-Länder-Streit ist je eine Partei auf Bundes- und eine auf Landesebene angesiedelt (vertikaler Streit).
Aufgrund der Ähnlichkeit beider Verfahrensarten verweist der Bund-Länder-Streit daher (mit der einzig relevanten Ausnahme der Parteifähigkeit von Bund und Ländern, § 68 BVerfGG) in § 69 BVerfGG auf die Vorschriften der §§ 64 - 67 BVerfG (also die Vorschriften des Organstreitverfahrens).
Siehe auch die Übersicht: Finden der richtigen verfassungsprozessrechtlichen Verfahrensart sowie die Übersicht über alle klausurrelevanten verfassungsprozessrechtlichen Verfahrensarten.
Zulässigkeit
Zuständigkeit (Art. 94 I Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG)
Gemäß Art. 94 I Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG ist das BVerfG für das Organstreitverfahren zuständig.
Parteifähigkeit / teilw.: Beteiligtenfähigkeit (Art. 94 I Nr. 1, § 63 BVerfGG)
Das Organstreitverfahren ist ein sog. kontradiktorisches Verfahren. Im Unterschied zu objektiven Rechtsbeanstandungsverfahren stehen sich hier zwei Parteien gegenüber, die beide parteifähig sein müssen.
Sowohl Antragsteller als auch Antragsgegner müssten parteifähig sein. Parteifähig sind:
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Art. 94 I Nr. 1 GG (Vorrang: lex superior) |
§ 63 BVerfG |
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„Oberstes Bundesorgan“ (keine Aufzählung) |
Aufgezählte oberste Bundesorgane |
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h.M.: Rückgriff auf Art. 94 I Nr. 1 GG, da wg. lex superior keine einfachgesetzliche Verengung des Verfassungsrechts; |
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„Andere Beteiligte, die im GG oder der GO eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind“ |
„Teile dieser Organe, die im GG oder in der GO des BT und des BRates mit eigenen Rechten ausgestattet sind“ |
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Sind Abgeordnete nach § 63 BVerfGG parteifähig? BVerfG: (-) Nur „ständige Gliederungen“ wie Fraktionen; Aber h.M: Rückgriff auf Art. 94 I Nr. 1 GG, da wg. lex superior keine einfachgesetzliche Verengung des Verfassungsrechts; § 63 BVerfGG verfassungskonform auszulegen (nur beispielhaft). |
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(-) Aber h.M.: Rückgriff auf Art. 94 I Nr. 1 GG (s.o.) |
Antragsgegenstand / teilw.: Streitgegenstand (§ 64 I BVerfGG)
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„Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners“ (§ 64 I BVerfGG)
- BVerfG: Nur „rechtserhebliche“ Maßnahmen oder Unterlassungen (ungeschriebene Voraussetzung)
- Weite Auslegung
- Dient hauptsächlich der Abgrenzung zu rein politischen Meinungsäußerungen (z.B. nicht: Anhörung Edward Snowdens vor dem NSA-Untersuchungsausschuss) und vorbereitenden Handlungen.
Rechtserheblich = geeignet, die Rechtsstellung des Antragstellers zu beeinträchtigen
Antragsbefugnis (§ 64 I BVerfGG)
Antragsteller muss (1.) in einem „durch das Grundgesetz übertragenen“, (2.) eigenen („er oder das Organ, dem er angehört“) Recht (3.) durch die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung (h.M.: möglicherweise) „verletzt oder unmittelbar gefährdet“ sein (§ 64 I BVerfGG).
Durch das GG übertragenes Recht
- Rechte aus dem GG und nicht der GO eines Bundesorgans (aber: GOen konkretisieren oft verfassungsrechtliche Rechte und Pflichten).
- Auf das gleiche Recht abstellen, das auch in Begründetheit (s.u.) geprüft wird.
Eigenes Recht
Es muss sich um ein eigenes Recht des Antragsstellers oder des Organs, dem er angehört, handeln.
Ist eine Prozessstandschaft im Organstreitverfahren möglich?
BVerfG:
- (+) Fraktion für BT
- (-) MdB für Fraktion / BT
Möglichkeit der Rechtsverletzung / unmittelbaren Rechtsgefährdung durch die Maßnahme oder Unterlassung
Im Unterschied zur Begründetheit ist keine vollständige Prüfung einer Rechtsverletzung nötig. Diese muss jedoch zumindest möglich erscheinen (Möglichkeitstheorie). In der Klausur sollte hier knapp auf das gleiche Recht abgestellt werden, das später ausführlich unter B. in der Begründetheit geprüft wird.
Das Merkmal dient der Aussonderung ganz offensichtlich unbegründeter Fälle, für die keinerlei Betroffenheit irgendeiner Rechtsposition ersichtlich ist (z.B. Abgeordneter A hält der Abgeordneten B nie die Tür auf).
Möglichkeit der Verletzung = Diese ist nicht von vornherein, unter jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen (Möglichkeitstheorie)
Unmittelbare Rechtsgefährdung = Solch sachliche und zeitliche Konkretisierung, dass ohne Eingreifen mit großer Wahrscheinlichkeit eine Verletzung eintreten wird
Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
Der Prüfungspunkt ‚allgemeines Rechtsschutzbedürfnis‘ wird regelmäßig vermutet und daher oft weggelassen. Er sollte angesprochen werden, wenn sich im Sachverhalt konkrete Anhaltspunkte für sein Fehlen ergeben.
- Kein leichterer / schnellerer Weg zur außergerichtlichen Durchsetzung der dargelegten Rechte
z.B. durch eigenes Handeln (in anderen Verfahren wie parteiinterne Schlichtung bei Parteiausschluss) - Keine Unmöglichkeit durch die stattgebende Entscheidung zum Ziel zu gelangen
z.B. Aufnahme in einen Ausschuss des BT nach Abschluss dessen Arbeiten
Form (§§ 23 I, 64 II BVerfGG)
- Schriftform (§ 23 I 1 BVerfGG)
- Begründung (§ 23 I 2 BVerfGG) unter Bezeichnung der möglicherweise verletzten GG Norm (§ 64 II BVerfGG)
Frist (§ 64 III BVerfGG)
- Sechs Monate nach Kenntnis von der beanstandeten Maßnahme oder Unterlassung (§ 64 III BVerfGG)
- Berechnung nach §§ 187 ff. BGB
Begründetheit
Der Antrag ist begründet, soweit die angegriffene Maßnahme / Unterlassung gegen eine Bestimmung des GG verstößt und den Antragsteller folglich in seinen grundgesetzlichen Rechten verletzt.
Verstoß gegen Bestimmung XX des GG
Inhaltsbestimmung / Maßstabsbildung / Schutzbereich
Was ist von der in Rede stehenden Norm konkret umfasst?
z.B. umfasst Art. 38 I 2 GG die Freiheit des Mandats, i.e. die Freiheit keinen Weisungen unterworfen zu sein
Beeinträchtigung / Eingriff
Welche Maßnahme beeinträchtigt diese Freiheit wie genau?
z.B. die Weisung einer Fraktion auf eine gewisse Art und Weise abzustimmen
Rechtfertigung
Welche kollidierenden Rechtsgüter können diese Beeinträchtigung rechtfertigen?
z.B. die Rechte der anderen Abgeordneten aus Art. 38 I 2 GG, sich zu einer einheitlich und geschlossen auftretenden Fraktion zusammenzuschließen
Verstoß gegen Bestimmung XY des GG
Tenor, wenn Antrag zulässig und begründet:
Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Maßnahme / des Unterlassens des Antragsgegners (§ 67 S. 1 BVerfGG).