StGB Strafgesetzbuch
Strafrecht AT
- 1.
- jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
- a)
- sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
- b)
- unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
- c)
- den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
- 2.
- der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
- 3.
- er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
- 4.
- die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Körperverletzung mit Todesfolge (§§ 223, 227 StGB)
Prüfungsschema zur Erfolgsqualifikation der Körperverletzung mit Todesfolge (§§ 223, 227 StGB): Täter verursacht die Körperverletzung vorsätzlich, den Tod der anderen Person jedoch nur fahrlässig (§ 18 StGB).
- Inhaltsverzeichnis
- Tatbestand
- Verweis auf das bereits geprüfte Grunddelikt des § 223 I StGB
- Eintritt einer schweren Folge
- Kausalität und objektive Zurechnung
- Tatspezifischer Gefahrzusammenhang zwischen Grunddelikt (§ 223 StGB) und schwerer Folge (§ 227 StGB)
- Objektive Fahrlässigkeitselemente (§ 18 StGB)
- Objektive Sorgfaltspflichtverletzung
- Objektive Vorhersehbarkeit des Erfolges
- Rechtswidrigkeit
- Schuld
- Subjektive Fahrlässigkeitselemente (§ 18 StGB)
- Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung
- Subjektive Vorhersehbarkeit des Erfolges
- Allg. Schuldelemente
- Strafzumessung bei minder schweren Fällen (Abs. 2)
- Deliktart
Erfolgsqualifikation (§ 18 StGB)
Tatbestand
Verweis auf das bereits geprüfte Grunddelikt des § 223 I StGB
Siehe das Schema zur Körperverletzung (§ 223 StGB).
Eintritt einer schweren Folge
Es muss der Tod der verletzten Person eingetreten sein.
Kausalität und objektive Zurechnung
Die Verwirklichung des Grunddeliktes muss kausal (conditio sine qua non) für die schwere Folge sein und der Täter muss durch die Verwirklichung des Grunddeliktes ein rechtlich missbilligtes Risiko geschaffen haben, das sich in der konkret eingetretenen schweren Folge realisiert hat.
Tatspezifischer Gefahrzusammenhang zwischen Grunddelikt (§ 223 StGB) und schwerer Folge (§ 227 StGB)
Der Täter muss den Tod „durch“ die Körperverletzung herbeiführen.
Eine Auffassung will auch bei Erfolgsqualifikationen den Zusammenhang zwischen Grunddelikt und schwerer Folge über die Kriterien der „objektiven Zurechnung“ lösen.
Die h.L und die Rspr. bedienen sich hingegen des Kriteriums des „tatspezifischen Gefahrzusammenhangs“ und prüfen Fragen der objektiven Zurechnung dort. Wie dieser Zusammenhang zwischen Grunddelikt und schwerer Folge („durch“) auszusehen hat, lässt sich für Erfolgsqualifikationen nicht abstrakt beantworten, sondern muss jeweils tatbestandsbezogen ermittelt werden (daher: „tatspezifischer Gefahrzusammenhang“; teilw. auch: „Unmittelbarkeitszusammenhang“).
Tatbestandspezifischer Gefahrzusammenhang = Gerade die dem Grunddelikt anhaftende spezifische Gefahr muss sich in der schweren Folge realisieren
Ist für die Ermittlung des tatspezifischen Gefahrzusammenhangs an die Gefahr der KV-Handlung oder des KV-Erfolgs anzuknpüfen?
-
e.A. (Rspr) Handlungslösung
Zusammenhang zwischen Körperverletzungshandlung (auch ohne Körperverletzungserfolg) und fahrlässiger Tötung ausreichend.
Beispiel: Opfer weicht Schlag aus und stürzt von Brüstung
(pro) Wortlaut: „Körperverletzung“ umfasst begrifflich sowohl die Handlung als auch den Erfolg
(pro) Systematik: Klammerzusatz „(§§ 223 bis 226a)“ verweist auch auf die dortigen Abs. 2, in denen jeweils der Versuch geregelt ist – der gerade keinen Erfolg voraussetzt; auch der erfolgsqualifizierte Versuch muss strafbar sein können („Hetzjagd von Guben“-Fall).
(pro) Telos: Handlung kann genauso gefährlich sein wie die Verletzung selbst; Erfolgseintritt hängt oft ohnehin nur vom Zufall ab. -
a.A. (Lit.) Erfolgslösung / Letalitätstheorie
Zusammenhang zwischen Körperverletzungserfolg und fahrlässiger Tötung erforderlich.
Beispiel: Opfer erleidet schweren Schlag auf den Kopf und stirbt an einer Hirnblutung
(pro) Wortlaut: „Körperverletzung“ erfordert juristisch im Tatbestand auch einen Handlungserfolg
(pro) Wortlaut: „Tod der verletzten Person“ setzt Körperverletzungserfolg voraus
(pro) Systematik: Hohes Strafmaß erfordert eine restriktive Auslegung
Erfolgt eine Unterbrechung des tatspezifischen Gefahrzusammenhangs durch Dazwischentreten Dritter?
- Ärztliche Behandlungsfehler
- Fahrlässige Behandlungsfehler im Rahmen des nach allg. Lebenserfahrung Erwartbaren unterbrechen den Zusammenhang nicht.
- Ab grober Fahrlässigkeit wird der Zusammenhang durchbrochen.
- Missglückte Rettungsversuche
Missglückte Rettungsversuche im Rahmen des nach allg. Lebenserfahrung Erwartbaren unterbrechen den Zusammenhang nicht.
Unterbrechung des tatspezifischen Gefahrzusammenhangs durch Dazwischentreten des Opfers?
-
e.A. Kriterium der Tatnähe:
Tatnahe Opferreaktionen (= naheliegende und deliktstypische Reaktion) unterbrechen den Zusammenhang nicht.
Beispiel: Flucht auf viel befahrene Straße vor Täter
→ Tatferne Opferreaktionen unterbrechen den Zusammenhang
Beispiel: Deutlich spätere Selbsttötung aufgrund einer aus den Körperverletzungsfolgen resultierenden Depression -
e.A. Kriterium der Eigenverantwortlichkeit:
Eigenverantwortliche Opferreaktionen nach autonomem Willensbildungsprozess unterbrechen den Zusammenhang.
→ Nicht eigenverantwortliche Opferreaktionen unterbrechen den Zusammenhang nicht
Beispiele: Handlungen während verletzungsbedingter Benommenheit, infolge von Panik oder aus Reflex
Objektive Fahrlässigkeitselemente (§ 18 StGB)
Objektive Sorgfaltspflichtverletzung
Die objektive Sorgfaltspflichtverletzung (Außer-Acht-Lassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt) wird durch die Verwirklichung der vorsätzlichen Körperverletzung indiziert.
Objektive Vorhersehbarkeit des Erfolges
Der konkrete Erfolg sowie die wesentlichen Züge des Kausalverlaufs müssen für einen Menschen in der konkreten Lage und sozialen Rolle des Handelnden objektiv voraussehbar gewesen sein. Vorhandenes Sonderwissen muss der Täter gegen sich gelten lassen (str.; a.A.: dann nicht mehr objektiv).
Nicht vorhersehbar sind regelmäßig völlig atypische Verläufe, die außerhalb jeder Lebenserfahrung liegen.
Rechtswidrigkeit
Die Rechtswidrigkeit wird durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert. Siehe für eine Übersicht der möglichen Rechtfertigungsgründe die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.
Schuld
Subjektive Fahrlässigkeitselemente (§ 18 StGB)
Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung
Auch die subjektive Sorgfaltspflichtverletzung wird durch die Verwirklichung der vorsätzlichen Körperverletzung indiziert.
Subjektive Vorhersehbarkeit des Erfolges
Der Erfolg sowie die wesentlichen Züge des Kausalverlaufs müssen für den Täter unter Berücksichtigung seiner persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse subjektiv voraussehbar gewesen sein.
Allg. Schuldelemente
Siehe für die allg. Fälle, in denen die Schuld entfällt (Schuldunfähigkeit, entschuldigende Irrtümer und Entschuldigungsgründe) die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.
Strafzumessung bei minder schweren Fällen (Abs. 2)
Erforderlich ist eine Gesamtabwägung aller relevanten Strafzumessungstatsachen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des Strafmilderungsgrundes des § 213 Alt. 1 StGB (Provokation) ist zwingend von einem minder schweren Fall auszugehen.