GG
Verweise
in Anhang EV GG

GG  
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Öffentliches RechtVerfassungsrecht

Staatsrecht I: Staatsorganisationsrecht

- EinigVtr v. 31.8.1990 II 889, 890 - 892, -
sieht folgende Maßgaben vor:

Artikel 3
Inkrafttreten des Grundgesetzes
Mit dem Wirksamwerden des Beitritts tritt das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 1983 (BGBl. I S. 1481), in den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie in dem Teil des Landes Berlin, in dem es bisher nicht galt, mit den sich aus Artikel 4 ergebenden Änderungen in Kraft, soweit in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist.

Artikel 4
Beitrittsbedingte Änderungen des Grundgesetzes
... (betroffen: Präambel, Art. 23, 51, 135a, 143, 146)

Artikel 5
Künftige Verfassungsänderungen
Die Regierungen der beiden Vertragsparteien empfehlen den gesetzgebenden Körperschaften des vereinten Deutschlands, sich innerhalb von zwei Jahren mit den im Zusammenhang mit der deutschen Einigung aufgeworfenen Fragen zur Änderung oder Ergänzung des Grundgesetzes zu befassen, insbesondere
-
in bezug auf das Verhältnis zwischen Bund und Ländern entsprechend dem Gemeinsamen Beschluß der Ministerpräsidenten vom 5. Juli 1990,
-
in bezug auf die Möglichkeit einer Neugliederung für den Raum Berlin/Brandenburg abweichend von den Vorschriften des Artikels 29 des Grundgesetzes durch Vereinbarung der beteiligten Länder,
-
mit den Überlegungen zur Aufnahme von Staatszielbestimmungen in das Grundgesetz sowie
-
mit der Frage der Anwendung des Artikels 146 des Grundgesetzes und in deren Rahmen einer Volksabstimmung.


Artikel 6
Ausnahmebestimmung
Artikel 131 des Grundgesetzes wird in dem in Artikel 3 genannten Gebiet vorerst nicht in Kraft gesetzt.

Artikel 7
Finanzverfassung
(1) Die Finanzverfassung der Bundesrepublik Deutschland wird auf das in Artikel 3 genannte Gebiet erstreckt, soweit in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist.
(2) Für die Verteilung des Steueraufkommens auf den Bund sowie auf die Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) in dem in Artikel 3 genannten Gebiet gelten die Bestimmungen des Artikels 106 des Grundgesetzes mit der Maßgabe, daß
1.
bis zum 31. Dezember 1994 Absatz 3 Satz 4 und Absatz 4 keine Anwendung finden;
2.
bis zum 31. Dezember 1996 der Anteil der Gemeinden an dem Aufkommen der Einkommensteuer nach Artikel 106 Abs. 5 des Grundgesetzes von den Ländern an die Gemeinden nicht auf der Grundlage der Einkommensteuerleistung ihrer Einwohner, sondern nach der Einwohnerzahl der Gemeinden weitergeleitet wird;
3.
bis zum 31. Dezember 1994 abweichend von Artikel 106 Abs. 7 des Grundgesetzes den Gemeinden (Gemeindeverbänden) von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftssteuern und dem gesamten Aufkommen der Landessteuern ein jährlicher Anteil von mindestens 20 vom Hundert sowie vom Länderanteil aus den Mitteln des Fonds "Deutsche Einheit" nach Absatz 5 Nr. 1 ein jährlicher Anteil von 40 vom Hundert zufließt.
(3) Artikel 107 des Grundgesetzes gilt in dem in Artikel 3 genannten Gebiet mit der Maßgabe, daß bis zum 31. Dezember 1994 zwischen den bisherigen Ländern der Bundesrepublik Deutschland und den Ländern in dem in Artikel 3 genannten Gebiet die Regelung des Absatzes 1 Satz 4 nicht angewendet wird und ein gesamtdeutscher Länderfinanzausgleich (Artikel 107 Abs. 2 des Grundgesetzes) nicht stattfindet. Der gesamtdeutsche Länderanteil an der Umsatzsteuer wird so in einen Ost- und Westanteil aufgeteilt, daß im Ergebnis der durchschnittliche Umsatzsteueranteil pro Einwohner in den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen in den Jahren
199155 vom Hundert
199260 vom Hundert
199365 vom Hundert
199470 vom Hundert

des durchschnittlichen Umsatzsteueranteils pro Einwohner in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein beträgt. Der Anteil des Landes Berlin wird vorab nach der Einwohnerzahl berechnet. Die Regelungen dieses Absatzes werden für 1993 in Ansehung der dann vorhandenen Gegebenheiten überprüft.
(4) Das in Artikel 3 genannte Gebiet wird in die Regelungen der Artikel 91a, 91b und 104a Abs. 3 und 4 des Grundgesetzes einschließlich der hierzu ergangenen Ausführungsbestimmungen nach Maßgabe dieses Vertrags mit Wirkung vom 1. Januar 1991 einbezogen.
(5) Nach Herstellung der deutschen Einheit werden die jährlichen Leistungen des Fonds "Deutsche Einheit"
1.
zu 85 vom Hundert als besondere Unterstützung den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie dem Land Berlin zur Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs gewährt und auf diese Länder im Verhältnis ihrer Einwohnerzahl ohne Berücksichtigung der Einwohnerzahl von Berlin (West) verteilt sowie
2.
zu 15 vom Hundert zur Erfüllung zentraler öffentlicher Aufgaben auf dem Gebiet der vorgenannten Länder verwendet.
(6) Bei grundlegender Veränderung der Gegebenheiten werden die Möglichkeiten weiterer Hilfe zum angemessenen Ausgleich der Finanzkraft für die Länder in dem in Artikel 3 genannten Gebiet von Bund und Ländern gemeinsam geprüft.
Quelle: BMJ
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Allgemeines Persönlichkeitsrecht (APR) (Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG)

Öffentliches RechtVerfassungsrechtStaatsrecht II: Grundrechte

Prüfungsschema für das Grundrecht ‚Allgemeines Persönlichkeitsrecht' (APR, Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG) als Abwehrrecht der Bürger gegen den Staat.

Vom Schutzbereich umfasst sind insb. das Recht zur Selbstdefinition (teilw.: Selbstbestimmung), Selbstdarstellung und Selbstbewahrung (Privatsphäre).

Ausprägungen des APR (bzw. nach a.A. eigenständige Grundrechte) stellen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das „Grundrecht auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme" (teilw. auch: IT-Grundrecht oder Computer-Grundrecht) dar.

 

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Schutzbereich
  3. Persönlicher Schutzbereich
  4. Natürliche Personen
  5. Juristische Personen
  6. Sachlicher Schutzbereich
  7. Selbstdefinition (teilw.: Selbstbestimmung)
  8. Selbstdarstellung
  9. Selbstbewahrung
  10. Eingriff 
  11. Rechtfertigung 
  12. Einschränkbarkeit des Grundrechts (‚Schranke‘)
  13. Grenzen der Einschränkbarkeit (‚Schranken-Schranke‘)
  14. Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes
  15. Formelle Verfassungsmäßigkeit 
  16. Zuständigkeit: Gesetzgebungszuständigkeit
  17. Verfahren: Gesetzgebungsverfahren
  18. Form: Ausfertigung und Verkündung
  19. Materielle Verfassungsmäßigkeit
  20. Allgemeine materielle Anforderungen
  21. Verhältnismäßigkeit 
  22. Legitimer Zweck 
  23. Geeignetheit
  24. Erforderlichkeit
  25. Angemessenheit: Sphärentheorie
  26. Rechtfertigung bei Eingriffen in die Sozialsphäre
  27. Rechtfertigung bei Eingriffen in die Privatsphäre
  28. Rechtfertigung bei Eingriffen in die Intimsphäre (Kernbereich privater Lebensgestaltung)
  29. Ggf. Verfassungsmäßigkeit des Einzelakts

 

Schutzbereich

Persönlicher Schutzbereich

Natürliche Personen

Das APR ist ein ‚Jedermanngrundrecht‘ (auch ‚Menschenrecht‘), auf das sich alle natürlichen Personen – unabhängig von ihrer Nationalität – berufen können.

Juristische Personen

  • Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich nicht auf das APR berufen.
  • Juristische Personen des Privatrechts können sich nach Art. 19 III GG nur auf den Teil des APR berufen, der seinem Wesen nach auf diese Anwendbar ist (‚wesensmäßige Anwendbarkeit‘). Siehe hierzu auch das Schema Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen, Art. 19 III GG
    Die Menschenwürde ist nicht ihrem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar, da sie an natürliche Qualitäten des Menschen bzw. das „Menschsein" an sich anknüpft. Daher können sich juristische Personen nach Ansicht des BVerfG nicht auf die in der Menschenwürde (Art. 1 I GG) verankerten Ausformungen des APR berufen (str.); anerkannt hat das BVerfG eine Berufung juristischer Personen des Privatrechts auf Teile des Rechts am gesprochenen Wort, am eigenen Bild sowie auf informationelle Selbstbestimmung. 

 

Sachlicher Schutzbereich

Der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts lässt sich – ähnlich wie jener der allgemeinen Handlungsfreiheit – aufgrund seiner lückenschließenden Gewährleistung nicht abschließend bestimmen. Im Kern steht das Recht des Einzelnen, seine Individualität selbstbestimmt zu entwickeln, darzustellen und zu wahren. Ohne dass dem irgendeine abschließende Funktion zukommt, nimmt die Literatur zur besseren Anschauung häufig eine Untergliederung in drei Ausprägungen vor:

 

Selbstdefinition (teilw.: Selbstbestimmung)

Zur Selbstdefinition gehört insbesondere die Ausgestaltung der eigenen Persönlichkeit

Nicht abschließende, beispielhafte, in der Rspr. anerkannte Ausprägungen sind:

  • die Kenntnis von Abstammungsinformationen, 
  • die sexuelle Selbstbestimmung / sexuelle Orientierung / geschlechtliche Identität wie etwa Transsexualität oder Intersexualität und (eng damit verknüpft) die Wahl eines passenden Geschlechtseintrags,
  • das selbstbestimmte Sterben inkl. der Hilfe Dritter hierfür.

Die Selbstdefinition / Selbstbestimmung als ein Teil des Schutzbereichs hier ist nicht zu verwechseln mit dem mehr oder weniger verselbstständigten Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (dazu unten).

 

Selbstdarstellung

Zur Selbstdarstellung gehört insbesondere das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden.
Nicht abschließende, beispielhafte, in der Rspr. anerkannte Ausprägungen sind das:

  • Recht zur Wahl bzw. Beibehaltung des eigenen Vor‑ bzw. Nachnamens (etwa bei Änderungen der geschlechtlichen Identität)
  • Recht auf die Darstellung der eigenen Person, insbesondere in Presseberichten. Eng damit verbunden sind:
    • Recht am eigenen Bild
    • Recht am gesprochenen (tatsächlichen) Wort sowie des Schutzes vor der Unterschiebung nicht getätigter Äußerungen
    • Recht der persönlichen Ehre

 

  • Sonderfall: Recht auf informationelle Selbstbestimmung

    • Hintergrund
      Vor dem Hintergrund der besonderen Gefahren automatischer Datenverarbeitung hat das BVerfG im Volkszählungsurteil (1983) das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als mehr oder weniger verselbstständigte Ausprägung des APR abgeleitet.

    • Sachlicher Schutzbereich
      Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Vom Schutzbereich sind personenbezogene Daten erfasst, unabhängig davon, wie (un)sensibel diese sind oder ob sie öffentlich (un)zugänglich sind..

      In der Literatur wird das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung teilweise als Unterfall des APR, teilweise als eigenständiges Grundrecht dargestellt und aufgebaut. Entsprechend kann sich auch in der Klausur für eine Variante entschieden werden.

 

Selbstbewahrung

Zur Selbstbewahrung gehört insbesondere das

  • Recht auf Achtung der Privat- und Intimsphäre
    Umfasst ist der Schutz eines eigenen autonomen Bereichs privater Lebensgestaltung – in dem der Einzelne sich so verhalten kann, wie er möchte, sowie seine Individualität entwickeln und wahren kann – vor einem Eindringen oder Einblicken durch Dritte. Dies wird oft auch umschrieben als ‚Recht auf Achtung der Privat- und Intimsphäre‘.
    Beispiele: der familiäre Bereich, das eigene Geschlechtsleben 

Das Recht auf Privat- und Intimsphäre als Teil des Schutzbereichs gilt es nicht zu verwechseln mit der – erst auf Ebene des Eingriffs bzw. dessen Rechtfertigung relevanten – Sphärentheorie, s.u.).

 

  • Sonderfall: „Grundrecht auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme" (teilw. auch: IT-Grundrecht oder Computer-Grundrecht)
    • Hintergrund
      Vor dem Hintergrund der immer umfangreicheren Speicherung persönlichkeitsrelevanter Informationen auf Computern und mobilen Endgeräten (bzw. dem Zugriff auf Clouds über diese) hat das BVerfG im Urteil zu Online-Durchsuchungen (2008) das „Grundrecht auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme" (teilw. auch: IT-Grundrecht oder Computer-Grundrecht) als mehr oder weniger verselbstständigte Ausprägung des APR abgeleitet.

    • Sachlicher Schutzbereich
      • Dieses Recht schützt vor staatlichem Zugriff im Bereich der Informationstechnik auch insoweit, als auf das informationstechnische System insgesamt zugegriffen wird und nicht nur auf einzelne Kommunikationsvorgänge (dann Art. 10 GG) oder auf gespeicherte Daten (dann Recht auf informationelle Selbstbestimmung, s.o.). Auch Zugriffe auf mobile Endgeräte außerhalb der Wohnung (sonst Art. 13 GG) sind erfasst.
      • Voraussetzung ist nach Auffassung des BVerfG, dass das informationstechnische System es aufgrund des Umfangs und der Vielzahl der enthaltenen personenbezogenen Daten ermöglicht, einen Einblick in wesentliche Teile der Lebensgestaltung einer Person zu gewinnen oder gar ein aussagekräftiges Bild der Persönlichkeit zu erhalten (z.B. Handy, Laptop). Nicht umfasst sind informationstechnische Systeme mit lediglich punktuellem Bezug zu einem bestimmten Lebensbereich (z.B. nicht vernetzte elektronische Steuerungsanlagen der Haustechnik). Diese Einschränkung ist jedoch aufgrund der steigenden Datenmengen auch nur zu lediglich bestimmten Lebensbereichen zunehmend strittig.

In der Literatur wird das Grundrecht auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme teilweise als Unterfall des APR, teilweise als eigenständiges Grundrecht dargestellt und aufgebaut. Entsprechend kann sich auch in der Klausur für eine Variante entschieden werden.

 

 

Eingriff 

Zuerst sollte das Vorliegen eines ‚klassischen Eingriffs‘ geprüft werden; nur wenn ein Merkmal nicht erfüllt ist, sollte auf den ‚modernen Eingriffsbegriff‘ eingegangen werden. Siehe hierzu ausführlich das Prüfungsschema Freiheitsgrundrechte.

Eingriff = Jedes staatliche Handeln, das zur Beeinträchtigung des Schutzbereiches führt und nach dem …

  • klassischen Eingriffsbegriff final, unmittelbar, rechtsförmig und zwangsförmig ist, bzw.
  • modernen Eingriffsbegriff (auch: ‚neuer Eingriffsbegriff‘) ein „funktionales Äquivalent" zu einem klassischen Eingriff darstellt.
    Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Eingriff eines der folgenden Merkmale aufweist: besondere Intensität, besondere Finalität oder besondere Zurechenbarkeit (meist definiert als Kausalität plus Vorhersehbarkeit).

Besonderheiten beim Recht auf informationelle Selbstbestimmung: Jede Erhebung, Speicherung und Verwendung von Daten stellt einen eigenen Grundrechtseingriff dar, der einer separaten Rechtfertigung bedarf. 

 

 

 

Rechtfertigung 

Einschränkbarkeit des Grundrechts (‚Schranke‘)

Das APR enthält die gleichen drei Tatbestände möglicher Grundrechtseinschränkungen (Schranken): „die Rechte anderer", „die verfassungsmäßige Ordnung" sowie „das Sittengesetz" (sog. Schrankentrias) wie die allgemeine Handlungsfreiheit. Praktische Bedeutung erlangt auch hier lediglich die Schranke der „verfassungsmäßigen Ordnung", da die anderen Schranken in dieser aufgehen. Zur verfassungsmäßigen Ordnung zählen nicht nur die Normen des Grundgesetzes, sondern alle im Einklang mit der Verfassung stehenden Normen.

Die Schranke der „verfassungsmäßigen Ordnung" wird in der Klausur daher in aller Regel wie ein einfacher Gesetzesvorbehalt (→ siehe Prüfungsschema Freiheitsgrundrechte) zu prüfen sein.

 

Grenzen der Einschränkbarkeit (‚Schranken-Schranke‘)

Bei einem Eingriff durch Gesetz ist im Folgenden die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zu prüfen (einstufiger Aufbau). Bei einem Eingriff aufgrund eines Gesetzes ist anschließend zusätzlich der Eingriffsakt zu prüfen (mehrstufiger Aufbau). (→ siehe ausführlich Prüfungsschema Freiheitsgrundrechte).

Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes

Formelle Verfassungsmäßigkeit 

Detailliert: Siehe das Schema Gesetzgebungsverfahren

Zuständigkeit: Gesetzgebungszuständigkeit
Verfahren: Gesetzgebungsverfahren
Form: Ausfertigung und Verkündung

 

Materielle Verfassungsmäßigkeit
Allgemeine materielle Anforderungen
  • Verbot des Einzelfallgesetzes (Art. 19 I 1 GG) 
  • Verbot der Einschränkung des Wesensgehaltes (Art. 19 II GG)
  • Bestimmtheit und Rückwirkungsverbot (allg.: Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 III GG; speziell für Strafgesetze, Art. 103 II GG
  • Zitiergebot (Art. 19 I 2 GG) gilt nach Ansicht des BVerfG (str.) nicht.
Verhältnismäßigkeit 

Legitimer Zweck 

Grds. jedes öffentliche Interesse, das verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen ist.

Geeignetheit

Das Ziel kann grundsätzlich durch das Mittel erreicht werden. 

Erforderlichkeit

Es existiert kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Erreichung des Ziels.

 

Angemessenheit: Sphärentheorie

Hier liegt in aller Regel der Schwerpunkt der Klausur. Dies sollte bei der Zeiteinteilung unbedingt berücksichtigt werden. 

Sphärentheorie: Die Anforderungen an die Angemessenheit hängen von der Intensität des Eingriffs ab. Die Intensität kann u.a. nach der betroffenen Sphäre bestimmt werden:

 

Rechtfertigung bei Eingriffen in die Sozialsphäre

Sozialsphäre = Bereich, in dem sich der Mensch als soziales Wesen im Austausch mit anderen Menschen befindet.

Bsp.: Ausübung des Berufs, ehrenamtliche Tätigkeiten, Hobbys
Rechtfertigung: allgemeine Angemessenheitsprüfung ohne besondere Anforderungen.

 

Rechtfertigung bei Eingriffen in die Privatsphäre

Privatsphäre = 

  • räumlich: Leben im häuslichen Bereich, im Familienkreis, Privatleben
  • thematisch: Sachverhalte, die sich typischerweise im privaten Lebensbereich abspielen

  • Bsp. für räumliche Privatsphäre: Gespräche am häuslichen Esstisch
  • Bsp. für thematische Privatsphäre: Private Gespräche im öffentlichen Restaurant über die eigene Sexualität

Rechtfertigung: Eingriff nur bei überwiegenden Interessen der Allgemeinheit unter strenger Wahrung der Verhältnismäßigkeit.

 

Rechtfertigung bei Eingriffen in die Intimsphäre (Kernbereich privater Lebensgestaltung)

Intimsphäre =

  • Wird materiell bestimmt, also danach, ob der Inhalt anhand Art und Intensität der sozialen Bedeutung oder Beziehung eines jeweiligen Sachverhalts von höchstpersönlichem Charakter ist. 
    z.B. nicht bei Berichten über geplante, nach außen tretende Straftaten in einem Tagebuch
  • Wird nicht formell bestimmt
    z.B. nicht bereits alle Inhalte eines Tagebuchs

Bsp.: Äußerung intimster Gefühle, Ausdrucksformen der Sexualität, Verwertung von Tagebüchern mit höchstpersönlichem Inhalt, Rundumüberwachung (etwa in Psychiatrie)

Rechtfertigung: Keine Rechtfertigung eines Eingriffs möglich, da Ausdruck der unantastbaren Menschenwürde (Art. 1 I GG) und Schutz des Wesensgehalts (Art. 19 III GG).

 

Aufweichung der Sphärentheorie aufgrund unvermeidbarer Eingriffe in die Intimsphäre bei Auswertungen größer (insbesondere digitaler) Datenmengen

Bevor der Staat feststellen kann, welcher Sphäre ein Inhalt zuzuordnen ist, hat er diesen oftmals bereits erhoben (was einen eigenen Eingriff darstellt). Für die Feststellung ist dann eine Sichtung des Inhalts erforderlich (was einen erneuten Eingriff darstellt).

Beispiele: Infiltration eines PCs und anschließendes Filtern der erlangten Daten nach Informationen über Verbrechen, wobei auch pornografische Bilder aus der absolut geschützten Intimsphäre gefunden werden.

Bei strenger Anwendung der Sphärentheorie wären dies unter Umständen zwei nicht rechtfertigbare Eingriffe in die Intimsphäre. Die Sphärentheorie befindet sich daher zunehmend in Auflösung. In Bezug auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das IT-Grundrecht sieht das BVerfG in im Informationszeitalter oft unvermeidbaren Eingriffen in die Intimsphäre daher nicht stets eine Grundrechtsverletzung an, sofern insbesondere die nachfolgenden zusätzlichen Voraussetzungen gegeben sind (nicht abschließend und auch vom konkreten Einzelfall abhängig):

  • Zweckbindung für die erhobenen Daten
  • Einhaltung gewisser Verfahrensgarantien: 
    • Während des Eingriffs:
      Intimsphäre muss bei Erhebung, Auswertung und Verwertung hinreichend, durch unabhängige Stellen oder informationstechnische Sicherungen geschützt sein. 
    • Zumindest nach Eingriff:
      Benachrichtigung und Auskunftsrechte des Betroffenen (nur so gerichtliche Kontrolle gem. Art. 19 IV GG möglich); Existieren von Berichtigungs- und Löschpflichten.
    • Nach dem Eingriff:
      Kein Datenaustausch zwischen Polizei und Nachrichtendiensten (informationelles Trennungsgebot) sowie zwischen sonstigen Behörden nur aufgrund zweier separater Ermächtigungsgrundlagen für Datenübermittlung und Datenabruf (Doppeltürprinzip). 
  • Heimliche Eingriffe zu präventiven (und nicht lediglich repressiven) Zwecken sind nur zulässig, wenn 
    • ...vor dem Eingriff bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut (insb. Leib, Leben und Freiheit der Person) hinweisen und
    • ...grds. vor dem Eingriff – wegen der mit einer Wohnungsdurchsuchung vergleichbaren Eingriffsintensität, s. dafür Art. 13 II GG – eine Anordnung eines Richters oder einer sonstigen unabhängigen und neutralen Instanz vorliegt; Ausnahme für Eilfälle (etwa bei Gefahr im Verzug), wenn jedenfalls für eine anschließende Überprüfung durch eine neutrale Stelle gesorgt ist und
    • ...nach dem Eingriff eine unabhängige Kontrolle (z.B. durch den Bundesdatenschutzbeauftragten) sichergestellt ist.

 

Ggf. Verfassungsmäßigkeit des Einzelakts

Urteil oder Maßnahmen aufgrund des Gesetzes. 

 

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