BGB
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in § 1631e BGB

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Bürgerliches Gesetzbuch

ZivilrechtBürgerliches Recht

Familienrecht

(1) Die Personensorge umfasst nicht das Recht, in eine Behandlung eines nicht einwilligungsfähigen Kindes mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung einzuwilligen oder selbst diese Behandlung durchzuführen, die, ohne dass ein weiterer Grund für die Behandlung hinzutritt, allein in der Absicht erfolgt, das körperliche Erscheinungsbild des Kindes an das des männlichen oder des weiblichen Geschlechts anzugleichen.
(2) In operative Eingriffe an den inneren oder äußeren Geschlechtsmerkmalen des nicht einwilligungsfähigen Kindes mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung, die eine Angleichung des körperlichen Erscheinungsbilds des Kindes an das des männlichen oder des weiblichen Geschlechts zur Folge haben könnten und für die nicht bereits nach Absatz 1 die Einwilligungsbefugnis fehlt, können die Eltern nur einwilligen, wenn der Eingriff nicht bis zu einer selbstbestimmten Entscheidung des Kindes aufgeschoben werden kann. § 1809 ist nicht anzuwenden.
(3) Die Einwilligung nach Absatz 2 Satz 1 bedarf der Genehmigung des Familiengerichts, es sei denn, der operative Eingriff ist zur Abwehr einer Gefahr für das Leben oder für die Gesundheit des Kindes erforderlich und kann nicht bis zur Erteilung der Genehmigung aufgeschoben werden. Die Genehmigung ist auf Antrag der Eltern zu erteilen, wenn der geplante Eingriff dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Legen die Eltern dem Familiengericht eine den Eingriff befürwortende Stellungnahme einer interdisziplinären Kommission nach Absatz 4 vor, wird vermutet, dass der geplante Eingriff dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
(4) Einer interdisziplinären Kommission sollen zumindest die folgenden Personen angehören:
1.
der das Kind Behandelnde gemäß § 630a,
2.
mindestens eine weitere ärztliche Person,
3.
eine Person, die über eine psychologische, kinder- und jugendlichenpsychotherapeutische oder kinder- und jugendpsychiatrische Berufsqualifikation verfügt, und
4.
eine in Ethik aus-, weiter- oder fortgebildete Person.
Die ärztlichen Kommissionsmitglieder müssen unterschiedliche kinderheilkundliche Spezialisierungen aufweisen. Unter ihnen muss ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit dem Schwerpunkt Kinderendokrinologie und -diabetologie sein. Ein Kommissionsmitglied nach Satz 1 Nummer 2 darf nicht in der Einrichtung der medizinischen Versorgung beschäftigt sein, in der der operative Eingriff durchgeführt werden soll. Sämtliche Kommissionsmitglieder müssen Erfahrung im Umgang mit Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung haben. Auf Wunsch der Eltern soll die Kommission eine Beratungsperson mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung beteiligen.
(5) Die den operativen Eingriff nach Absatz 2 Satz 1 befürwortende Stellungnahme der interdisziplinären Kommission hat insbesondere folgende Angaben zu enthalten:
1.
die Bezeichnung der Mitglieder der Kommission und Informationen zu ihrer Befähigung,
2.
das Alter des Kindes und ob und welche Variante der Geschlechtsentwicklung es aufweist,
3.
die Bezeichnung des geplanten Eingriffs und welche Indikation für diesen besteht,
4.
warum die Kommission den Eingriff unter Berücksichtigung des Kindeswohls befürwortet und ob er aus ihrer Sicht dem Wohl des Kindes am besten entspricht, insbesondere welche Risiken mit diesem Eingriff, mit einer anderen Behandlung oder mit dem Verzicht auf einen Eingriff bis zu einer selbstbestimmten Entscheidung des Kindes verbunden sind,
5.
ob und durch welche Kommissionsmitglieder ein Gespräch mit den Eltern und dem Kind geführt wurde und ob und durch welche Kommissionsmitglieder die Eltern und das Kind zum Umgang mit dieser Variante der Geschlechtsentwicklung aufgeklärt und beraten wurden,
6.
ob eine Beratung der Eltern und des Kindes durch eine Beratungsperson mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung stattgefunden hat,
7.
inwieweit das Kind in der Lage ist, sich eine Meinung zu bilden und zu äußern und ob der geplante Eingriff seinem Willen entspricht, sowie
8.
ob die nach Absatz 4 Satz 6 beteiligte Beratungsperson mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung die befürwortende Stellungnahme mitträgt.
Die Stellungnahme muss von allen Mitgliedern der interdisziplinären Kommission unterschrieben sein.
(6) Der Behandelnde gemäß § 630a hat, wenn eine Behandlung an den inneren oder äußeren Geschlechtsmerkmalen erfolgt ist, die Patientenakte bis zu dem Tag aufzubewahren, an dem die behandelte Person ihr 48. Lebensjahr vollendet.
Source: BMJ
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Notwehr (§ 32 StGB)

StrafrechtStrafrecht AT

Prüfungsschema zum Rechtfertigungsgrund der Notwehr (§ 32 StGB): Täter nimmt eine Handlung vor, die erforderlich und geboten ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff auf sich oder andere (dann: Nothilfe) abzuwenden.

 

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Objektive Voraussetzungen
  3. Notwehrlage
  4. Gegenwärtiger Angriff
  5. Notwehrfähiges Rechtsgut
  6. Rechtswidrigkeit
  7. Notwehrhandlung
  8. Verteidigungshandlung
  9. Erforderlichkeit
  10. Gebotenheit
  11. Ausschluss des Notwehrrechts
  12. Einschränkung des Notwehrrechts
  13. Subjektive Voraussetzungen
  14. Kenntnis der Notwehrlage
  15. Verteidigungsabsicht (str.)

 

  • Rechtsgut
    Die Notwehr dient gem. der dualistischen Notwehrkonzeption sowohl den individuellen Rechtsgütern des Angegriffenen als auch der Allgemeinheit (Rechtsbewährungsprinzip; Angegriffener verteidigt die Rechtsordnung).

Die Notwehr wird im Rahmen der Rechtswidrigkeit geprüft und lässt diese bei Vorliegen entfallen.

Objektive Voraussetzungen

Notwehrlage

Notwehrlage i.S.d. § 32 StGB = Gegenwärtiger rechtswidriger Angriff eines Menschen auf ein notwehrfähiges Rechtsgut des Täters (Notwehr) oder eines Dritten (Nothilfe)

Gegenwärtiger Angriff

Angriff = Jede durch menschliches Verhalten (h.M.: auch fahrlässig, durch Unterlassen oder schuldlos) drohende Verletzung rechtlich geschützter Güter oder Interessen

Gegenwärtig i.S.d. § 32 StGB = Angriff steht unmittelbar bevor, hat begonnen oder dauert noch fort

  • Zeitliche Komponente
    Ca. Sekunden um den Angriff; ggf. auch noch nach Vollendung, aber nicht nach Beendigung (Fehlschlag, endgültige Aufgabe oder vollständige Durchführung)

 

Notwehrfähiges Rechtsgut

Notwehrfähige Rechtsgüter sind im Rahmen des § 32 StGB lediglich individuelle und keine kollektiven Rechtsgüter (h.M.).

 

Rechtswidrigkeit

Rechtswidrig = Angriff steht im Widerspruch zur Rechtsordnung

Der Angriff muss hierfür i.R.d. § 32 StGB nicht mit Strafe bedroht sein. Umfasst sind etwa auch Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts). Nicht umfasst sind jedoch Angriffe, die selbst gerechtfertigt sind – z.B. durch Notwehr (‚keine Notwehr gegen Notwehr‘).

 

Liegt Rechtswidrigkeit (Notwehr gegen Notwehr) beim unvermeidbaren Irrtum über Vorliegen eines Angriffs vor?

Beispiel: A und B täuschen einen tätlichen Streit vor. C hält dies unvermeidbar für eine Notwehrlage, will schlichten und geht auf A und B los. B hält ihn gewaltsam zurück (Nötigung, § 240 StGB). Ist das gewaltsame Zurückhalten des B aufgrund eines 'Angriffs' des C gerechtfertigt?

  • Rspr.: (+) Rechtswidrigkeit des Angriffs gegeben
    (pro): Lediglich drohendes Erfolgsunrecht des Angriffs ist entscheidend 
    Im Beispiel: Der Schlichtungsversuch des C bedeutet Erfolgsunrecht für B, sodass ein rechtswidriger Angriff des C vorliegt → Zurückhalten des B war gerechtfertigt

  • h.L.: (-) Keine Rechtswidrigkeit des Angriffs
    (pro): Verhaltensunrecht ist maßgeblich 
    Im Beispiel: Der Irrtum des C war unvermeidbar, sodass kein Handlungsunrecht vorliegt. Der Schlichtungsversuch des C ist somit kein rechtswidriger Angriff. → Zurückhalten des B war nicht gerechtfertigt

 

Liegt keine Notwehrlage vor, ist umstritten, ob ein - im Rahmen der Schuld gesondert zu prüfender - sog. „extensiver Notwehrexzess“ gem. § 33 StGB in Frage kommt. Die h.M. lehnt dies ab. Siehe hierzu das Schema Entschuldigender Notwehrexzess (§ 33 StGB).

 

Notwehrhandlung

Notwehrhandlung = Erforderliche Verteidigungshandlung, die geboten ist, um den Angriff abzuwehren.

 

Verteidigungshandlung

Die Verteidigungshandlung muss sich gegen den Angreifer wenden (keine Drittwirkung). 

Bei Handlungen, die in die Rechtsgüter Dritter eingreifen, kommen die Notstandsregelungen als Rechtfertigung in Betracht (s. das Schema bei § 34 StGB, bei § 904 BGB sowie bei § 228 BGB).

 

Erforderlichkeit

Im Rahmen des Erforderlichkeitsmerkmals des § 32 StGB wird sowohl geprüft...

  • ob die Handlung geeignet ist, den Angriff zumindest abzuschwächen oder die Gefahr der Rechtsgutsverletzung zu verringern, als auch
  • ob sie unter mehreren gleich geeigneten Mitteln das mildeste ist. Ein Ausweichen ist dem Angegriffenen dabei nicht als mildestes Mittel zuzumuten. (Merksatz: „Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen“.)

Die Notwehr des § 32 StGB erfordert keine Verhältnismäßigkeitsprüfung i.S.e. Güterabwägung. Arg.: Durch den Angriff verlieren die Rechtsgüter des Angreifers ihre Schutzwürdigkeit. Zu Einschränkungen siehe aber c) Gebotenheit.

 

Gebotenheit

Geboten i.S.d. § 32 StGB = Wenn die Rechtsordnung ihrer zur Bewährung bedarf

Aufgrund der Schärfe des Notwehrrechts bedarf es in den folgenden Fallgruppen der Einschränkungen aus rechtsethischen Erwägungen (h.M.):

Ausschluss des Notwehrrechts

In den folgenden Fällen entfällt die Gebotenheit; der Angegriffene kann sich nicht auf Notwehr berufen:

  • Bagatellangriffe des Angreifers
    Hier liegt ein Angriff vor, der die Erheblichkeitsschwelle nicht überschreitet
    z.B. Drängeln mit Körperkontakt

  • Krasses Missverhältnis zwischen Angriff und Notwehrhandlung
    Hier setzt der Verteidiger lebensgefährliche Verteidigungsmittel zum Schutz geringwertiger Rechtsgüter ein
    z.B. Schuss auf Dieb eines Kaugummis

  • Tötung als Notwehrhandlung (str.)

    • e.A.: Gebotenheit entfällt bei absichtlicher oder wissentlicher Tötung (Arg.: Art. 2 II 1 EMRK).

    • a.A.: Gebotenheit entfällt auch dann nicht (Art.: EMRK bindet nur den Staat und nicht Private).

  • Absichtliche Notwehrprovokation durch den Verteidiger
    Hier provoziert der Angegriffene den Angriff absichtlich, um sich im Schutze der Notwehr hiergegen verteidigen zu können. Nach dualistischer Notwehrkonzeption unternimmt der Angegriffene keine Verteidigung der Rechtsordnung, sondern missbraucht diese.

  • Notwehr gegen Erpressung mit Enthüllungen (str.)
    Hier droht der Angreifer dem Angegriffenen mit kompromittierenden Enthüllungen („Chantage“) → Gebotenheit der Notwehr entfällt nicht bei leichten bis mittelschweren Gegenmaßnahmen (etwa Delikte nach §§ 123, 303 StGB zur Beseitigung der Beweismittel); Gebotenheit der Notwehr entfällt jedoch bei schweren Gegenmaßnahmen (etwa Delikte gegen den Körper oder gar das Leben des Erpressers) (Arg.: Opfer hätte sich an Strafverfolgungsbehörden wenden können / sollen).

 

Einschränkung des Notwehrrechts

In den folgenden Fällen ist das Notwehrrecht eingeschränkt und der Angegriffene muss ...

  1. wenn möglich dem Angriff ausweichen,
    2. wenn ein Ausweichen nicht möglich ist, Schutzwehr üben, d.h. den Angriff abwehren, 
    3. erst wenn Ausweichen und Schutzwehr nicht möglich sind, darf er Trutzwehr üben, d.h. zum Gegenangriff übergehen.

 

  • Angriff durch Familienangehörige und besonders nahestehende Personen
    Arg.: Pflicht zu besonderer Fürsorge / Beschützergarantenstellung; a.A.: Freibrief für Ehe-/Familienmisshandlungen, daher nur bei intakten Beziehungen).

  • Angriff durch erkennbar Schuldlose oder Irrende 

  • Fahrlässige Notwehrprovokation und sonst vorwerfbar provozierte Angriffe
    e.A.: nur bei rechtswidriger Provokation; a.A.: bereits bei sozialethisch zu beanstandender Provokation; je schwerer die Provokation, desto mehr muss der Provokateur hinnehmen

 

Subjektive Voraussetzungen

Sind subjektive Rechtfertigungsvoraussetzungen nötig?

  • h.M.: (+) Ja 
    (pro) Wortlaut „um zu“; nur so wird neben dem Erfolgsunwert auch der Handlungsunwert des Angriffs beseitigt

  • a.A.: (-) Nein
    (pro) Eine objektiv erlaubte Handlung kann nicht rechtswidrig sein (wenn subj. Elemente fehlen)

Kenntnis der Notwehrlage

Kenntnis der objektiven Umstände der Notwehr / Nothilfe.

 

Verteidigungsabsicht (str.)

  • h.M.: Verteidigung muss primäres Motiv der Abwehrhandlung sein (Arg.: Wortlaut „um zu“)
    z.B. nicht: Besondere Bestrafung für Vergangenes aufgrund aufwallender Wut

  • a.A.: Keine spez. Verteidigungsabsicht erforderlich

Was ist die Folge des Nichtvorliegens der subjektiven Rechtfertigungsvoraussetzungen der Notwehr?

  • e.A.: Ganz normale Strafbarkeit nach vollendetem Delikt.

  • a.A.: Strafbarkeit nach vollendetem Delikt, aber geringere Strafzumessung (§ 49 StGB analog; „Rechtsfolgenlösung“); klausurtaktisch vorzugswürdig, da keine separate Versuchsprüfung nötig.

  • a.A.: Keine Strafbarkeit nach vollendetem Delikt, aber Versuchsstrafbarkeit (§ 23 StGB analog; „Versuchslösung“); Arg.: Wie beim Versuch nur Handlungsunwert, aber kein Erfolgsunwert vorhanden); in Klausur separate Versuchsprüfung.

 

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