BGB
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in § 675y BGB

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Auftrag u.Ä.

(1) Wird ein Zahlungsvorgang vom Zahler ausgelöst, kann dieser von seinem Zahlungsdienstleister im Fall einer nicht erfolgten oder fehlerhaften Ausführung des Zahlungsauftrags die unverzügliche und ungekürzte Erstattung des Zahlungsbetrags verlangen. Wurde der Betrag einem Zahlungskonto des Zahlers belastet, ist dieses Zahlungskonto wieder auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne den fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgang befunden hätte. Wird ein Zahlungsvorgang vom Zahler über einen Zahlungsauslösedienstleister ausgelöst, so treffen die Pflichten aus den Sätzen 1 und 2 den kontoführenden Zahlungsdienstleister. Soweit vom Zahlungsbetrag entgegen § 675q Abs. 1 Entgelte abgezogen wurden, hat der Zahlungsdienstleister des Zahlers den abgezogenen Betrag dem Zahlungsempfänger unverzüglich zu übermitteln. Weist der Zahlungsdienstleister des Zahlers nach, dass der Zahlungsbetrag ungekürzt beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers eingegangen ist, entfällt die Haftung nach diesem Absatz.
(2) Wird ein Zahlungsvorgang vom oder über den Zahlungsempfänger ausgelöst, kann dieser im Fall einer nicht erfolgten oder fehlerhaften Ausführung des Zahlungsauftrags verlangen, dass sein Zahlungsdienstleister diesen Zahlungsauftrag unverzüglich, gegebenenfalls erneut, an den Zahlungsdienstleister des Zahlers übermittelt. Weist der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers nach, dass er die ihm bei der Ausführung des Zahlungsvorgangs obliegenden Pflichten erfüllt hat, hat der Zahlungsdienstleister des Zahlers dem Zahler gegebenenfalls unverzüglich den ungekürzten Zahlungsbetrag entsprechend Absatz 1 Satz 1 und 2 zu erstatten. Soweit vom Zahlungsbetrag entgegen § 675q Abs. 1 und 2 Entgelte abgezogen wurden, hat der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers den abgezogenen Betrag dem Zahlungsempfänger unverzüglich verfügbar zu machen.
(3) Wird ein Zahlungsvorgang vom Zahler ausgelöst, kann dieser im Fall einer verspäteten Ausführung des Zahlungsauftrags verlangen, dass sein Zahlungsdienstleister gegen den Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers den Anspruch nach Satz 2 geltend macht. Der Zahlungsdienstleister des Zahlers kann vom Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers verlangen, die Gutschrift des Zahlungsbetrags auf dem Zahlungskonto des Zahlungsempfängers so vorzunehmen, als sei der Zahlungsvorgang ordnungsgemäß ausgeführt worden. Wird ein Zahlungsvorgang vom Zahler über einen Zahlungsauslösedienstleister ausgelöst, so trifft die Pflicht aus Satz 1 den kontoführenden Zahlungsdienstleister. Weist der Zahlungsdienstleister des Zahlers nach, dass der Zahlungsbetrag rechtzeitig beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers eingegangen ist, entfällt die Haftung nach diesem Absatz.
(4) Wird ein Zahlungsvorgang vom oder über den Zahlungsempfänger ausgelöst, kann dieser im Fall einer verspäteten Übermittlung des Zahlungsauftrags verlangen, dass sein Zahlungsdienstleister die Gutschrift des Zahlungsbetrags auf dem Zahlungskonto des Zahlungsempfängers so vornimmt, als sei der Zahlungsvorgang ordnungsgemäß ausgeführt worden. Weist der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers nach, dass er den Zahlungsauftrag rechtzeitig an den Zahlungsdienstleister des Zahlers übermittelt hat, ist der Zahlungsdienstleister des Zahlers verpflichtet, dem Zahler gegebenenfalls unverzüglich den ungekürzten Zahlungsbetrag nach Absatz 1 Satz 1 und 2 zu erstatten. Dies gilt nicht, wenn der Zahlungsdienstleister des Zahlers nachweist, dass der Zahlungsbetrag lediglich verspätet beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers eingegangen ist. In diesem Fall ist der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers verpflichtet, den Zahlungsbetrag entsprechend Satz 1 auf dem Zahlungskonto des Zahlungsempfängers gutzuschreiben.
(5) Ansprüche des Zahlungsdienstnutzers gegen seinen Zahlungsdienstleister nach Absatz 1 Satz 1 und 2 sowie Absatz 2 Satz 2 bestehen nicht, soweit der Zahlungsauftrag in Übereinstimmung mit der vom Zahlungsdienstnutzer angegebenen fehlerhaften Kundenkennung ausgeführt wurde. In diesem Fall kann der Zahler von seinem Zahlungsdienstleister jedoch verlangen, dass dieser sich im Rahmen seiner Möglichkeiten darum bemüht, den Zahlungsbetrag wiederzuerlangen. Der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers ist verpflichtet, dem Zahlungsdienstleister des Zahlers alle für die Wiedererlangung des Zahlungsbetrags erforderlichen Informationen mitzuteilen. Ist die Wiedererlangung des Zahlungsbetrags nach den Sätzen 2 und 3 nicht möglich, so ist der Zahlungsdienstleister des Zahlers verpflichtet, dem Zahler auf schriftlichen Antrag alle verfügbaren Informationen mitzuteilen, damit der Zahler einen Anspruch auf Erstattung des Zahlungsbetrags geltend machen kann. Der Zahlungsdienstleister kann mit dem Zahlungsdienstnutzer im Zahlungsdiensterahmenvertrag ein Entgelt für Tätigkeiten nach den Sätzen 2 bis 4 vereinbaren.
(6) Ein Zahlungsdienstnutzer kann von seinem Zahlungsdienstleister über die Ansprüche nach den Absätzen 1 und 2 hinaus die Erstattung der Entgelte und Zinsen verlangen, die der Zahlungsdienstleister ihm im Zusammenhang mit der nicht erfolgten oder fehlerhaften Ausführung des Zahlungsvorgangs in Rechnung gestellt oder mit denen er dessen Zahlungskonto belastet hat.
(7) Wurde ein Zahlungsauftrag nicht oder fehlerhaft ausgeführt, hat der Zahlungsdienstleister desjenigen Zahlungsdienstnutzers, der einen Zahlungsvorgang ausgelöst hat oder über den ein Zahlungsvorgang ausgelöst wurde, auf Verlangen seines Zahlungsdienstnutzers den Zahlungsvorgang nachzuvollziehen und seinen Zahlungsdienstnutzer über das Ergebnis zu unterrichten.
(8) Wenn ein Fall des § 675d Absatz 6 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b vorliegt, ist § 675y Absatz 1 bis 4 auf die innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums getätigten Bestandteile des Zahlungsvorgangs nicht anzuwenden.
Source: BMJ
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Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB)

Prüfungsschema für die Stellvertretung bei Willenserklärungen (z.B. bei Vertragsschluss). Erforderlich ist die Abgabe einer eigenen Willenserklärung, dies muss in fremdem Namen geschehen und der Stellvertreter muss mit Vertretungsmacht handeln. Die Vertretungsmacht kann sich aus Gesetz, Rechtsgeschäft oder Rechtsschein ergeben.

 

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Anwendbarkeit und Zulässigkeit der Stellvertretung
  3. Eigene Willenserklärung
  4. Im fremden Namen
  5. Offenkundigkeitsprinzip
  6. Ausnahme vom Offenkundigkeitsprinzip: Geschäft für den, den es angeht
  7. Mit Vertretungsmacht
  8. Gesetzliche Vertretungsmacht
  9. Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht (Vollmacht)
  10. Erteilung der Vollmacht (§ 167 I BGB)
  11. Form der Vollmacht
  12. Rechtsscheinvollmachten
  13. Gesetzliches Fortbestehen der erloschenen Vollmacht (§§ 170-173 BGB, § 15 HGB)
  14. Zurechenbarer Rechtsscheinstatbestand (§§ 170-172 BGB, 15 HGB)
  15. Schutzwürdiges Vertrauen des Geschäftspartners (§ 173 BGB)
  16. Kausalität des Vertrauens für Abschluss des Rechtsgeschäfts
  17. Duldungsvollmacht
  18. Zurechenbarer Rechtsscheinstatbestand: Dulden des Auftretens als Stellvertreter
  19. Schutzwürdiges Vertrauen des Geschäftspartners
  20. Kausalität des Vertrauens für Abschluss des Rechtsgeschäfts
  21. Anscheinsvollmacht (str.)
  22. Anwendbarkeit
  23. Zurechenbarer Rechtsscheinstatbestand: Anschein der Stellvertretung
  24. Schutzwürdiges Vertrauen des Geschäftspartners
  25. Kausalität des Vertrauens für Abschluss des Rechtsgeschäfts
  26. Allgemeine Rechtsscheinshaftung (str.)
  27. Zurechenbarer Rechtsscheinstatbestand
  28. Schutzwürdiges Vertrauen des Geschäftspartners
  29. Kausalität des Vertrauens für Abschluss des Rechtsgeschäfts
  30. Kein Erlöschen der Vollmacht
  31. Umfang und Beschränkungen der Vertretungsmacht
  32. Umfang einer Vollmacht
  33. Verbot der Selbstkontrahierung und Mehrvertretung (§ 181 BGB)
  34. Missbrauch der Vollmacht
  35. Rechtsfolgen

 

Anwendbarkeit und Zulässigkeit der Stellvertretung

  • Die Regeln über die Stellvertretung sind nur auf Willenserklärungen (WE) anwendbar, nicht aber auf Realakte wie die Übergabe. Hier kommen stattdessen Regelungen über mittelbaren Besitz, Besitzdienerschaft oder Geheißerwerb in Betracht. Siehe zur Unterscheidung die Übersicht: Rechtserhebliche Handlungen.
  • Die Stellvertretung ist unzulässig bei höchstpersönlichen Rechtsgeschäften.
    Beispiel: Eheschließung (§ 1311 BGB), Testament (§ 2064 BGB); Gesetz spricht dann meist von „persönlicher“ Abgabe der WE

Auf die Zulässigkeit der Stellvertretung ist im Rahmen eines Gutachtens nur einzugehen, sofern hieran Zweifel bestehen.

 

Eigene Willenserklärung

  • Stellvertreter muss eine eigene WE abgeben, d.h. Stellvertreter hat eigenen Entscheidungsspielraum
  • Anders der ≠ Bote, der nur eine fremde WE übermittelt. Entscheidend für die Abgrenzung ist die Auslegung nach verobjektiviertem Empfängerhorizont (siehe die Übersicht: Auslegung von WE bei § 133 BGB).
  • Bei Anfechtung ist auf Irrtum/Täuschung des Vertreters abzustellen (≠ Bote) 
  • Stellvertreter muss mindestens beschränkt geschäftsfähig sein (§ 165 BGB; ≠Bote)

 

Im fremden Namen

Offenkundigkeitsprinzip

  • WE muss erkennbar im Namen des Vertretenen abgegeben werden (Offenkundigkeitsprinzip).
  • Person des Vertretenen kann sich auch aus den Umständen ergeben (§ 164 I 2 BGB); bei unternehmensbezogenen Geschäften ist regelm. davon auszugehen, dass der Unternehmensinhaber berechtigt und verpflichtet werden soll.
  • Ausreichend ist die Bestimmbarkeit des Vertretenen.
  • Ob Eigen- oder Fremdgeschäft vorliegt, ist durch Auslegung nach verobjektiviertem Empfängerhorizont zu ermitteln (hierzu die Übersicht bei § 133 BGB); im Zweifel liegt ein Eigengeschäft vor (§ 164 II BGB).

Wer ist Vertragspartner bei Handeln unter fremden Namen?

  • Namenstäuschung
    Beispiel: Gast checkt unter falschem Namen in Standard-Hotelzimmer ein und zahlt bar. Dem Hotel ist der Name des Gastes gleichgültig.
    → Geschäft des Handelnden, wenn die Nutzung des falschen Namens keine Fehlvorstellung über die Identität auslöst (h.M.).

  • Identitätstäuschung
    Beispiel: Gast checkt unter dem Namen eines Stammgastes in Senior-Suite ein und wird vom Personal für diesen gehalten.
    → Geschäft des Namensträgers, wenn Verwendung beim Adressaten zur falschen Vorstellung über die Identität führt (h.M.). Regelm. liegt Stellvertretung ohne Vertretungsmacht vor (s.u.).

 

Ausnahme vom Offenkundigkeitsprinzip: Geschäft für den, den es angeht

Bei Bargeschäften des täglichen Lebens ist dem Vertragspartner die Person des Vertragsschließenden regelm. gleichgültig, sodass eine Offenlegung der Stellvertretung nicht erforderlich ist.

 

Mit Vertretungsmacht

Die WE wird dem Vertretenen zugerechnet, wenn Stellvertreter mit Vertretungsmacht gehandelt hat.

 

Gesetzliche Vertretungsmacht

Die Vertretungsmacht kann sich aus gesetzlichen Vorschriften ergeben.

Beispiele:

  • Eltern vertreten ihre Kinder (§§ 1626, 1629 BGB)
  • Ehepartner vertreten sich gegenseitig bei Geschäften zur Deckung des Lebensbedarfs (§ 1357 BGB)
  • Geschäftsführer vertritt die GmbH (§ 35 GmbHG); Vorstand vertritt die AG (§ 78 AktG); Gesellschafter vertreten OHG (§ 125 S. 1 HGB) oder GbR (§§ 714, 709 I BGB)

 

Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht (Vollmacht)

Erteilung der Vollmacht (§ 167 I BGB)

  • Vollmacht wird durch einseitige empfangsbedürftige WE gegenüb. Vertreter (Innenvollmacht, § 167 I Alt. 1 BGB) oder gegenüb. Geschäftspartner (Außenvollmacht, § 167 I Alt. 2 BGB) erteilt.
  • Der Bevollmächtigte kann wiederum Untervollmachten erteilen, die über den Umfang seiner Vollmacht nicht hinausgehen können.

 

Form der Vollmacht

  • Grundsätzliche Formfreiheit
    Erteilung bedarf grds. keiner Form (§ 167 II BGB); kann auch konkludent erteilt werden. 
    Beispiel: Einstellung als Einkaufsleiter bevollmächtigt regelm. zum Abschluss von Einkäufen für das Unternehmen
  • Formerfordernisse
    • Für bestimmte Vollmachten finden sich aber ausnahmsweise gesetzliche Formvorschriften vor (z.B. §§ 492 IV, 1484 II, 1945 III BGB, § 2 II GmbHG, §§ 134 III, 135 AktG, § 80 ZPO, § 12 HGB); daneben existieren auch formelle Formvorschriften (z.B. § 29 GBO); sofern Eintragungspflichten bestehen (z.B. § 53 I HGB, § 64 BGB) sind diese nur deklaratorisch.
    • Die Vollmacht ist auch ausnahmsweise formbedürftig, wenn sich der Vertretene rechtlich und tatsächlich in gleicher Weise bindet, wie durch die Vornahme eines formgebundenen Rechtsgeschäfts; dies ist insb. bei unwiderruflichen Vollmachten zur Vornahme formbedürftiger Rechtsgeschäfte der Fall, sodass sich die Formvorschrift auf die Vollmachtserteilung erstreckt (zur Unwiderruflichkeit s.u.).

 

Rechtsscheinvollmachten

Gesetzliches Fortbestehen der erloschenen Vollmacht (§§ 170-173 BGB, § 15 HGB)
Zurechenbarer Rechtsscheinstatbestand (§§ 170-172 BGB, 15 HGB)

Gesetzlich geregelte Fälle eines zurechenbaren Rechtsscheintatbestandes:

  • Die Vollmacht wurde durch Erklärung gegenüber dem Geschäftspartner erteilt, der Widerruf diesem aber nicht angezeigt (§ 170 BGB).
  • Die (tatsächliche oder vermeintliche) Vollmacht wurde durch besondere Mitteilung oder öffentliche Bekanntmachung kundgegeben, aber nicht in derselben Weise widerrufen (§ 171 BGB).
  • Dem Dritten wurde vom Vertreter eine Vollmachtsurkunde vorgelegt, die dem Vollmachtgeber nicht zurückgegeben oder für kraftlos erklärt wurde (§ 172 BGB).
  • Erlöschen einer eintragungspflichtigen Vertretungsmacht wird nicht ins Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht (§ 15 I HGB).
  • Bestehen einer Vertretungsmacht wird unrichtiger Weise ins Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht (§ 15 III HGB).
Schutzwürdiges Vertrauen des Geschäftspartners (§ 173 BGB)

Geschäftspartner hatte keine Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von Erlöschen der Vertretungsmacht (Gutgläubigkeit).

Kausalität des Vertrauens für Abschluss des Rechtsgeschäfts

Geschäftspartner hätte Rechtsgeschäft bei Kenntnis der wahren Rechtslage nicht abgeschlossen.

 

Duldungsvollmacht
Zurechenbarer Rechtsscheinstatbestand: Dulden des Auftretens als Stellvertreter

Geschäftsherr kennt und duldet Auftreten des vermeintlichen Stellvertreters trotz Verhinderungsmöglichkeit.

Schutzwürdiges Vertrauen des Geschäftspartners

Geschäftspartner hatte keine Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von Fehlen der Vertretungsmacht (Gutgläubigkeit).

Kausalität des Vertrauens für Abschluss des Rechtsgeschäfts

Geschäftspartner hätte Rechtsgeschäft bei Kenntnis der wahren Rechtslage nicht abgeschlossen.

 

Anscheinsvollmacht (str.)
Anwendbarkeit

Stellt die Anscheinsvollmacht einen rechtlich anerkannten Fall der Vertretungsmacht dar?

  • h.M.: (+) Anscheinsvollmacht anerkannt
    (pro) Telos: Vertrauensschutz im Rechtsverkehr; Mangel für Erklärungsempfänger nicht erkennbar. 
    (pro) Systematik: Auch bei ‚potentiellem Erklärungsbewusstsein‘ reicht fahrlässiges Verhalten (nach h.M.) für Fiktion einer WE aus; §§ 170 – 172 BGB zeigen, dass fahrlässiges Verhalten zum (Fort-)Bestand einer Vollmacht führen können.

  • a.A.: (-) Anscheinsvollmacht nicht anerkannt
    (pro) Systematik:

    • Privatautonomie; anders als bei Duldungsvollmacht hier keine Anknüpfung an Willensakt des Vertretenen; Fahrlässigkeit stellt keine WE dar.

    • Bei §§ 170 – 172 BGB besteht Anlass für Vertretenen zu besondere Sorgfalt; hier nicht

    • Gesetzgeber hat in §§ 177-179 BGB Regelungen für Vertreter ohne Vertretungsmacht geschaffen, die Dritten schützen.

    • Sorgfaltspflichtverletzungen sind durch SE zu kompensieren; in Betracht kommt Schadensersatz wegen c.i.c. gem. §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB; Haftung des Geschäftsherrn auf Vertrauensschaden beschränkt.

Zurechenbarer Rechtsscheinstatbestand: Anschein der Stellvertretung
  • Geschäftsherr kannte Auftreten des vermeintlichen Stellvertreters nicht, hätte es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt erkennen und verhindern können.
  • Auftreten von gewisser Dauer und Häufigkeit erforderlich (str..)
  • Zurechnung, aufgrund von Fahrlässigkeit; a.A.: aufgrund Beherrschbarkeit der eigenen Risikosphäre.
Schutzwürdiges Vertrauen des Geschäftspartners

Geschäftspartner hatte keine Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von Fehlen der Vertretungsmacht (Gutgläubigkeit).

Kausalität des Vertrauens für Abschluss des Rechtsgeschäfts

Geschäftspartner hätte Rechtsgeschäft bei Kenntnis der wahren Rechtslage nicht abgeschlossen.

 

Allgemeine Rechtsscheinshaftung (str.)

Str. ob neben o.g. Tatbeständen noch generelle Rechtsscheinshaftung in Betracht kommt; die h.M. wendet den die Grundsätze jedenfalls im kaufmännischen Rechtsverkehr an.

Zurechenbarer Rechtsscheinstatbestand

Geschäftsherr setzt in zurechenbarer Weise den Rechtsschein einer Vollmacht.

Schutzwürdiges Vertrauen des Geschäftspartners

Geschäftspartner hatte keine Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von Fehlen der Vertretungsmacht (Gutgläubigkeit).

Kausalität des Vertrauens für Abschluss des Rechtsgeschäfts

Geschäftspartner hätte Rechtsgeschäft bei Kenntnis der wahren Rechtslage nicht abgeschlossen.

 

Kein Erlöschen der Vollmacht

  • Widerruf
    • Die Vollmacht ist grds. jederzeit widerruflich; Widerruf durch einseitige empfangsbedürftige WE ebenso wie Erteilung gegenüb. dem Bevollmächtigten oder gegenüb. dem Geschäftspartner (§§ 168 S. 3, 167 I BGB).
    • Sonderfall: Unwiderrufliche Vollmacht
      • Vollmacht kann unwiderruflich erteilt werden (s. § 168 S. 2 BGB); h.M. fordert dann Erteilung durch Vertrag.
      • Nur bei legitimem Interesse des Bevollmächtigten z.B. weil dieser Gegenleistung erbringt; nicht bei Generalvollmachten.
      • Zum Formerfordernis bei Vollmacht zu formbedürftigen Rechtsgeschäften s.o.
  • Anfechtung der Vollmacht
    • Wegen der Widerruflichkeit kommt eine Anfechtung nur bei unwiderruflichen oder bereits ausgeübten Vollmachten in Betracht.
    • Die Anfechtung einer unwiderruflichen Vollmacht ist nach Maßgabe der allgemeinen Regeln anfechtbar.

Ist die Anfechtung der ausgeübten Innenvollmacht möglich?

  • e.A.: (-) Nein, die ausgeübte Innenvollmacht ist grds. nicht anfechtbar
    Anfechtung nur möglich, wenn Mangel auf Vertretergeschäft durchschlägt.
    (pro) Systematik: Geschäftspartner würde sonst Ansprüche gg. Vertretenen verlieren; Geschäftspartner steht auch kein Schadensersatz aus § 122 BGB zu, da dieser nicht Anfechtungsgegner ist; Telos: Geschäftspartner ist schutzwürdiger als Vertretener.

  • h.M.: (+) Ja, die ausgeübte Innenvollmacht ist anfechtbar
    (pro) Systematik: Geschäftspartner wird durch Anspruch gg. Vertreter nach § 179 BGB geschützt und erhält Anspruch gegen Vertretenen analog § 122 BGB; Gutgläubiger Vertreter kann sich bei Vertretenem durch Schadensersatzanspruch nach § 122 BGB schadlos halten.

Ist die Anfechtung von Rechtsscheinsvollmachten möglich?

  • e.A.: (-) Nein, keine Anfechtung möglich
    (pro) Da die Erteilung nicht durch WE erfolgt, kommen Willensmängel nicht in Betracht

  • a.A.: (+) Ja, Anfechtung möglich
    (pro) Rechtsscheinsvollmacht soll nicht weiter reichen als tatsächliche Vollmacht.

 

Umfang und Beschränkungen der Vertretungsmacht

Umfang einer Vollmacht

  • Umfang der Vollmacht kann sich aus Gesetz ergeben oder vom Vertretenen bestimmt werden
  • Häufige Formen der Vollmacht
    • Generalvollmacht: berechtigt zur Vornahme sämtlicher Rechtsgeschäfte
    • Spezialvollmacht: berechtigt zur Vornahme eines bestimmten Rechtsgeschäfts
    • Prokura: gesetzlicher Umfang nach §§ 49 HGB
    • Handlungsvollmacht: gesetzliche Regelungen in § 54 HGB
    • Abschlussvertreter: gesetzliche Regelungen in § 55 HGB
    • Angestellte in Laden oder Warenlager: gesetzliche Regelungen in § 56 HGB

Verbot der Selbstkontrahierung und Mehrvertretung (§ 181 BGB)

  • Stellvertreter kann Vertrag im Namen des Vertretenen nicht mit sich selbst oder mit sich als Vertreter eines Dritten schließen, sofern Vertretener dies nicht gestattet hat
  • Beschränkung des § 181 BGB findet keine Anwendung (teleologische Reduktion), wenn Rechtsgeschäft für Vertretenen lediglich rechtlich vorteilhaft ist

Missbrauch der Vollmacht

  • Keine Wirkung der Vollmacht, wenn Überschreiten der Vollmacht für Vertragspartner offensichtlich war (Evidenz, § 242 BGB)
  • Keine Wirkung der Vollmacht bei kollusivem Zusammenwirken von Vertreter und Geschäftspartner (§ 138 I BGB, a.A. § 177 I BGB)

 

 

Rechtsfolgen

Die Willenserklärung des Stellvertreters wird dem Vertretenen zugerechnet.

 

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