StGB Strafgesetzbuch
Strafrecht AT
- 1.
- jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
- a)
- sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
- b)
- unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
- c)
- den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
- 2.
- der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
- 3.
- er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
- 4.
- die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Besonders schwere Brandstiftung Qualifikation (§ 306b II StGB i.V.m. Grundtatbestand)
Prüfungsschema zur Qualifikation der besonders schweren Brandstiftung (§ 306b StGB): Bestraft wird, wer in den Fällen der schweren Brandstiftung (§ 306a StGB) einen anderen Menschen in die konkrete Gefahr des Todes bringt (Nr. 1), in der Absicht der Ermöglichung oder Verdeckung einer anderen Straftat handelt (Nr. 2) oder die Brandlöschung verhindert oder erschwert (Nr. 3).
- Inhaltsverzeichnis
- Tatbestand
- Objektiver Tatbestand
- Objektiver Tatbestand des Grunddelikts (§ 306a I oder II StGB)
- Objektiver Tatbestand der Qualifikation (§ 306b II StGB)
- Nr. 1: Konkrete Gefahr des Todes eines anderen Menschen
- Nr. 2: Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht bzgl. einer anderen Straftat
- Nr. 3: Verhinderung oder Erschwerung der Brandlöschung
- Subjektiver Tatbestand
- Subjektiver Tatbestand des Grunddelikts
- Subjektiver Tatbestand der Qualifikation
- Rechtswidrigkeit
- Schuld
- Strafzumessung bei tätiger Reue (§ 306e StGB)
- Deliktart
Qualifikation
- § 306b II StGB stellt eine Qualifikation der § 306a I (abstraktes Gefährdungsdelikt) und § 306a II (konkretes Gefährdungsdelikt) StGB dar.
- § 306b I enthält hingegen eine Erfolgsqualifikation (siehe das Schema dort).
Siehe auch die Übersicht: Brandstiftungsdelikte (§§ 306 ff. StGB).
Ist die Qualifikation erfüllt, können die objektiven Qualifikationsmerkmale direkt nach dem objektiven Tatbestand des Grunddeliktes und die subjektiven Qualifikationsmerkmale direkt nach dem subjektiven Tatbestand des Grunddeliktes geprüft werden. Aufgrund der Komplexität der Brandstiftungsdelikte empfiehlt sich jedoch i.d.R. eine getrennte Prüfung. Liegt eine Qualifikation nahe, ist diese aber letztlich nicht erfüllt, empfiehlt sich in jedem Fall eine getrennte Prüfung.
Tatbestand
Objektiver Tatbestand
Objektiver Tatbestand des Grunddelikts (§ 306a I oder II StGB)
Hier Prüfung bzw. (bei getrenntem Aufbau) Verweis auf die vorherige Prüfung eines der Grunddelikte (§ 306a I oder II StGB).
Objektiver Tatbestand der Qualifikation (§ 306b II StGB)
Nr. 1: Konkrete Gefahr des Todes eines anderen Menschen
Es handelt sich um ein konkretes Gefährdungsdelikt, bei dem der Täter einen anderen Menschen durch die Tat in die konkrete Gefahr des Todes bringt.
Konkrete Gefahr des Todes = Nichteintritt des Todes hängt lediglich vom rettenden Zufall ab.
Erforderlich ist hier zusätzlich ein tatspezifischer Gefahrzusammenhang (Arg: Wortlaut „durch die Tat“). Die konkrete Gefahr des Todes muss gerade die (typische) Folge der Brandstiftung sein.
Besteht ein tatspezifischer Gefahrzusammenhang bei sog. ‚Retterschäden‘?
Problem: Rettungswillige begeben sich freiwillig und sehenden Auges in den Gefahrenbereich (zurück).
→ Siehe das Schema Schwere Brandstiftung (§ 306a II StGB)
Kann auch ein Tatbeteiligter „anderer Mensch“ sein?
→ Siehe das Schema Schwere Brandstiftung (§ 306a II StGB)
Nr. 2: Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht bzgl. einer anderen Straftat
Begriff der Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht entspricht dem in § 211 StGB (siehe das Schema dort); nicht notwendig ist eine eigene Straftat.
Stellt ein späterer Versicherungsmissbrauch (§§ 263, 265) eine ‚andere Tat‘ dar?
Beispiel: A zündet sein marodes Haus an, um von seiner Brandschutzversicherung eine satte Erstattung zu erhalten.
-
e.A.: (-) Keine ‚andere Tat‘
(pro) Systematik: Die Folgetaten (§ 263 und § 265 StGB) beinhalten die Brandstiftung. -
Rspr.: (+/-) Differenzierung
-
(-) Versicherungsmissbrauch (§ 265 StGB) ist keine ‚andere Tat‘, da sich auch diese Tathandlung in der Zerstörung der versicherten Sache erschöpft.
-
(+) Versicherungsbetrug (§ 263 I, III 2 Nr. 5 StGB) ist ‚andere Tat‘, da hier als Tathandlung zusätzlich (nachdem die Sache zerstört wurde) das Vortäuschen eines Versicherungsfalles erforderlich ist.
-
Erfordert die Ermöglichungsabsicht die Ausnutzung der spezifischen Brandgefahr?
Beispiel 1: A legt einen Brand, um den herbeieilenden Feuerwehrmann F zu töten (§ 211 StGB).
Beispiel 2: A legt einen Brand, um Tage später einen Versicherungsbetrug (§ 263 I, II Nr. 5 StGB) zu begehen.
-
e.A.: (+) Ja, Ausnutzung der spezifischen Brandgefahr erforderlich
Nach Vorstellung des Täters müssen die spezifischen Auswirkungen der gemeingefährlichen Situation die Begehung der anderen Tat i.S.e. zeitlichen, räumlichen und sachlichen Zusammenhangs begünstigen.
→ (+) Beispiel 1; (-) Beispiel 2 -
Rspr.: (–) Nein, Ausnutzung der spezifischen Brandgefahr nicht erforderlich
(pro) Telos: Der Unwert der schweren Brandstiftung liegt bereits darin, dass sie inklusive ihrer Gefährlichkeit in Kauf genommen wird, um andere kriminelle Ziele zu verwirklichen; Systematik/Wortlaut: Die Formulierung „in den Fällen des § 306a“ lässt einen weiten Bezug zur Brandstiftung zu (Wortlaut nicht etwa so eng formuliert wie Nr. 1, der mit „durch die Tat“ einen tatspezifischen Gefahrzusammenhang erfordert)
→ (+) Beispiel 1; (+) Beispiel 2
Nr. 3: Verhinderung oder Erschwerung der Brandlöschung
Rspr.: Restriktive Auslegung aufgrund des hohen Strafrahmens (mindestens 5 Jahre = Totschlag).
Die anderenfalls bestehende Chance auf ein erfolgreiches Löschen des Brandes müssen demnach erheblich verschlechtert worden sein, insbesondere muss sich das Löschen zeitlich relevant verzögert haben.
Subjektiver Tatbestand
Subjektiver Tatbestand des Grunddelikts
Hier Prüfung bzw. (bei getrenntem Aufbau) Verweis auf die vorherige Prüfung eines der Grunddelikte (§ 306a I oder II StGB).
Subjektiver Tatbestand der Qualifikation
- Bei Nr. 1 und 3 bedingter Vorsatz / Eventualvorsatz (dolus eventualis) ausreichend
- Bei Nr. 2 Absicht (dolus directus 1. Grades) erforderlich
Rechtswidrigkeit
Die Rechtswidrigkeit wird durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert. Siehe für eine Übersicht der möglichen Rechtfertigungsgründe die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.
Beachte jedoch vorliegend: Anders als bei § 306 I StGB kommt eine Einwilligung von Seiten des Eigentümers nicht in Betracht (Arg.: Schutzgut ist nicht das Eigentum).
Schuld
Schuld bezeichnet die persönliche Vorwerfbarkeit der Unrechtsverwirklichung. Auch diese wird grundsätzlich angenommen. Siehe für Fälle, in denen sie entfällt (Schuldunfähigkeit, entschuldigende Irrtümer und Entschuldigungsgründe) die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.
Strafzumessung bei tätiger Reue (§ 306e StGB)
- Täter löscht Brand (auch mit Hilfe Dritter) freiwillig selbst oder bemüht sich freiwillig und ernsthaft darum…
- vor Eintritt eines erheblichen Schadens, d.h....
- bei Sachwerten: Mindestens 2.500€ zur Schadensbereinigung (str.)
- bei Personenschäden: Körperverletzung mit erheblicher Verletzungsgefahr.