StGB
Verweise
in § 78c StGB

StGB  
Strafgesetzbuch

Strafrecht

Strafrecht AT

(1) Die Verjährung wird unterbrochen durch
1.
die erste Vernehmung des Beschuldigten, die Bekanntgabe, daß gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe,
2.
jede richterliche Vernehmung des Beschuldigten oder deren Anordnung,
3.
jede Beauftragung eines Sachverständigen durch den Richter oder Staatsanwalt, wenn vorher der Beschuldigte vernommen oder ihm die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben worden ist,
4.
jede richterliche Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,
5.
den Haftbefehl, den Unterbringungsbefehl, den Vorführungsbefehl und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,
6.
die Erhebung der öffentlichen Klage,
7.
die Eröffnung des Hauptverfahrens,
8.
jede Anberaumung einer Hauptverhandlung,
9.
den Strafbefehl oder eine andere dem Urteil entsprechende Entscheidung,
10.
die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens oder im Verfahren gegen Abwesende zur Ermittlung des Aufenthalts des Angeschuldigten oder zur Sicherung von Beweisen ergeht,
11.
die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Verhandlungsunfähigkeit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens zur Überprüfung der Verhandlungsfähigkeit des Angeschuldigten ergeht, oder
12.
jedes richterliche Ersuchen, eine Untersuchungshandlung im Ausland vorzunehmen.
Im Sicherungsverfahren und im selbständigen Verfahren wird die Verjährung durch die dem Satz 1 entsprechenden Handlungen zur Durchführung des Sicherungsverfahrens oder des selbständigen Verfahrens unterbrochen.
(2) Die Verjährung ist bei einer schriftlichen Anordnung oder Entscheidung in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem die Anordnung oder Entscheidung abgefasst wird. Ist das Dokument nicht alsbald nach der Abfassung in den Geschäftsgang gelangt, so ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem es tatsächlich in den Geschäftsgang gegeben worden ist.
(3) Nach jeder Unterbrechung beginnt die Verjährung von neuem. Die Verfolgung ist jedoch spätestens verjährt, wenn seit dem in § 78a bezeichneten Zeitpunkt das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist und, wenn die Verjährungsfrist nach besonderen Gesetzen kürzer ist als drei Jahre, mindestens drei Jahre verstrichen sind. § 78b bleibt unberührt.
(4) Die Unterbrechung wirkt nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Handlung bezieht.
(5) Wird ein Gesetz, das bei der Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert und verkürzt sich hierdurch die Frist der Verjährung, so bleiben Unterbrechungshandlungen, die vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts vorgenommen worden sind, wirksam, auch wenn im Zeitpunkt der Unterbrechung die Verfolgung nach dem neuen Recht bereits verjährt gewesen wäre.
Quelle: BMJ
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Schwere Brandstiftung mit Gesundheitsgefährdung (§ 306a II StGB)

StrafrechtStrafrecht BTNichtvermögensdelikte

Prüfungsschema zur schweren Brandstiftung (§ 306a II StGB): Bestraft wird, wer bestimmte Tatobjekte in Brand setzt oder durch Brandlegung zerstört und dabei einen anderen Menschen in die konkrete Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt.

 

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Tatbestand
  3. Objektiver Tatbestand
  4. Tatobjekt
  5. Tathandlung
  6. Inbrandsetzen
  7. Ganze / teilweise Zerstörung durch Brandlegung
  8. Konkrete Gefahr der Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen
  9. Kausalität 
  10. Tatspezifischer Gefahrzusammenhang 
  11. Subjektiver Tatbestand
  12. Rechtswidrigkeit
  13. Schuld
  14. Strafzumessung
  15. Minder schwerer Fall (§ 306a III StGB)
  16. Tätige Reue (§ 306e StGB)
  17. Qualifikationen

 

  • Deliktart
    Konkretes Gefährdungsdelikt
  • Rechtsgut
    • Leben und Gesundheit von Menschen
    • Nicht: Eigentum

 

  • Die schwere Brandstiftung nach § 306a II StGB ist ein eigenständiges, konkretes Gefährdungsdelikt. Es muss (anders als beim abstrakten Gefährdungsdelikt des § 306a I StGB) zu einer konkreten Gefahr einer Gesundheitsschädigung von Menschen gekommen sein. 
  • § 306a II StGB steht somit unabhängig und selbstständig neben § 306 I StGB und § 306a I StGB. 
  • Das Tatobjekt des § 306a II StGB muss nicht fremd sein (so beim - das Eigentum schützenden - Erfolgsdelikt § 306 I StGB).

Siehe auch die Übersicht: Brandstiftungsdelikte (§§ 306 ff. StGB)

 

Tatbestand

Objektiver Tatbestand

Tatobjekt

  • Ein in § 306 I Nr. 1-6 genanntes Objekt  siehe Schema Brandstiftung (§ 306 I StGB).

  • Das Tatobjekt braucht nach h.M. nicht fremd zu sein.
    (pro) Systematik: § 306a II StGB verweist nur auf „eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache“ und nicht etwa auf eine „Brandstiftung nach § 306“ – wie etwa § 306b I StGB dies tut.

 

Tathandlung

Inbrandsetzen

siehe Schema Brandstiftung (§ 306 I StGB)

Ganze / teilweise Zerstörung durch Brandlegung

siehe Schema Brandstiftung (§ 306 I StGB)

 

Konkrete Gefahr der Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen

Gesundheitsschädigung = Hervorrufen / Steigern eines pathologischen Zustandes (entspricht § 223 I Alt. 2 StGB).

Konkrete Gefahr = Eintritt / Nichteintritt des schädigenden Ereignisses hängt lediglich vom Zufall ab

Kann auch ein Tatbeteiligter „anderer Mensch“ und somit taugliches Tatobjekt i.S.d. § 306a II StGB sein?

  • e.A.: (+) Ja, Beteiligte sind ebenfalls taugliches Tatobjekt
    (pro) Wortlaut: Umfasst jeden beliebigen anderen

  • a.A.: (-) Nein, Beteiligte sind kein taugliches Tatobjekt
    (pro) Telos: Geringe Schutzwürdigkeit, da sie sich selbst auf die Seite des Unrechts stellen; Systematik: Keine objektive Zurechnung aufgrund eigenverantwortlicher Selbstgefährdung des Beteiligten

 

Kausalität 

Die Tathandlung darf nicht hinweggedacht werden können, ohne dass die Gefahr der Gesundheitsschädigung in ihrer konkreten Gestalt entfiele (sine-qua-non-Formel).

 

Tatspezifischer Gefahrzusammenhang 

Wie auch bei Erfolgsqualifikationen ist nach h.M. auch hier ein tatspezifischer Gefahrzusammenhang erforderlich (Arg.: Wortlaut „dadurch“). Bei § 306a II muss gerade die einer Brandstiftungshandlung (Inbrandsetzung / Brandlegung) typischerweise anhaftende spezifische Gefahr sich in der konkreten Gefahr der Gesundheitsschädigung realisiert haben.

Beispiele: Gefahr von Verbrennungen oder einer Rauchvergiftung; Gefahr eines vorbeilaufenden Passanten bei der Explosion eines Brandsatzes durch Scherben der zerspringenden Fensterscheibe getroffen zu werden

Liegt ein tatspezifischer Gefahrzusammenhang bei ‚Retterschäden‘ vor?

Problem: Rettungswillige begeben sich freiwillig und sehenden Auges in den Gefahrenbereich (zurück).

  • e.A.: (–) Retter nie umfasst
    (pro) Systematik: Stets gefahrzusammenhangsausschließende eigenverantwortliche Selbstgefährdung der Retter.

  • h.M.: (+/–) Retter unter best. Umständen umfasst
    (pro) Historie: Alte Fassung bis 1998 erforderte Anwesenheit des Opfers „zur Zeit der Tat“, was bei nach Inbrandsetzen/Brandlegung eintreffenden Rettern nicht der Fall ist. Gesetzgeber hat dieses Erfordernis jedoch bewusst gestrichen. 
    Differenzierung nach Art der Retter:

    • Berufsretter (insb. Feuerwehr)
      ...sind grundsätzlich umfasst, da diese typischerweise nach Inbrandsetzen/Brandlegung tätig werden; berufliche Rettungspflicht spricht gegen eigenverantwortliche Selbstgefährdung; außer: Rettungsbemühungen sind von vornherein aussichtslos

    • Private Retter
      ... sind nur umfasst, wenn diese aufgrund einer § 35 StGB ähnlichen Drucksituation handeln (insb. Rettung naher Angehöriger), da dann keine eigenverantwortliche Selbstgefährdung, sondern faktischer Rettungszwang 

 

Subjektiver Tatbestand

Mindestens Eventualvorsatz (dolus eventualis) bezüglich der Gefahr einer Gesundheitsschädigung (nicht bezüglich des Eintritts einer Gesundheitsschädigung). 

Bei rein fahrlässiger Herbeiführung der Gefahr § 306d I StGB prüfen.

 

 

Rechtswidrigkeit

Die Rechtswidrigkeit wird durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert. Siehe für eine Übersicht der möglichen Rechtfertigungsgründe die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.

Beachte dabei vorliegend jedoch folgendes Problem:

Ist eine Einwilligung in die schwere Brandstiftung nach § 306a II StGB möglich?

  • h.M.: (+) Ja, Einwilligung möglich
    (pro) Systematik: Da es sich um ein konkretes Gefährdungsdelikt bestimmter Personen handelt, kommt – in den Grenzen des § 228 StGB – auch deren rechtfertigende Einwilligung in Betracht. 
  • a.A.: (-) Nein, Einwilligung nicht möglich
    (pro) Systematik: Delikt schützt auch die Allgemeinheit

 

 

Schuld

Schuld bezeichnet die persönliche Vorwerfbarkeit der Unrechtsverwirklichung. Auch diese wird grundsätzlich angenommen. Siehe für Fälle, in denen sie entfällt (Schuldunfähigkeit, entschuldigende Irrtümer und Entschuldigungsgründe) die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.

 

 

Strafzumessung

Minder schwerer Fall (§ 306a III StGB)

Tätige Reue (§ 306e StGB)

  • Täter löscht Brand (auch mit Hilfe Dritter) freiwillig selbst oder bemüht sich freiwillig und ernsthaft darum…
  • vor Eintritt eines erheblichen Schadens, d.h.
    • bei Sachwerten: Mindestens 2.500€ zur Schadensbereinigung (str.)
    • bei Personenschäden: Körperverletzung mit erheblicher Verletzungsgefahr

 

 

Qualifikationen

  • Besonders schwere Brandstiftung nach § 306b II StGB
    § 306b II StGB stellt eine Qualifikation des § 306a StGB dar. Ist die Qualifikation erfüllt, können die objektiven Qualifikationsmerkmale direkt nach dem objektiven Tatbestand des Grunddeliktes und die subjektiven Qualifikationsmerkmale direkt nach dem subjektiven Tatbestand des Grunddeliktes geprüft werden. Aufgrund der Komplexität der Brandstiftungsdelikte empfiehlt sich jedoch i.d.R. eine getrennte Prüfung. Liegt eine Qualifikation nahe, ist diese aber letztlich nicht erfüllt, empfiehlt sich in jedem Fall eine getrennte Prüfung, um die unterschiedlichen Ergebnisse besser festhalten zu können.

  • Besonders schwere Brandstiftung nach § 306b I StGB
    § 306b I StGB stellt eine Erfolgsqualifikation zu § 306 I, § 306a I und II StGB dar. Letztere sollten zunächst gesondert geprüft werden. Bei der Prüfung der Erfolgsqualifikation kann dann darauf verwiesen werden.

  • Brandstiftung mit Todesfolge nach § 306c StGB
    § 306c StGB stellt ebenfalls eine Erfolgsqualifikation zu § 306 I, § 306a I und II StGB dar. Letztere sollten zunächst gesondert geprüft werden. Bei der Prüfung der Erfolgsqualifikation kann dann darauf verwiesen werden.

 

Siehe zur Systematik auch die Übersicht: Brandstiftungsdelikte (§§ 306 ff. StGB).

Siehe allgemein für den Unterschied zwischen Qualifikation und Erfolgsqualifikation die Übersicht: Qualifikation, Erfolgsqualifikation, besonders schwerer Fall.

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