StGB
Verweise
in § 68a StGB

StGB  
Strafgesetzbuch

Strafrecht

Strafrecht AT

(1) Die verurteilte Person untersteht einer Aufsichtsstelle; das Gericht bestellt ihr für die Dauer der Führungsaufsicht eine Bewährungshelferin oder einen Bewährungshelfer.
(2) Die Bewährungshelferin oder der Bewährungshelfer und die Aufsichtsstelle stehen im Einvernehmen miteinander der verurteilten Person helfend und betreuend zur Seite.
(3) Die Aufsichtsstelle überwacht im Einvernehmen mit dem Gericht und mit Unterstützung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers das Verhalten der verurteilten Person und die Erfüllung der Weisungen.
(4) Besteht zwischen der Aufsichtsstelle und der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer in Fragen, welche die Hilfe für die verurteilte Person und ihre Betreuung berühren, kein Einvernehmen, entscheidet das Gericht.
(5) Das Gericht kann der Aufsichtsstelle und der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer für ihre Tätigkeit Anweisungen erteilen.
(6) Vor Stellung eines Antrags nach § 145a Satz 2 hört die Aufsichtsstelle die Bewährungshelferin oder den Bewährungshelfer; Absatz 4 ist nicht anzuwenden.
(7) Wird eine Weisung nach § 68b Abs. 2 Satz 2 und 3 erteilt, steht im Einvernehmen mit den in Absatz 2 Genannten auch die forensische Ambulanz der verurteilten Person helfend und betreuend zur Seite. Im Übrigen gelten die Absätze 3 und 6, soweit sie die Stellung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers betreffen, auch für die forensische Ambulanz.
(8) Die in Absatz 1 Genannten und die in § 203 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 6 genannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der forensischen Ambulanz haben fremde Geheimnisse, die ihnen im Rahmen des durch § 203 geschützten Verhältnisses anvertraut oder sonst bekannt geworden sind, einander zu offenbaren, soweit dies notwendig ist, um der verurteilten Person zu helfen, nicht wieder straffällig zu werden. Darüber hinaus haben die in § 203 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 6 genannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der forensischen Ambulanz solche Geheimnisse gegenüber der Aufsichtsstelle und dem Gericht zu offenbaren, soweit aus ihrer Sicht
1.
dies notwendig ist, um zu überwachen, ob die verurteilte Person einer Vorstellungsweisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 nachkommt oder im Rahmen einer Weisung nach § 68b Abs. 2 Satz 2 und 3 an einer Behandlung teilnimmt,
2.
das Verhalten oder der Zustand der verurteilten Person Maßnahmen nach § 67g, § 67h oder § 68c Abs. 2 oder Abs. 3 erforderlich erscheinen lässt oder
3.
dies zur Abwehr einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung Dritter erforderlich ist.
In den Fällen der Sätze 1 und 2 Nr. 2 und 3 dürfen Tatsachen im Sinne von § 203 Abs. 1, die von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der forensischen Ambulanz offenbart wurden, nur zu den dort genannten Zwecken verwendet werden.
Quelle: BMJ
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Rechtfertigende (tatsächliche / mutmaßliche / hypothetische) Einwilligung

StrafrechtStrafrecht BTNichtvermögensdelikte

Prüfungsschema zum Rechtfertigungsgrund der Einwilligung, der mutmaßlichen Einwilligung und der hypothetischen Einwilligung sowie zu deren Grenzen (siehe § 228 StGB).

 

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Objektive Voraussetzungen
  3. Disponibilität des Rechtsguts
  4. Einwilligungserklärung
  5. Tatsächliche Einwilligung
  6. Mutmaßliche Einwilligung
  7. Hypothetische Einwilligung (str.)
  8. Keine Sittenwidrigkeit (§ 228 StGB)
  9. Subjektive Voraussetzungen
  10. Kenntnis der Einwilligung
  11. Handeln aufgrund der Einwilligung (str.)

 

Die Einwilligung wird grundsätzlich als Rechtfertigungsgrund auf der Ebene der Rechtswidrigkeit geprüft.

Gewisse Delikte können allerdings nur gegen den Willen des Opfers verwirklicht werden - insb. solche, die sich gegen die Willensfreiheit richten (z.B. §§ 239, 240, 253 StGB). Bei diesen Delikten ist ein Verzicht des Opfers auf den Schutz seiner Rechtsgüter als (tatbestandsausschließendes) Einverständnis bereits auf der Ebene des Tatbestandes zu prüfen.

 

  • Herleitung
    Allg. Rechtsgrundsatz ‚volenti non fit iniuria‘ (lat.: Dem Wollenden geschieht kein Unrecht).

 

Objektive Voraussetzungen

Disponibilität des Rechtsguts

Einwilligender ist alleiniger Träger des Rechtsgutes und somit alleine verfügungsbefugt. (Nur bei Individual- nicht bei Allgemeinrechtsgütern möglich.) Bei Leben § 216 StGB beachten.

 

Einwilligungserklärung

Tatsächliche Einwilligung

 

  • Zeitpunkt
    Eine tatsächliche Einwilligungserklärung muss vor der Tat abgegeben worden sein und im Zeitpunkt der Tat noch fortbestehen.

 

  • Form
    Die Einwilligungserklärung muss ausdrücklich oder konkludent (str.) nach außen kundgetan worden sein (sonst ggf. mutmaßliche oder hypothetische Einwilligung, s.u.).

 

  • Inhalt
    Die Einwilligungserklärung muss ein Einverstandensein mit dem Eingriff in das Rechtsgut enthalten.

 

  • Wirksamkeit
    Die einwilligende Person muss einwilligungsfähig sein und es dürfen keine Willensmängel vorliegen.

    • Einwilligungsfähigkeit 
      Fähigkeit, die Bedeutung und Tragweite der Einwilligung zu erkennen und sachgerecht zu beurteilen.

      • e.A.: Bestimmt sich stets nach der geistigen und sittlichen Reife, die Bedeutung und Tragweite des Rechtsgutverzichts zu erkennen und sachgerecht zu beurteilen.

      • a.A.: Bestimmt sich bei Vermögensdelikten nach der (zivilrechtlichen) Geschäftsfähigkeit.

    • Keine Willensmängel
      Die Einwilligung muss informiert (Kenntnis der Umstände und Folgen; bei falscher ärztlicher Aufklärung ggf. hypothetische Einwilligung, s.u.), ernstlich (keine Scherz- oder Scheinerklärung) und freiwillig (aus autonomen Motiven; insb. nicht durch Zwang / Drohung / Gewalt) abgegeben worden sein.

 

Mutmaßliche Einwilligung

  • Eine mutmaßliche Einwilligung kommt nur in Betracht, wenn eine tatsächliche Einwilligung aufgrund faktischer Umstände nicht oder nicht rechtzeitig einholbar war (Subsidiarität).
  • Der Eingriff muss im mutmaßlichen Interesse des Betroffenen erfolgen oder es dürfen zumindest keine gegenläufigen Interessen des Betroffenen erkennbar sein (rein subjektive ex-ante-Sicht aus Opferperspektive). Bei Selbstmordopfern kommt daher allenfalls Notstand (§ 34 StGB) in Betracht.

 

Hypothetische Einwilligung (str.)

Beispiel: Arzt A klärt Patienten P falsch auf, sodass die Einwilligung nicht hinreichend informiert abgegeben wurde. Der anschließende Heileingriff (Körperverletzung) verläuft ohne Komplikationen und zum umfassenden Wohle des P.

 

  • Anerkennung der hypothetischen Einwilligung

Stellt die hypothetische Einwilligung einen Rechtfertigungsgrund im Strafrecht dar?

War eine tatsächliche Einwilligung zwar möglich, sind bei der Aufklärung jedoch Fehler unterlaufen, sodass diese aufgrund von Willensmängeln nicht wirksam ist, wird eine hypothetische Einwilligung diskutiert.

  • Rspr.: (+) Hypothetische Einwilligung rechtfertigt Eingriff
    (pro) Systematik: Parallele zum Pflichtwidrigkeitszusammenhang (rechtmäßiges Alternativverhalten, str.), der die objektive Zurechnung entfallen lässt.

  • a.A.: (–) Hypothetische Einwilligung nicht anerkannt
    (pro) Selbstbestimmungsrecht des Patienten; Schwierigkeiten der Bestimmung eines hypothetischen Willens

 

  • Voraussetzungen der hypothetischen Einwilligung
    Bei Anerkennung der hypothetischen Anerkennung werden an diese i.d.R. die nachfolgenden Voraussetzungen gestellt:
    • Unwirksame tatsächliche Einwilligung aufgrund von Aufklärungsfehlern
    • Patient hätte bei hypothetischer wahrheitsgemäßer Aufklärung eingewilligt (Rspr.: in dubio pro Arzt)
    • Ausführung des Eingriffes lege artis (ohne Behandlungsfehler)

 

Keine Sittenwidrigkeit (§ 228 StGB)

Bei Körperverletzungsdelikten Grenze des § 228 StGB ‚guten Sitten‘

Beispiele: Sittenwidrige verabredete Schlägereien oder illegale Autorennen

 

 

Subjektive Voraussetzungen

Kenntnis der Einwilligung

Der Täter muss in Kenntnis der tatsächlichen Einwilligung handeln.

Bei mutmaßlicher Einwilligung: Gewissenhafte Prüfung der für den hypothetischen Willen maßgeblichen Umstände.

 

Handeln aufgrund der Einwilligung (str.)

 

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