BVerfGG
Verweise
in § 23a BVerfGG

BVerfGG  
Bundesverfassungsgerichtsgesetz

Öffentliches RechtVerfassungsrecht

Staatsrecht I: Staatsorganisationsrecht

(1) Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen sowie sonstige Schriftsätze und deren Anlagen können nach Maßgabe der folgenden Absätze als elektronische Dokumente beim Bundesverfassungsgericht eingereicht werden.
(2) Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Bundesverfassungsgericht geeignet sein. Für die Übermittlung und die Eignung zur Bearbeitung durch das Bundesverfassungsgericht gelten die in der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung geregelten technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs entsprechend.
(3) Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Satz 1 gilt nicht für Anlagen. Soll ein schriftlich einzureichender Antrag oder eine schriftlich einzureichende Erklärung eines Beteiligten oder eines Dritten als elektronisches Dokument eingereicht werden, so kann der unterschriebene Antrag oder die unterschriebene Erklärung in ein elektronisches Dokument übertragen und durch den Bevollmächtigten, den Vertreter oder den Beistand nach Satz 1 übermittelt werden.
(4) Sichere Übermittlungswege sind
1.
der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt,
2.
der Übermittlungsweg zwischen den besonderen elektronischen Anwaltspostfächern nach den §§ 31a und 31b der Bundesrechtsanwaltsordnung oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Bundesverfassungsgerichts,
3.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle des Bundesverfassungsgerichts,
4.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten elektronischen Postfach einer natürlichen oder juristischen Person oder einer sonstigen Vereinigung und der elektronischen Poststelle des Bundesverfassungsgerichts,
5.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens genutzten Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Absatz 5 des Onlinezugangsgesetzes und der elektronischen Poststelle des Bundesverfassungsgerichts,
6.
sonstige bundeseinheitliche Übermittlungswege, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, bei denen die Authentizität und Integrität der Daten sowie die Barrierefreiheit gewährleistet sind.
Für die Übermittlungswege gemäß Satz 1 Nummer 3 bis 5 gelten die näheren Regelungen der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung entsprechend.
(5) Ein elektronisches Dokument ist eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Bundesverfassungsgerichts gespeichert ist. Dem Absender ist eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs zu erteilen.
(6) Ist ein elektronisches Dokument für das Bundesverfassungsgericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Bundesverfassungsgericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.
Quelle: BMJ
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Verfassungsbeschwerde (Art. 94 I Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG)

Öffentliches RechtVerfassungsrechtStaatsrecht I: Staatsorganisationsrecht

Prüfungsschema zur Verfassungsbeschwerde, mit der „jedermann“ vor dem Bundesverfassungsgericht die Verletzung von eigenen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten durch einen Akt der öffentlichen Gewalt geltend machen kann.

 

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Zulässigkeit
  3. Zuständigkeit (Art. 94 I Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 I BVerfGG)
  4. Beschwerdefähigkeit / teilw. Beschwerdeberechtigung (Art. 94 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG)
  5. Natürliche Personen
  6. Juristische Personen
  7. (Prozessfähigkeit)
  8. Beschwerdegegenstand (Art. 94 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG)
  9. Beschwerdebefugnis (Art. 94 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG)
  10. Selbst
  11. Gegenwärtig
  12. Unmittelbar
  13. Rechtsschutzbedürfnis
  14. Rechtswegerschöpfung (§ 90 II BVerfGG)
  15. Subsidiarität
  16. Form (§§ 23 I, 92 BVerfGG)
  17. Frist (§ 93 BVerfGG)
  18. Begründetheit

 

Gesetzesänderung: Der Gesetzgeber hat mit Zweidrittelmehrheit mit Wirkung zum 28.12.2024 die Art. 93 und Art. 94 GG neu gefasst. Dadurch wurden bisher im Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) einfachgesetzlich geregelte und somit durch einfache (50%ige) Mehrheit änderbare Festlegungen zu Organisation und Verfahren BVerfG direkt ins Grundgesetz aufgenommen. Zudem wurde in Art. 93 II 2 GG eine Regelung für den Fall geschaffen, dass Bundestag oder Bundesrat nicht rechtzeitig einen Nachfolger für eine vakante Richterstelle wählen.

Die Änderungen sollen insb. vor dem Hintergrund akuter Rechtsstaatskrisen - etwa in Polen und Ungarn durch die weitgehende Entmachtung der dortigen Verfassungsgerichte durch autokratische Regierungen - und auch in Deutschland wahrgenommener Änderungen der politischen Mehrheitsverhältnisse die dauerhafte Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit der Verfassungsgerichtsbarkeit als zentrales Element der machtbegrenzenden Gewaltenteilung sicherstellen.

Für die Klausur bedeutet dies konkret lediglich, dass künftig stets Art. 94 statt Art. 93 zitiert wird. Die Nummern des Abs. 1 für die jeweiligen Verfahrensarten sind unverändert geblieben.

 

Zulässigkeit

Zuständigkeit (Art. 94 I Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 I BVerfGG)

Die Zuständigkeit des BVerfG für die Verfassungsbeschwerde ergibt sich aus Art. 94 I Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 I BVerfGG.

 

Beschwerdefähigkeit / teilw. Beschwerdeberechtigung (Art. 94 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG)

Jedermann kann Verfassungsbeschwerde erheben.

Jedermann = Jeder Träger eines Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts

Die prozessuale Beschwerdefähigkeit richtet sich somit nach der materiell-rechtlichen Grundrechtsfähigkeit.

Grundrechtsfähigkeit = Allgemeine Fähigkeit, Träger irgendeines Grundrechts sein zu können.

 

Natürliche Personen

Natürliche, lebende Personen sind beschwerdefähig. Str. ist lediglich die Grundrechtsfähigkeit des ungeborenen / werdenden Lebens („Nasciturus").

Hier Staatsangehörigkeit noch nicht relevant; diesbezügliche Probleme sind erst bei Beschwerdebefugnis anzusprechen

 

Juristische Personen

Juristische Personen sind unter den Voraussetzungen des Art. 19 III GG beschwerdefähig. 

Siehe hierzu ausführlich die Übersicht: Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen (Art. 19 III GG).

 

 

(Prozessfähigkeit)

Dieser Prüfungspunkt ist nur anzusprechen, wenn hieran Zweifel bestehen.

Prozessfähigkeit = Fähigkeit, Prozesshandlungen selbst oder durch einen selbst ernannten Vertreter rechtswirksam vorzunehmen

  • Minderjährige (oder anderweitig in der Geschäftsfähigkeit Beschränkte / Geschäftsunfähige)
    • Keine starre Altersgrenze
    • Richtet sich nach der materiell-rechtlichen Grundrechtsmündigkeit für das jeweils in Anspruch genommene Grundrecht 

Grundrechtsmündigkeit = Geistige Reife und Einsichtsfähigkeit zur Ausübung des konkret in Anspruch genommenen Grundrechts.

 

 

Beschwerdegegenstand (Art. 94 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG)

Tauglicher Beschwerdegegenstand kann jeder Akt der öffentlichen Gewalt sein, d.h. Maßnahmen der Legislative, der Judikative oder der Exekutive:

  • Legislative → Rechtssatzverfassungsbeschwerde
    Gegen jede Rechtsnorm, z.B. Parlamentsgesetz, Rechtsverordnung, Satzung
  • Judikative → Urteilsverfassungsbeschwerde
  • Exekutive → Exekutivaktverfassungsbeschwerde
    Hier: Grundsätzlich erst Rechtsweg erschöpfen, weiter im Rahmen der Urteils-VerfB

Als Maßnahme kommt auch ein Unterlassen in Betracht.

Liegen mehrere Akte der öffentlichen Gewalt vor (z.B. Verwaltungsakt, Widerspruchsbescheid, erstinstanzliches Verwaltungsgerichtsurteil, Urteil des OVG) hat der Beschwerdeführer nach Ansicht des BVerfG die Wahl, ob er nur gegen die letztinstanzliche Gerichtsentscheidung vorgehen möchte oder zusätzlich auch gegen die der Vorinstanz(en) bzw. den ursprünglichen VA.

 

 

Beschwerdebefugnis (Art. 94 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG)

Der Beschwerdeführer muss durch den Beschwerdegegenstand möglicherweise (Möglichkeitstheorie) in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Art. 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenen Rechte (sog. grundrechtsgleiche Rechte) verletzt sein.

Im Unterschied zur Begründetheit ist keine vollständige Prüfung einer Rechtsverletzung nötig. Diese muss jedoch zumindest möglich erscheinen (h.M.: Möglichkeitstheorie). Das Merkmal dient der Aussonderung ganz offensichtlich unbegründeter Fälle, für die keinerlei Betroffenheit irgendeiner Rechtsposition ersichtlich ist.

In der Klausur sollte hier auf die gleichen Rechte abgestellt werden wie später unter B. in der Begründetheit. 

 

Der betreffende Akt der öffentlichen Gewalt muss den Beschwerdeführer hierfür selbst, gegenwärtig und unmittelbar betreffen.

Selbst

Beschwerdeführer muss in seinen eigenen Grundrechten / grundrechtsgleichen Rechten verletzt sein.

 

Gegenwärtig

  • Grundsatz: Grundrechtsverletzung liegt schon vor oder dauert noch an.
  • Ausnahme: Der Akt zwingt den Beschwerdeführer zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen.

 

Unmittelbar

Der Akt ändert selbst und ohne weitere Vollzugsakte die Rechtsstellung des Beschwerdeführers.

 

 

Rechtsschutzbedürfnis

Beschwerdeführer benötigt ein schutzwürdiges Interesse:

  • Grds. nicht gegeben, wenn Akt sich zum Entscheidungszeitpunkt erledigt hat
  • Ausnahme: Wiederholungsgefahr; allg. Klärungsinteresse grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Fragen

 

 

Rechtswegerschöpfung (§ 90 II BVerfGG)

Rechtsweg = Jede gesetzlich normierte Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts

  • Grundsatz
    Der Rechtsweg muss, sofern eröffnet, erschöpft sein (§ 90 II 1 BVerfG).
  • Ausnahme
    Verfassungsbeschwerde ist von allgemeiner Bedeutung oder dem Beschwerdeführer drohen schwere und unabwendbare Nachteile (hohe Anforderungen) bei Erschöpfung des Rechtswegs (§ 90 II 2 BVerfGG).

 

 

Subsidiarität

Der Beschwerdeführer muss grds. alle sonstigen Möglichkeiten, fachlichen Rechtsschutz zu erhalten, genutzt haben.

Prüfungspunkt ebenfalls erfüllt, wenn:

  • Beschwerdegegenstand ein Gesetz ist, gegen das kein Rechtsweg gegeben ist oder
  • Unzumutbarkeit des Rechtswegs anzunehmen ist (z.B.: Entgegenstehen gefestigter Rechtsprechung).

 

 

Form (§§ 23 I, 92 BVerfGG)

Eingehen muss die Verfassungsbeschwerde beim BVerfG...

  • schriftlich (§ 23 I 1 BVerfGG) und
  • begründet (§ 23 I 2 BVerfGG) unter Nennung des verletzten Rechts sowie des Akts der öffentlichen Gewalt (§ 92 BVerfGG).

 

 

Frist (§ 93 BVerfGG)

  • Monatsfrist: Bei Urteils-Verfassungsbeschwerde (§ 93 I 1 BVerfGG).
  • Jahresfrist: Bei Rechtssatz-Verfassungsbeschwerde (§ 93 III BVerfGG).

 

 

 

Begründetheit

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, wenn und soweit der Beschwerdeführer durch den angreifenden Akt in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt ist.

 

  • LegislativeRechtssatzverfassungsbeschwerde
    Prüfung, ob der Rechtssatz (Gesetz/Verordnung/Satzung) formell und materiell verfassungsgemäß ist.

 

  • JudikativeUrteilsverfassungsbeschwerde

In der Klausur sollte der nachfolgende Prüfungsmaßstab nur sehr kurz dargelegt, dann jedoch mit der normalen Prüfung fortgefahren werden.

    • Aus Art. 94 GG ergibt sich, dass das BVerfG in Fragen der Verletzung des Grundgesetzes entscheidet. Jede behördliche oder richterliche Verletzung einfachen Rechts stellt in aller Regel auch einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 I GG) und oft auch gegen die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip dar.
    • Aus Art. 95 GG ergibt sich jedoch, dass die obersten Gerichtshöfe (BGH, BVerwG, BFH, BAG, BSG) in ihren Gerichtszweigen „als oberste Gerichtshöfe“ letztinstanzlich entscheiden.
    • Das Bundesverfassungsgericht ist gerade keine „Superrevisionsinstanz“. Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde prüft es daher nicht die Verletzung jeglichen Rechts (z.B. Art. 3 I GG, 2 I GG), sondern lediglich die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts.
    • Es haben sich folgende Fallgruppen herausgebildet:
      • Willkür
      • Verfassungsnorm wurde gänzlich übersehen (Anwendungsdefizit)
      • Verfassungsnorm wurde grundsätzlich falsch angewendet und die gerichtliche Entscheidung beruht auf diesem Fehler (Fehlbewertung) 
      • Verstoß gegen die Justizgrundrechte (Art. 19 IV; Art. 101; Art. 103. I, II, III GG)
      • Hohe Eingriffsintensität (str.)
    • Beachte insg. die bei der Urteilsverfassungsbeschwerde stets erforderliche Unterscheidung in Verfassungsmäßigkeit der Einzelmaßnahme (Verwaltungsakt oder Urteil) sowie des Gesetzes.

 

  • ExekutiveExekutivaktverfassungsbeschwerde
    Auch hier muss eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts vorliegen (s.o.).

 

 

Wenn der Antrag letztlich zulässig und begründet ist, lautet der Tenor:

  • Legislative → Rechtssatzverfassungsbeschwerde
    Gesetz wird - nicht nur für den Einzelfall, sondern allgemein - für nichtig erklärt (§ 95 III 1 BVerfGG).
  • Judikative → Urteilsverfassungsbeschwerde
    • Urteil als solches verstößt gegen Verfassung: Urteil wird aufgehoben und die Sache ggf. zurück an das zuständige Gericht verwiesen (§ 95 II BVerfGG).
    • Urteil beruht auf einem verfassungswidrigen Gesetz: Urteil wird aufgehoben und das Gesetz für nichtig erklärt (§ 95 II, III 2 BVerfGG).
    • Urteil beruht auf verfassungsgemäßem, aber im vorliegenden Einzelfall verfassungswidrig ausgelegtem Gesetz: Urteil wird aufgehoben und die Sache zurück an das zuständige Gericht verwiesen (§ 95 II BVerfGG).

 

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