StGB
Verweise
in § 68b StGB

StGB  
Strafgesetzbuch

Strafrecht

Strafrecht AT

(1) Das Gericht kann die verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anweisen,
1.
den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen,
2.
sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können,
3.
zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen,
4.
bestimmte Tätigkeiten nicht auszuüben, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
5.
bestimmte Gegenstände, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen,
6.
Kraftfahrzeuge oder bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen oder von anderen Fahrzeugen nicht zu halten oder zu führen, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
7.
sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle, einer bestimmten Dienststelle oder der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer zu melden,
8.
jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes unverzüglich der Aufsichtsstelle zu melden,
9.
sich im Fall der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden,
10.
keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird, und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind,
11.
sich zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Abständen bei einer Ärztin oder einem Arzt, einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen oder
12.
die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.
Das Gericht hat in seiner Weisung das verbotene oder verlangte Verhalten genau zu bestimmen. Eine Weisung nach Satz 1 Nummer 12 ist, unbeschadet des Satzes 5, nur zulässig, wenn
1.
die Führungsaufsicht auf Grund der vollständigen Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren oder auf Grund einer erledigten Maßregel eingetreten ist,
2.
die Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe oder die Unterbringung wegen einer oder mehrerer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art verhängt oder angeordnet wurde,
3.
die Gefahr besteht, dass die verurteilte Person weitere Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art begehen wird, und
4.
die Weisung erforderlich erscheint, um die verurteilte Person durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach § 463a Absatz 4 Satz 2 der Strafprozessordnung, insbesondere durch die Überwachung der Erfüllung einer nach Satz 1 Nummer 1 oder 2 auferlegten Weisung, von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art abzuhalten.
Die Voraussetzungen von Satz 3 Nummer 1 in Verbindung mit Nummer 2 liegen unabhängig davon vor, ob die dort genannte Führungsaufsicht nach § 68e Absatz 1 Satz 1 beendet ist. Abweichend von Satz 3 Nummer 1 genügt eine Freiheits- oder Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, wenn diese wegen einer oder mehrerer Straftaten verhängt worden ist, die unter den Ersten oder Siebenten Abschnitt des Besonderen Teils fallen; zu den in Satz 3 Nummer 2 bis 4 genannten Straftaten gehört auch eine Straftat nach § 129a Absatz 5 Satz 2, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1.
(2) Das Gericht kann der verurteilten Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit weitere Weisungen erteilen, insbesondere solche, die sich auf Ausbildung, Arbeit, Freizeit, die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Erfüllung von Unterhaltspflichten beziehen. Das Gericht kann die verurteilte Person insbesondere anweisen, sich psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen (Therapieweisung). Die Betreuung und Behandlung kann durch eine forensische Ambulanz erfolgen. § 56c Abs. 3 gilt entsprechend, auch für die Weisung, sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die mit körperlichen Eingriffen verbunden sind.
(3) Bei den Weisungen dürfen an die Lebensführung der verurteilten Person keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.
(4) Wenn mit Eintritt der Führungsaufsicht eine bereits bestehende Führungsaufsicht nach § 68e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 endet, muss das Gericht auch die Weisungen in seine Entscheidung einbeziehen, die im Rahmen der früheren Führungsaufsicht erteilt worden sind.
(5) Soweit die Betreuung der verurteilten Person in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 11 oder ihre Behandlung in den Fällen des Absatzes 2 nicht durch eine forensische Ambulanz erfolgt, gilt § 68a Abs. 8 entsprechend.
Quelle: BMJ
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Entschuldigender Notwehrexzess (§ 33 StGB)

StrafrechtStrafrecht AT

Prüfungsschema zum Entschuldigungsgrund des Notwehrexzesses (§ 33 StGB), bei dem der Täter nicht bestraft wird, wenn er die Grenzen der Notwehr wegen asthenischer Affekte überschreitet.

Strittig ist vor allem, ob nur der intensive oder auch der extensive Exzess erfasst sind.

 

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Übersicht und Systematik unterschiedlicher Notwehrexzesse
  3. Intensiver Notwehrexzess
  4.  Objektive Voraussetzungen
  5. Bestehen einer Notwehrlage (§ 32 StGB)
  6. Überschreiten der Grenzen der Notwehr
  7. Asthenischer Affekt
  8. Subjektive Voraussetzungen (str.)
  9. Extensiver Notwehrexzess
  10. Putativnotwehrexzess

 

§ 33 StGB knüpft begrifflich an die Notwehr (§ 32 StGB) an, sodass jene stets zuvor (auf der Ebene der Rechtswidrigkeit) zu prüfen ist. Fehlt dort ein Element, kommt ggf. ein Notwehrexzess in Betracht.

Der Gesetzgeber hat sich nicht eindeutig entschieden (nur: „wird nicht bestraft“), nach heute ganz h.M. wird der Notwehrexzess jedoch auf der Ebene der Schuld geprüft.
(pro): Die persönliche Vorwerfbarkeit des individuellen Täters ist reduziert, wenn dieser aus einem asthenischen Affekt (s.u.) heraus handelt, sich also in einem psychischen Ausnahmezustand befindet.

 

Übersicht und Systematik unterschiedlicher Notwehrexzesse

Die zuvor zu prüfende Notwehr (§ 32 StGB) setzt im Rahmen der objektiven Voraussetzungen eine Notwehrlage sowie eine (erforderliche und gebotene) Notwehrhandlung voraus. Je nachdem, welches Merkmal der Notwehr fehlt, wird in verschiedene Arten des Notwehrexzesses (§ 33 StGB) unterschieden:

  • Intensiver Notwehrexzess
    Liegt eine Notwehrlage vor, überschreitet der Täter jedoch die Grenzen der Notwehrhandlung (nicht erforderlich und / oder geboten) aufgrund zu intensiver (daher der Name) Gegenmaßnahmen kommt nach dem Wortlaut des § 33 StGB ein intensiver Notwehrexzess in Betracht.
    Beispiel: A geht mit einem Schlagstock auf B zu und will ihn ausrauben. Als lokaler Schützenkönig könnte B den Angreifer durch gezielte Schüsse in die Beine mit genügend Abstand zu Fall bringen. Aus heftiger Furcht heraus entscheidet er sich jedoch für einen tödlichen Schuss in den Kopf.

 

  • Extensiver Notwehrexzess
    Liegt keine Notwehrlage vor, weil der Angriff noch nicht oder nicht mehr vorliegt, überdehnt der Täter also die zeitlichen Grenzen (daher der Name), kommt nach e.A. über den Wortlaut des § 33 StGB hinaus ein extensiver Notwehrexzess in Betracht.
    Beispiel: A geht mit einem Schlagstock auf B zu und will ihn ausrauben. Als B seine Pistole zieht und einen Warnschuss abgibt, dreht A postwendend um und rennt davon. B ist kurz verwirrt und feuert aus starker Verwirrung, auf den bereits weit geflüchteten A.

 

  • Putativnotwehrexzess
    Liegt keine Notwehrlage vor, weil ein Angriff nie vorlag / nicht vorliegt, irrt der Täter jedoch hierüber (daher der Name; „putativ“ = lat. vermeintlich, eingebildet, irrtümlich) und überschreitet der Täter zudem selbst die Grenzen einer potenziellen Notwehr, kommt nach e.A. über den Wortlaut des § 33 StGB hinaus ein Putativnotwehrexzess in Betracht.
    Beispiel: B denkt, der A geht mit einem Schlagstock auf ihn zu und will ihn ausrauben, weshalb er ihm einen tödlichen Schuss in den Kopf verpasst. In Wirklichkeit floh der A lediglich mit seinem Knirps (Regenschirm) in der Hand vor dem plötzlichen Starkregen. 

 

II. Rechtfertigung
Notwehr (§ 32 StGB)

III. Schuld
Entschuldigender Notwehrexzess
(§ 33 StGB)

 

1. Objektive Voraussetzungen

 

 

 

a) Notwehrlage

- gegenwärtiger

- rechtswidriger

- Angriff auf ein notstandsfähiges Rechtsgut

Angriff liegt noch nicht oder nicht mehr vor.

e.A. über Wortlaut hinaus:
extensiver Notwehrexzess

 

Angriff liegt / lag nie vor,

aber Täter irrt hierüber und überschreitet zudem die Grenzen einer potenziellen Notwehr.

e.A. über Wortlaut hinaus:
Putativnotwehrexzess

 

b) Notwehrhandlung

- erforderliche

- gebotene

- Verteidigungshandlung (ggü. Angreifer)

 

Notwehrhandlung ist nicht erforderlich und / oder geboten (aufgrund zu intensiver Gegenmaßnahmen).

Regelfall des Wortlauts:
Intensiver Notwehrexzess

 

2. Subjektive Voraussetzungen (str.)

- Kenntnis der Notwehrlage

- Verteidigungsabsicht

Dem Täter fehlen die subjektiven Elemente der Notwehr.

Kein Entschuldigungsgrund (§ 33 StGB), aber nach ...

  • e.A. geringere Strafzumessung

  • a.A. nur Versuchsstrafbarkeit (siehe Schema zu § 32)

 

 

 

 

Intensiver Notwehrexzess

 Objektive Voraussetzungen

Bestehen einer Notwehrlage (§ 32 StGB)

Siehe das Schema zur Notwehr (§ 32 StGB).

 

Überschreiten der Grenzen der Notwehr

Die Notwehrhandlung des Täters überschreitet in ihrer Intensität die Grenzen des § 32 StGB. Sie ist also nicht erforderlich und / oder geboten

Findet § 33 StGB auch Anwendung, wenn die Notwehrhandlung nicht geboten ist?

 

  • Fall1: Krasses Missverhältnis zwischen zu schützendem und angegriffenem Rechtsgut (siehe § 32 StGB)

    • h.M.: (-) Nein
      Notwehrexzess mit Rechtsfolge der gänzlichen Strafbefreiung nicht anwendbar
      (pro) Keine hinreichende Unrechtsminderung durch Handlung des Täters.

    • a.A.: (+) Ja
      Notwehrexzess mit Rechtsfolge der gänzlichen Strafbefreiung auch hier anwendbar.
      (pro) Wortlaut nimmt keine Einschränkung vor.

 

  • Fall 2: Notwehrprovokation

    • h.M.: (+/-) Differenzierend
      Notwehrexzess mit Rechtsfolge der gänzlichen Strafbefreiung ist...

      • (-) nicht anwendbar in Fällen der absichtlichen Notwehrprovokation. 

        (pro) Hier wurde bereits die Notwehrlage vorwerfbar herbeigeführt.

      • (+) anwendbar in Fällen der sonst vorwerfbaren Notwehrprovokation.

    • a.A.: (-) Nein
      Notwehrexzess mit Rechtsfolge der gänzlichen Strafbefreiung in beiden Fällen nicht anwendbar.
      (pro) Der Täter startet die Provokation noch ohne asthenischen Affekt und kann sich dann nicht auf seine durch den Angriff ausgelöste Furcht o.ä. berufen (vgl. die Argumente zur actio libera in causa).

 

Asthenischer Affekt

  • Anforderung

    • Asthenische Affekte
      Der Täter muss aus hochgradiger Furcht, Verwirrung oder Schrecken (asthenische Affekte; lat. heftige Gemütsbewegung der Schwäche) handeln.

    • Nicht: sthenische Affekte
      Nicht entschuldigt sind hingegen Handlungen aus Wut, Hass, Zorn (sthenische Affekte; lat. heftige Gemütsbewegung der Stärke / Kraft).

  • Begründung
    Besondere, durch den Ursprungstäter verursachte psychische Ausnahmesituation; heftige Emotionalität kann kognitive Entscheidungs- und Steuerungsprozesse beeinträchtigen (emotionale Kurzschlussreaktion).

  • Indizien dafür
    Keine Vorbereitung oder Ankündigung, impulsive Tathandlung, widersprüchliches Nachtatverhalten.

  • Indizien dagegen
    Längerer Konflikt mit dem Opfer, lange andauernde Tathandlung, konsequentes Nachtatverhalten.

 

 

Subjektive Voraussetzungen (str.)

  • e.A.: Die exzessive Notwehrhandlung des Täters muss in Verteidigungsabsicht (dolus directus 1. Grades) erfolgen.
    (pro)
    „um … zu“ im Wortlaut der Notwehr (§ 32 StGB) und hier Verweis auf diese

  • a.A.: Keine subjektiven Elemente erforderlich
    (pro) Erforderlichkeit subjektiver Elemente ist bereits i.R.d. Notwehr nach § 32 StGB strittig.; beim vorliegenden § 33 StGB zudem kein „um… zu“ im Wortlaut.

 

 

Extensiver Notwehrexzess

Gilt § 33 StGB auch in Fällen des zeitlich extensiven Notwehrexzesses (zu frühes oder zu spätes Handeln)?

  • h.M.: (-) Nicht anwendbar
    (pro)
    Wortlaut: Ohne Notwehrlage ist das Notwehrrecht gar nicht erst entstanden. Existiert dieses Recht nicht (mehr) können auch seine Grenzen nicht überschritten werden.

  • a.A.: (+/-) Nicht anwendbar auf das zu frühe Handeln, anwendbar auf das zu späte Handeln
    (pro)
    Wortlaut: Bei zu spätem Handeln lag die Notwehrlage mal vor und ihre (zeitlichen) Grenzen werden überschritten.

  • a.A.: (+) Stets anwendbar
    (pro) Telos: Das etwas zu frühe oder zu späte Handeln (keine gegenwärtige Notwehrlage) ist psychologisch ebenso auf einen Affekt zurückzuführen wie z.B. das zu intensive Handeln (keine gebotene Notwehrhandlung).

 

 

Putativnotwehrexzess

Es handelt sich um eine Kombination aus einem Erlaubnistatbestandsirrtum (Täter stellt sich irrig Gründe vor, die zum Vorliegen eines Notwehrrechts führen würden) und einem Notwehrexzess (Täter würde selbst in diesem Fall die Grenzen der Notwehr überschreiten).

Gilt § 33 StGB auch in Fällen des Putativnotwehrexzesses?

  • h.M.: (-) Nicht anwendbar, stattdessen ggf. indirekter Verbotsirrtum (§ 17 StGB).
    (pro
    Wortlaut: Notwehr muss objektiv vorliegen (nicht: „die vorgestellten Grenzen der Notwehr“).
  • a.A.: (+) § 33 StGB analog anwendbar, wenn der Irrtum unvermeidbar war oder das Opfer den Irrtum mitverschuldet hat.
    (pro) Telos: Auch dann geringer Schuldvorwurf an den Täter.

 

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