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GG

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Öffentliches RechtVerfassungsrecht

Staatsrecht I: Staatsorganisationsrecht

(1) Das Aufkommen der Landessteuern und der Länderanteil am Aufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer stehen den einzelnen Ländern insoweit zu, als die Steuern von den Finanzbehörden in ihrem Gebiet vereinnahmt werden (örtliches Aufkommen). Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, sind für die Körperschaftsteuer und die Lohnsteuer nähere Bestimmungen über die Abgrenzung sowie über Art und Umfang der Zerlegung des örtlichen Aufkommens zu treffen. Das Gesetz kann auch Bestimmungen über die Abgrenzung und Zerlegung des örtlichen Aufkommens anderer Steuern treffen. Der Länderanteil am Aufkommen der Umsatzsteuer steht den einzelnen Ländern, vorbehaltlich der Regelungen nach Absatz 2, nach Maßgabe ihrer Einwohnerzahl zu.
(2) Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, ist sicherzustellen, dass die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird; hierbei sind die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände) zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind in dem Gesetz Zuschläge zu und Abschläge von der jeweiligen Finanzkraft bei der Verteilung der Länderanteile am Aufkommen der Umsatzsteuer zu regeln. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Zuschlägen und für die Erhebung von Abschlägen sowie die Maßstäbe für die Höhe dieser Zuschläge und Abschläge sind in dem Gesetz zu bestimmen. Für Zwecke der Bemessung der Finanzkraft kann die bergrechtliche Förderabgabe mit nur einem Teil ihres Aufkommens berücksichtigt werden. Das Gesetz kann auch bestimmen, dass der Bund aus seinen Mitteln leistungsschwachen Ländern Zuweisungen zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs (Ergänzungszuweisungen) gewährt. Zuweisungen können unabhängig von den Maßstäben nach den Sätzen 1 bis 3 auch solchen leistungsschwachen Ländern gewährt werden, deren Gemeinden (Gemeindeverbände) eine besonders geringe Steuerkraft aufweisen (Gemeindesteuerkraftzuweisungen), sowie außerdem solchen leistungsschwachen Ländern, deren Anteile an den Fördermitteln nach Artikel 91b ihre Einwohneranteile unterschreiten.
Quelle: BMJ
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LexMea

Allgemeiner Gleichheitssatz (Art. 3 I GG)

Prüfungsschema für das allgemeine Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 I GG, das es dem Staat verbietet, wesentlich Gleiches ungleich oder wesentlich Ungleiches gleich zu behandeln, sofern hierfür keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung vorliegt.

 

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. (Un-)Gleichbehandlung
  3. Bestimmung der rechtlich relevanten Person/Personengruppe/Situation 
  4. Feststellung der (Un-)Gleichbehandlung
  5. Rechtfertigung 
  6. Verfassungsmäßigkeit des (un)gleich behandelnden Gesetzes
  7. Formelle Verfassungsmäßigkeit
  8. Zuständigkeit: Gesetzgebungszuständigkeit
  9. Verfahren: Gesetzgebungsverfahren
  10. Form: Ausfertigung und Verkündung
  11. Materielle Verfassungsmäßigkeit
  12. Willkürformel 
  13. Verhältnismäßigkeitsprüfung 
  14. Legitimes Differenzierungsziel und -kriterium
  15. Geeignetheit 
  16. Erforderlichkeit
  17. Angemessenheit
  18. Ggf. Verfassungsmäßigkeit des (un)gleich behandelnden Einzelaktes / Urteils

 

  • Zweistufige Prüfung
    Im Unterschied zu den Freiheitsgrundrechten erfolgt die Prüfung von Gleichheitsgrundrechten nicht dreistufig (Schutzbereich, Eingriff, Rechtfertigung), sondern stets zweistufig (Ungleichbehandlung, Rechtfertigung).
  • Konkurrenzen

    • Spezielle Gleichheitssätze
      Sofern die jeweilige Frage inhaltlich durch speziellere Gleichheitsrechte geregelt ist, gehen diese dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG als lex specialis grds. vor . Vorrangig zu prüfen sind daher:
      • Nach h.Lit. die speziellen Gleichheitsrechte aus Art. 3 II, III GG (str. s. Problembox unten)
      • Verbot der Ungleichbehandlung unehelicher Kinder (Art. 6 V GG)
      • Garantie der staatsbürgerlichen Gleichheit, insb. gleicher Zugang zu öffentlichen Ämtern (Art. 33 GG)
      • Chancengleichheit der Parteien (Art. 21 GG)
      • Wahlgleichheit (Art. 38 I 1 GG)
    • Freiheitsgrundrechte
      Die anderen Freiheitsgrundrechte sind neben den Gleichheitsrechten stets parallel anwendbar.

 

In welchem Verhältnis stehen die speziellen Gleichheitssätze (Art. 3 II, III GG) zum allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 I GG)?

  • h.Lit: Die speziellen Gleichheitssätze der Art. 3 II, III GG verdrängen als eigenständige Grundrechte den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 I GG als lex specialis.
    → Im Aufbau werden zunächst die speziellen Gewährleistungen der Art. 3 II, III GG als eigenständige Grundrechte angeprüft und bei Ablehnung ggf. der allg. Gleichheitssatz aus Art. 3 I GG als eigenständiges Grundrecht geprüft.

  • a.A. BVerfG: Nach Ansicht des BVerfG sind Art. 3 II und III GG hingegen keine eigenständigen Grundrechte, sondern Konkretisierungen des Art. 3 I GG, die i.R.d. Rechtfertigung der Prüfung nach Art. 3 I GG von Bedeutung sind.
    → Im Aufbau wird ein einheitliches Grundrecht aus Art. 3 GG geprüft und in der Rechtfertigung nach Art der Ungleichbehandlung differenziert.

 

(Un-)Gleichbehandlung

Bestimmung der rechtlich relevanten Person/Personengruppe/Situation 

Zunächst wird untersucht, ob es sich bei den verglichenen Personen / Personengruppen / Situation um wesentlich Gleiches oder Ungleiches handelt.

Hierzu wird ein gemeinsamer Oberbegriff (tertium comparationis) für beide gebildet.

Beispiel: Bürger A zahlt für den Kauf eines Grundstücks in Hannover mehr Grunderwerbssteuer als Bürger B in Braunschweig; Gemeinsamer Oberbegriff: Grundstückskäufer 

 

Feststellung der (Un-)Gleichbehandlung

Sodann wird festgestellt, ob bei wesentlich Gleichem eine Ungleichbehandlung vorliegt bzw. ob bei wesentlich Ungleichem eine Gleichbehandlung vorliegt. 

Die (Un-)Gleichbehandlung muss jeweils durch denselben Hoheitsträger erfolgen. 
Beispiel: Grunderwerbssteuer in Hannover und Braunschweig, jeweils durch das Land Niedersachsen; Nicht: Grunderwerbssteuer in Hannover und Stuttgart durch unterschiedliche Länder

Umfasst Art. 3 I GG Inländerdiskriminierungen beim Vergleich EU-Bürger/Inländer?

Beispiel: In Deutschland muss Margarine anders verpackt werden als Butter, um Verbraucher nicht zu verwirren. Wegen der EU-Warenverkehrsfreiheit gilt dies jedoch nicht für ausländische Margarine-Hersteller.

  • h.M.: (-) Keine Ungleichbehandlung durch denselben Hoheitsträger (EU und BRD)

  • a.A.: (+) Zuordnung der EU-Warenverkehrsfreiheit zur BRD, sodass die Ungleichbehandlung durch denselben Hoheitsträger erfolgt 

 

 

Rechtfertigung 

Es handelt sich beim allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG um kein striktes Differenzierungsverbot. (Un-)Gleichbehandlungen können gerechtfertigt sein.

Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss zu Art. 3 III GG, der ein Differenzierungsverbot aufgrund der dort aufgeführten Merkmale enthält und sonst überflüssig wäre.

Verfassungsmäßigkeit des (un)gleich behandelnden Gesetzes

Formelle Verfassungsmäßigkeit

→ Ausführlich hierzu das Prüfungsschema Gesetzgebungsverfahren.

Zuständigkeit: Gesetzgebungszuständigkeit
Verfahren: Gesetzgebungsverfahren
Form: Ausfertigung und Verkündung

 

Materielle Verfassungsmäßigkeit

Welcher Rechtfertigungsmaßstab ist i.R.d. Art. 3 I GG anzuwenden? 

Die Rechtsprechung der letzten Jahre ist diesbezüglich nicht einheitlich und befindet sich im Wandel.

  • e.A. (alt, heute kaum mehr vertreten): Stets lediglich Willkürkontrolle ('Willkürformel')
    Willkürformel: Die Differenzierung darf (nur) nicht willkürlich sein, d.h. es muss einen sachlich / sachbezogen einleuchtenden Grund für sie geben. Andersherum ausgedrückt ist die Ungleichbehandlung willkürlich, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt.

  • a.A.: Stets Verhältnismäßigkeitsprüfung ('neue Formel')

    Eine Gruppe darf im Vergleich zu einer anderen Gruppe nicht anders behandelt werden, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. In der Prüfung bedeutet dies eine Verhältnismäßigkeitsprüfung.

  • h.M. (BVerfG heute): Nicht abstrakte, feste, sondern individuelle, stufenlose Maßstabsbildung zwischen lediglich Anwendung der Willkürformel bis hin zu einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung je nach Intensität der Ungleichbehandlung ('Stufenlos-Formel')
    Die Maßstabsbildung erfolgt im Sinne eines stufenlosen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes individuell und richtet sich nach der Intensität der Ungleichbehandlung. Der mögliche Maßstab reicht somit von der bloßen Anwendung der Willkürformel bei Ungleichbehandlungen von geringer Intensität bis hin zu einer vollumfänglichen Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Ungleichbehandlungen mit größerer Intensität.

 

Folgt man der h.M., lassen sich folgende Indizien zur Bestimmung der Intensität und somit des Maßstabes heranziehen:

 

Geringe Intensität

Willkürformel

Größere Intensität

Verhältnismäßigkeit

Personelle Auswirkung

Sachliche / sachbezogene Ungleichbehandlung

Personelle / personenbezogene Ungleichbehandlung

Beeinflussbarkeit

Betroffener kann Kriterium beeinflussen

Betroffener kann Kriterium nicht beeinflussen

Differenzierungskriterium

Neutrales Kriterium

Kriterium ähnelt jenen des Art. 3 III GG

Auswirkung auf Wahrnehmung anderer Grundrechte

Geringe Auswirkung

Größere Auswirkung

Beispiel für Ungleichbehandlung geringer Intensität: Bereich der Leistungsverwaltung, wie insb. Subventionen für best. Vorhaben

 

Willkürformel 

Willkürformel = Die Ungleichbehandlung ist willkürlich, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt.

Andersherum ausgedrückt, muss zur Rechtfertigung lediglich irgendein sachlich / sachbezogen, einleuchtender Grund vorliegen.

 

Verhältnismäßigkeitsprüfung 
Legitimes Differenzierungsziel und -kriterium

Differenzierungsziel und -kriterium müssen verfassungsrechtlich legitim sein.

Geeignetheit 

Die (Un-)Gleichbehandlung muss geeignet sein, das Ziel zu erreichen.

Erforderlichkeit

Es darf kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Erreichung des Ziels geben.

Angemessenheit

Die Intensität der (Un-)Gleichbehandlung muss in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit der (Un-)Gleichbehandlung verfolgten Ziel stehen.

 

Ggf. Verfassungsmäßigkeit des (un)gleich behandelnden Einzelaktes / Urteils

 

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