StGB Strafgesetzbuch
Nichtvermögensdelikte
- 1.
- Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehörigen eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert,
- 2.
- Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlußprüfung,
- 3.
- Rechtsanwalt, Kammerrechtsbeistand, Patentanwalt, Notar, Verteidiger in einem gesetzlich geordneten Verfahren, Wirtschaftsprüfer, vereidigtem Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten,
- 3a.
- Organ oder Mitglied eines Organs einer Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder einer Berufsausübungsgesellschaft von Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten, einer Berufsausübungsgesellschaft von Rechtsanwälten oder europäischen niedergelassenen Rechtsanwälten oder einer Berufsausübungsgesellschaft von Patentanwälten oder niedergelassenen europäischen Patentanwälten im Zusammenhang mit der Beratung und Vertretung der Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder Berufsausübungsgesellschaft im Bereich der Wirtschaftsprüfung, Buchprüfung oder Hilfeleistung in Steuersachen oder ihrer rechtsanwaltlichen oder patentanwaltlichen Tätigkeit,
- 4.
- Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater sowie Berater für Suchtfragen in einer Beratungsstelle, die von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt ist,
- 5.
- Mitglied oder Beauftragten einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 Absatz 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes,
- 6.
- staatlich anerkanntem Sozialarbeiter oder staatlich anerkanntem Sozialpädagogen oder
- 7.
- Angehörigen eines Unternehmens der privaten Kranken-, Unfall- oder Lebensversicherung oder einer privatärztlichen, steuerberaterlichen oder anwaltlichen Verrechnungsstelle
- 1.
- Amtsträger oder Europäischer Amtsträger,
- 2.
- für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten,
- 3.
- Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt,
- 4.
- Mitglied eines für ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes tätigen Untersuchungsausschusses, sonstigen Ausschusses oder Rates, das nicht selbst Mitglied des Gesetzgebungsorgans ist, oder als Hilfskraft eines solchen Ausschusses oder Rates,
- 5.
- öffentlich bestelltem Sachverständigen, der auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet worden ist, oder
- 6.
- Person, die auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Geheimhaltungspflicht bei der Durchführung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet worden ist,
- 1.
- als in den Absätzen 1 und 2 genannte Person nicht dafür Sorge getragen hat, dass eine sonstige mitwirkende Person, die unbefugt ein fremdes, ihr bei der Ausübung oder bei Gelegenheit ihrer Tätigkeit bekannt gewordenes Geheimnis offenbart, zur Geheimhaltung verpflichtet wurde; dies gilt nicht für sonstige mitwirkende Personen, die selbst eine in den Absätzen 1 oder 2 genannte Person sind,
- 2.
- als im Absatz 3 genannte mitwirkende Person sich einer weiteren mitwirkenden Person, die unbefugt ein fremdes, ihr bei der Ausübung oder bei Gelegenheit ihrer Tätigkeit bekannt gewordenes Geheimnis offenbart, bedient und nicht dafür Sorge getragen hat, dass diese zur Geheimhaltung verpflichtet wurde; dies gilt nicht für sonstige mitwirkende Personen, die selbst eine in den Absätzen 1 oder 2 genannte Person sind, oder
- 3.
- nach dem Tod der nach Satz 1 oder nach den Absätzen 1 oder 2 verpflichteten Person ein fremdes Geheimnis unbefugt offenbart, das er von dem Verstorbenen erfahren oder aus dessen Nachlass erlangt hat.
Falsche Verdächtigung (§ 164 StGB)
Prüfungsschema zur falschen Verdächtigung (§ 164 StGB): Bestraft wird, wer einen objektiv falschen Tatverdacht in Bezug auf einen anderen hervorrufen, bestärkt oder umlenkt.
Subjektiv erforderlich ist nach h.M. bewusster Vorsatz (dolus directus 2. Grades) bezüglich der Falschheit des Tatvorwurfs sowie nach h.M. (entgegen des weitergehenden Wortlautes „Absicht“) lediglich bewusster Vorsatz (dolus directus 2. Grades), ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen einen anderen herbeizuführen oder fortdauern zu lassen.
- Inhaltsverzeichnis
- Tatbestand
- Objektiver Tatbestand
- Verdächtigen
- Objektive Falschheit der Verdächtigung
- Einen Anderen
- Adressat der Verdächtigung
- Subjektiver Tatbestand
- Wider besseres Wissen
- Absicht, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen
- Rechtswidrigkeit
- Schuld
- Rechtsgut
- Schutz der staatlichen Rechtspflege vor falscher Inanspruchnahme (soweit auch § 145d StGB), aber zusätzlich auch ...
- Schutz des Individuums vor falscher Verdächtigung
Tatbestand
Objektiver Tatbestand
Neben Abs. 1 wäre Abs. 2 als eigener Tatbestand zu prüfen. Er entfaltet jedoch wenig Examensrelevanz. Das Schaffen einer falschen Beweislage genügt nach Abs. 2 nach ganz h.M. nicht („sonstige Behauptung“). Bedeutsam ist er in der Praxis als Auffangtatbestand insb. für Ordnungswidrigkeiten sowie Maßnahmen der Gewerbeaufsicht (da: keine Bezichtigung einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht erforderlich).
Verdächtigen
Verdächtigen = Das Hervorrufen, Bestärken oder Umlenken eines Verdachts
-
Geeignetheit
Täuschung muss ex ante geeignet sein, die Strafverfolgungsbehörden zu unnützen Maßnahmen zu veranlassen (Arg: Schutzzweck).
z.B. nicht bei völlig absurden Schilderungen wie A habe B verhext. -
Modalität
-
Unstrittig: Durch falsche Tatsachenbehauptungen
-
Str., ob auch durch Schaffen verdachtserregender Beweislagen sowie durch Leugnen oder durch Leugnen unter logischer Berufung auf irgendeinen Dritten (siehe jeweils Problembox).
-
Ist ein „Verdächtigen“ durch Schaffen einer verdachtserregenden Beweislage möglich?
Beispiel: Verstecken einer Tatwaffe oder von Diebesgut bei einem anderen
-
e.A.: (–) Nein, keine Strafbarkeit
(pro) Systematik: Auslegung des Abs. 1 im Lichte des Wortlautes des Abs. 2: „sonstige Behauptung“; Auslegung des Abs. 1 im Lichte des § 165 StGB: Modalität „öffentlich“ und „durch Verbreiten von Schriften“ dort nur bei Aufstellung von Behauptungen möglich, nicht bei Schaffung verdachtserregender Beweislagen. -
h.M.: (+) Ja, strafbar
(pro) Wortlaut: lässt weite Auslegung zu; Telos: auch durch das Schaffen einer verdachtserregenden Beweislage ist eine gleiche Gefährdung des Betroffenen möglich (Individualtheorie)
Ist ein „Verdächtigen“ durch Leugnen möglich?
-
(-) Einfaches Leugnen = Bloßes Negieren des Tatverdachts
Beispiel 1: „Das war ich nicht.“
Nach ganz h.M. (-) nicht strafbar.
(pro) Systematik: Aussageverweigerungsrecht (Nemo Tenetur-Grundsatz aus Art. 1 GG i.V.m. Art. 2 I GG und Rechtsstaatsprinzip) muss neben Schweigen auch Leugnen ermöglichen
-
(+/-) Modifiziertes Leugnen = Leugnen unter Berufung auf irgendeinen Dritten
Beispiel 2: „Das war ich nicht. Das war sicher wieder jemand aus Düsseldorf.“-
h.M.: (-) Strafbarkeit
(pro) Systematik: Aussageverweigerungsrecht (Nemo Tenetur-Grundsatz aus Art. 1 GG i.V.m. Art. 2 I GG und Rechtsstaatsprinzip) dadurch erheblich eingeschränkt; auch im Zivilrecht „Recht auf qualifizierte Lüge“ z.B. bei Frage nach Schwangerschaft im Einstellungsverfahren -
e.A.: (+) Strafbarkeit
(pro) Dem Täter wäre auch ein straffreies einfaches Leugnen möglich gewesen; Telos: Bereits modifiziertes Leugnen ist geeignet, die Rechtspflege durch unnütze Ermittlungen falsch in Anspruch zu nehmen.
-
- (+) Qualifiziertes Leugnen
Beispiel 3: „Das war ich nicht. Das war doch sicher wieder der Hans K. Müller! Ich hab den gestern sogar am Tatort gesehen.“
Nach ganz h.M. (+) strafbar.
(pro) Telos: Nimmt die Rechtspflege durch unnütze Ermittlungen falsch in Anspruch.
Objektive Falschheit der Verdächtigung
Kern der Mitteilung muss objektiv falsch sein. Dies folgt aus (1) Überschrift „falsche Verdächtigung“ und (2) Wortlaut „wider besseren Wissens“.
Muss der Verdächtige tatsächlich unschuldig sein?
Beispiel: A beobachtet B bei einem Einbruch und erstellt mit Photoshop Bilder des Einbruchs.
-
e.A.: (+) Ja
(pro) Wortlaut: Verdächtigung ist sonst nicht objektiv falsch.
→ Beispiel (-) nicht strafbar. -
a.A.: (–) Nein
(pro) Telos: Auch der Schuldige ist schutzbedürftig gegenüber falschem Beweismaterial und auch durch falsche Beweistatsachen wird die Rechtspflege unnötig beansprucht (da sie nicht verwertet werden dürfen).
→ Beispiel (+) strafbar.
Einen Anderen
Die falsche Verdächtigung muss eine bestimmte, identifizierbare, verfolgbare (= noch lebende) Person bezichtigen.
Nicht ausreichend ist die Selbstbezichtigung oder ein falscher Verdacht gegen Unbekannt (dann § 145d StGB).
Adressat der Verdächtigung
Die Verdächtigung kann erfolgen:
- gegenüber einer Behörde (§ 11 I Nr. 7 StGB; nach h.M. – im Unterschied zu § 145d StGB – auch eine ausländische Behörde (pro) Telos: Schutzgut hier auch Individualrechtsschutz und nicht nur deutsche Rechtspflege);
- gegenüber einer zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Stelle oder einem militärischen Vorgesetzten (insb. Staatsanwaltschaft, Polizeistelle, Disziplinarvorgesetzte), oder
- öffentlich (= vor einem größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten Personenkreis)
Subjektiver Tatbestand
Wider besseres Wissen
Erforderlich ist bewusster Vorsatz (dolus directus 2. Grades) bezüglich
- h.M.: der Falschheit des Tatvorwurfs
- a.A.: der Falschheit der vorgetragenen Tatsachen (sonst kein Vorsatz des Täters, der Bilder vom beobachteten Einbruch fälscht)
Absicht, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen
-
Entgegen dem Wortlaut „Absicht“ ist nach h.M. keine Absicht im rechtstechnischen Sinne (dolus directus 1. Grades) notwendig.
-
Direkter Vorsatz / Wissentlichkeit (dolus directus 2. Grades) ist demnach ausreichend.
-
Eventualvorsatz (dolus eventualis) reicht hingegen nicht aus.
Siehe zu den jeweiligen Unterschieden ausführlich die Übersicht: Vorsatz und Fahrlässigkeit.
Rechtswidrigkeit
Die Rechtswidrigkeit wird durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert. Siehe für eine Übersicht der möglichen Rechtfertigungsgründe die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.
Speziell hier stellt sich das Problem:
Ist eine (rechtfertigende) Einwilligung möglich?
Beispiel: Fahrer A und Beifahrer B tauschen nach einem Verkehrsunfall kurz vor einer Polizeikontrolle die Sitzplätze.
Ergebnis ist abhängig vom geschützten Rechtsgut des § 164 StGB:
- e.A.: (+) Einwilligung möglich
(pro) Individualtheorie (Rechtsgut ist nur Schutz des Individuums) & Kumulationstheorie (Rechtsgut ist auch Schutz der Rechtspflege, aber beide Rechtsgüter müssen verletzt sein) - a.A.: (–) Einwilligung nicht möglich
(pro) Rechtspflegetheorie & Alternativitätstheorie
Schuld
Schuld bezeichnet die persönliche Vorwerfbarkeit der Unrechtsverwirklichung. Auch diese wird grundsätzlich angenommen. Siehe für Fälle, in denen sie entfällt (Schuldunfähigkeit, entschuldigende Irrtümer und Entschuldigungsgründe) die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.