GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Staatsrecht I: Staatsorganisationsrecht
- 1.
- das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
- 2.
- das Personenstandswesen;
- 3.
- das Vereinsrecht;
- 4.
- das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
- 5.
- (weggefallen)
- 6.
- die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
- 7.
- die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
- 8.
- (weggefallen)
- 9.
- die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
- 10.
- die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
- 11.
- das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
- 12.
- das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
- 13.
- die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
- 14.
- das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
- 15.
- die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
- 16.
- die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
- 17.
- die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
- 18.
- den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
- 19.
- Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
- 19a.
- die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
- 20.
- das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
- 21.
- die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
- 22.
- den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
- 23.
- die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
- 24.
- die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
- 25.
- die Staatshaftung;
- 26.
- die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
- 27.
- die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
- 28.
- das Jagdwesen;
- 29.
- den Naturschutz und die Landschaftspflege;
- 30.
- die Bodenverteilung;
- 31.
- die Raumordnung;
- 32.
- den Wasserhaushalt;
- 33.
- die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.
Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II 1 GG)
Prüfungsschema zum Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II 1 GG) als Abwehrrecht der Bürger gegen den Staat.
- Inhaltsverzeichnis
- Schutzbereich
- Persönlicher Schutzbereich
- Natürliche Personen
- Juristische Personen
- Sachlicher Schutzbereich
- Recht auf Leben
- Recht auf körperliche Unversehrtheit
- Eingriff
- Rechtfertigung
- Einschränkbarkeit des Grundrechts (‚Schranke‘)
- Grenzen der Einschränkbarkeit (‚Schranken-Schranken‘)
- Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes
- Formelle Verfassungsmäßigkeit
- Zuständigkeit: Gesetzgebungszuständigkeit
- Verfahren: Gesetzgebungsverfahren
- Form: Ausfertigung und Verkündung
- Materielle Verfassungsmäßigkeit
- Allgemeine materielle Anforderungen
- Verhältnismäßigkeit
- Legitimer Zweck
- Geeignetheit
- Erforderlichkeit
- Angemessenheit
- Ggf. Verfassungsmäßigkeit des Einzelakts
Im Nachfolgenden wird die abwehrrechtliche Dimension des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit dargestellt. Es sei an dieser Stelle jedoch noch auf die gerade in Bezug auf dieses Grundrecht sehr stark ausgeprägte Dimension der staatlichen Schutzpflicht hingewiesen.
Schutzbereich
Persönlicher Schutzbereich
Natürliche Personen
Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ist ein ‚Jedermanngrundrecht‘ (auch ‚Menschenrecht‘), auf das sich alle natürlichen Personen – unabhängig von ihrer Nationalität – berufen können.
Juristische Personen
Juristische Personen können sich nicht auf das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit berufen, da diese nicht ihrem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar ist, sondern an natürliche Qualitäten des Menschen anknüpft (‚wesensmäßige Anwendbarkeit‘). Siehe hierzu auch die Übersicht: Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen, Art. 19 III GG.
Sachlicher Schutzbereich
Recht auf Leben
Leben = körperliches Dasein in Form der biologisch-physischen Existenz
Zeitliche Reichweite:
- Schutz beginnt der Schutz nach h.M. bereits ab dem Zeitpunkt der Einnistung der Eizelle (Nidation) und dauert bis zum Ende der Gehirnfunktion.
- Das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben ist nach h.M. hingegen Teil des allgemeines Persönlichkeitsrecht (APR) (Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG) (str.).
- Nach dem Tod genießt der Mensch u.a. noch den Schutz der Menschenwürde (Art. 1 I GG).
Recht auf körperliche Unversehrtheit
Körperliche Unversehrtheit = biologisch-physiologische Gesundheit, die geistig-seelische Gesundheit sowie die körperliche Integrität.
Dass auch die psychische Gesundheit umfasst ist, ergibt sich nach historischer Auslegung aus den Unrechtserfahrungen im Dritten Reich, in denen gerade auch psychische Misshandlungen stattfanden, sowie in systematischer Hinsicht aus Art. 104 I 2 GG, der als Schranken-Schranke neben der körperlichen auch die seelische Misshandlung festgehaltener Personen verbietet.
Eingriff
Zuerst sollte das Vorliegen eines ‚klassischen Eingriffs‘ geprüft werden; nur wenn ein Merkmal nicht erfüllt ist, sollte auf den ‚modernen Eingriffsbegriff‘ eingegangen werden. Siehe hierzu ausführlich das Prüfungsschema Freiheitsgrundrechte.
Eingriff = Jedes staatliche Handeln, das zur Beeinträchtigung des Schutzbereiches führt und…
- nach dem klassischen Eingriffsbegriff final, unmittelbar, rechtsförmig und zwangsförmig ist bzw.
- nach dem modernen Eingriffsbegriff (auch: ‚neuer Eingriffsbegriff‘):… ein „funktionales Äquivalent“ zu einem klassischen Eingriff darstellt. Dies ist insb. der Fall, wenn der Eingriff eines der folgenden Merkmale aufweist: besondere Intensität, besondere Finalität oder besondere Zurechenbarkeit (meist definiert als Kausalität plus Vorhersehbarkeit).
- Beispiele für Eingriffe in das Leben: Präventiver finaler polizeilicher Rettungsschuss, repressive Todesstrafe; auch bereits: Pflicht zum Einsatz des eigenen Lebens in öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen wie der Bundeswehr oder Feuerwehr
- Beispiele für Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit: Zwangsweise Blutentnahme zur Feststellung der Blutalkoholkonzentration; zwangsweise Veränderung der (Kopf-)Behaarung von Gefangenen (str. a.A. sieht das APR betroffen).
Rechtfertigung
Einschränkbarkeit des Grundrechts (‚Schranke‘)
Gem. Art. 2 II 3 GG darf in das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (nur) „auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden." Es handelt sich damit um einen einfachen Gesetzesvorbehalt.
Die h.M. fordert aufgrund der Wesentlichkeitstheorie, dass Eingriffe grds. nicht durch materielle Gesetze (Verordnung oder Satzung), sondern nur durch formelle Parlamentsgesetze angeordnet werden dürfen (str.).
Grenzen der Einschränkbarkeit (‚Schranken-Schranken‘)
Bei einem Eingriff durch Gesetz ist im Folgenden die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zu prüfen (einstufiger Aufbau). Bei einem Eingriff aufgrund eines Gesetzes ist anschließend zusätzlich der Eingriffsakt zu prüfen (mehrstufiger Aufbau). Siehe hierzu ausführlich das Prüfungsschema Freiheitsgrundrechte.
Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes
Formelle Verfassungsmäßigkeit
Siehe hierzu ausführlich das Prüfungsschema Gesetzgebungsverfahren.
Zuständigkeit: Gesetzgebungszuständigkeit
Verfahren: Gesetzgebungsverfahren
Form: Ausfertigung und Verkündung
Materielle Verfassungsmäßigkeit
Siehe hierzu ausführlich das Prüfungsschema Freiheitsgrundrechte.
Allgemeine materielle Anforderungen
- Zitiergebot (Art. 19 I 2 GG; teilw. auch unter ‚formelle Verfassungsmäßigkeit‘ geprüft)
- Verbot des Einzelfallgesetzes (Art. 19 I 1 GG)
- Verbot der Einschränkung des Wesensgehaltes (Art. 19 II GG)
Die h.M. versteht darunter in Bezug auf das Recht auf Leben nicht bereits das individuelle Leben selbst, da sonst niemals eine Einschränkung möglich wäre, Art. 2 II 3 GG aber auch gerade eine Einschränkung des Rechts auf Leben vorsieht. Der Wesensgehalt wird daher im Recht auf Leben im kollektiven Sinne (etwa einer spez. ethischen Gruppierung etc.) verstanden. So kann u.U. auch der finale polizeiliche Rettungsschuss gerechtfertigt sein, wenn er verhältnismäßig ist, also insb. als äußerstes und letztes Mittel zur Rettung einer Geisel eingesetzt wird. - Bestimmtheit und Rückwirkungsverbot (allg.: Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 III GG; speziell für Strafgesetze, Art. 103 II GG)
- Hier besonders: Justizgrundrechte (Art. 102, 104 I 2 GG)
- Art. 104 I 2 GG verbietet aufgrund der besonderen Macht- und Obhutstellung des Staates, dass festgehaltene Personen weder seelisch noch körperlich misshandelt werden. Der Begriff der „Misshandlung" ist dabei weit zu verstehen, um neben der Menschenwürde aus Art. 1 I GG einen eigenständigen Anwendungsbereich zu haben.
- Art. 102 GG verbietet die Todesstrafe gegenüber jedermann.
Verhältnismäßigkeit
Legitimer Zweck
Grds. jedes öffentliche Interesse, das verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen ist.
Geeignetheit
Das Ziel kann grundsätzlich durch das Mittel erreicht werden.
Erforderlichkeit
Es existiert kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Erreichung des Ziels.
Angemessenheit
Die Intensität des Eingriffs muss in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel des Schutzes anderer Verfassungsgüter stehen.
Hier liegt in aller Regel der Schwerpunkt der Klausur. Dies sollte bei der Zeiteinteilung unbedingt berücksichtigt werden.
Ggf. Verfassungsmäßigkeit des Einzelakts
Urteil oder Maßnahmen aufgrund des Gesetzes.