BGB
Verweise
in § 493 BGB

BGB  
Bürgerliches Gesetzbuch

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Darlehen u.a. Finanzierungshilfen

(1) Ist in einem Verbraucherdarlehensvertrag der Sollzinssatz gebunden und endet die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit, unterrichtet der Darlehensgeber den Darlehensnehmer spätestens drei Monate vor Ende der Sollzinsbindung darüber, ob er zu einer neuen Sollzinsbindungsabrede bereit ist. Erklärt sich der Darlehensgeber hierzu bereit, muss die Unterrichtung den zum Zeitpunkt der Unterrichtung vom Darlehensgeber angebotenen Sollzinssatz enthalten.
(2) Der Darlehensgeber unterrichtet den Darlehensnehmer spätestens drei Monate vor Beendigung eines Verbraucherdarlehensvertrags darüber, ob er zur Fortführung des Darlehensverhältnisses bereit ist. Erklärt sich der Darlehensgeber zur Fortführung bereit, muss die Unterrichtung die zum Zeitpunkt der Unterrichtung gültigen Pflichtangaben gemäß § 491a Abs. 1 enthalten.
(3) Die Anpassung des Sollzinssatzes eines Verbraucherdarlehensvertrags mit veränderlichem Sollzinssatz wird erst wirksam, nachdem der Darlehensgeber den Darlehensnehmer über die Einzelheiten unterrichtet hat, die sich aus Artikel 247 § 15 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche ergeben. Abweichende Vereinbarungen über die Wirksamkeit sind im Rahmen des Artikels 247 § 15 Absatz 2 und 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche zulässig.
(4) Bei einem Vertrag über ein Immobiliar-Verbraucherdarlehen in Fremdwährung gemäß § 503 Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 3, hat der Darlehensgeber den Darlehensnehmer unverzüglich zu informieren, wenn der Wert des noch zu zahlenden Restbetrags oder der Wert der regelmäßigen Raten in der Landeswährung des Darlehensnehmers um mehr als 20 Prozent gegenüber dem Wert steigt, der bei Zugrundelegung des Wechselkurses bei Vertragsabschluss gegeben wäre. Die Information
1.
ist auf einem dauerhaften Datenträger zu übermitteln,
2.
hat die Angabe über die Veränderung des Restbetrags in der Landeswährung des Darlehensnehmers zu enthalten,
3.
hat den Hinweis auf die Möglichkeit einer Währungsumstellung aufgrund des § 503 und die hierfür geltenden Bedingungen und gegebenenfalls die Erläuterung weiterer Möglichkeiten zur Begrenzung des Wechselkursrisikos zu enthalten und
4.
ist so lange in regelmäßigen Abständen zu erteilen, bis die Differenz von 20 Prozent wieder unterschritten wird.
Die Sätze 1 und 2 sind entsprechend anzuwenden, wenn ein Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag in der Währung des Mitgliedstaats der Europäischen Union, in dem der Darlehensnehmer bei Vertragsschluss seinen Wohnsitz hat, geschlossen wurde und der Darlehensnehmer zum Zeitpunkt der maßgeblichen Kreditwürdigkeitsprüfung in einer anderen Währung überwiegend sein Einkommen bezieht oder Vermögenswerte hält, aus denen das Darlehen zurückgezahlt werden soll.
(5) Wenn der Darlehensnehmer eines Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags dem Darlehensgeber mitteilt, dass er eine vorzeitige Rückzahlung des Darlehens beabsichtigt, ist der Darlehensgeber verpflichtet, ihm unverzüglich die für die Prüfung dieser Möglichkeit erforderlichen Informationen auf einem dauerhaften Datenträger zu übermitteln. Diese Informationen müssen insbesondere folgende Angaben enthalten:
1.
Auskunft über die Zulässigkeit der vorzeitigen Rückzahlung,
2.
im Fall der Zulässigkeit die Höhe des zurückzuzahlenden Betrags und
3.
gegebenenfalls die Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung.
Soweit sich die Informationen auf Annahmen stützen, müssen diese nachvollziehbar und sachlich gerechtfertigt sein und als solche dem Darlehensnehmer gegenüber offengelegt werden.
(6) Wurden Forderungen aus dem Darlehensvertrag abgetreten, treffen die Pflichten aus den Absätzen 1 bis 5 auch den neuen Gläubiger, wenn nicht der bisherige Darlehensgeber mit dem neuen Gläubiger vereinbart hat, dass im Verhältnis zum Darlehensnehmer weiterhin allein der bisherige Darlehensgeber auftritt.
(7) Der Darlehensgeber übermittelt dem Darlehensnehmer vor der Änderung der Bestimmungen des Verbraucherdarlehensvertrags die folgenden Informationen:
1.
eine klare Beschreibung
a)
der vorgeschlagenen Änderungen,
b)
soweit zutreffend, der Notwendigkeit der Zustimmung des Darlehensnehmers zu den Änderungen nach Buchstabe a und
c)
soweit zutreffend, der gesetzlich eingeführten Änderungen, die den Änderungen nach Buchstabe a zugrunde liegen,
2.
den zeitlichen Rahmen, der für die Umsetzung der Änderungen nach Nummer 1 Buchstabe a vorgesehen ist, und
3.
die Möglichkeiten, die dem Darlehensnehmer zur Verfügung stehen, um gegen die Änderungen nach Nummer 1 Buchstabe a Beschwerde einzulegen, die Frist für die Einlegung der Beschwerde sowie die Bezeichnung und Anschrift der zuständigen Behörde, bei der die Beschwerde eingereicht werden kann.
§ 492 Absatz 5 ist nicht anzuwenden.
Quelle: BMJ
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Anfechtung wegen Inhalts- oder Erklärungsirrtums (§ 119 I BGB)

ZivilrechtBürgerliches RechtBGB AT

Prüfungsschema zur Anfechtung einer Willenserklärung wegen Inhalts- oder Erklärungsirrtums (§ 119 I BGB), wodurch diese als von Anfang an (ex tunc) nichtig anzusehen ist (§ 142 I BGB).

 

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Anfechtungserklärung (§ 143 BGB)
  3. Anfechtungsgrund (§ 119 I BGB)
  4. Inhaltsirrtum (§ 119 I Alt. 1 BGB)
  5. Erklärungsirrtum (§ 119 I Alt. 2 BGB)
  6. Kausalität des Irrtums (§ 119 I a.E. BGB)
  7. Kein Ausschluss
  8. Keine Bestätigung des Rechtsgeschäfts (§ 144 BGB)
  9. Keine Verfristung (§ 121 BGB)
  10. Unverzügliche Absendung der AnfErkl (§ 121 I BGB)
  11. Kein Verstreichen von 10 Jahren (§ 121 II BGB)
  12. Rechtsfolgen
  13. Ex tunc
  14. Ersatz des Vertrauensschadens (§ 122 BGB)

 

 

Die erfolgreiche Anfechtung einer Willenserklärung (WE) führt gem. § 142 I BGB grds. dazu, dass diese als von Anfang an (ex tunc) nichtig anzusehen ist. Die Prüfung erfolgt daher bei Ansprüchen üblicherweise unter dem Prüfungspunkt „Anspruch entstanden“. Da der Anspruch tatsächlich bis zur erfolgten Anfechtung bestanden hat, ist auch eine Prüfung unter dem Punkt „Anspruch nicht erloschenvertretbar.

Praktische Auswirkungen hat der Prüfungsstandort nicht. Sofern im Anschluss Kondiktionsansprüche geprüft werden, sollte aber im Einklang mit der Einordnung im ersten Fall eine condictio indebiti nach § 812 I 1 Alt. 1 BGB geprüft werden und in letzterem Fall eine condictio ob causam finitam nach § 812 I 2 Alt. 1 BGB.

 

Anfechtungserklärung (§ 143 BGB)

Bei der Anfechtungserklärung (AnfErkl) handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige WE.

  • Bedingungsfeindlichkeit
    Als Gestaltungserklärung ist die AnfErkl bedingungsfeindlich. Zulässig ist aber die Anfechtung unter einer sog. innerprozessualen Rechtsbedingung, bei der die Anfechtung - anders als § 158 BGB - für den Fall einer bestimmten rechtlichen Beurteilung (durch ein Gericht) vorgenommen wird. Bsp.: Anfechtung für den Fall, dass überhaupt ein Vertrag zu Stande gekommen ist.

  • Adressat
    Die Erklärung erfolgt gegenüber dem Anfechtungsgegner. Dies ist grds. der Erklärungsempfänger, bei Verträgen der Vertragspartner.

  • Form
    Die AnfErkl ist nicht formgebunden und muss den Begriff Anfechtung nicht enthalten. Sie muss aber zu erkennen geben, dass der Anfechtende die WE wegen Willensmängeln nicht gegen sich gelten lassen möchte.

  • Begründung (str., s. Problembox)

Ist die Angabe des Anfechtungsgrundes erforderlich?

  • h.M. BGH: (+) Ja
    Der Anfechtende muss die der Anfechtung zugrunde liegenden Tatsachen nennen, sofern sich der Grund nicht bereits aus den Umständen ergibt oder dem Anfechtungsgegner bekannt ist. 
    (pro) Anderweitig ist der Anfechtungsgegner nicht in der Lage, die Berechtigung der Anfechtung zu überprüfen.

  • a.A. RG: (-) Nein
    Die Anfechtung ist auch ohne Angabe von zugrunde liegenden Tatsachen wirksam.
    (pro) Wortlaut: § 143 BGB nennt dieses Erfordernis nicht.
    (pro) Systematik: Anderweitig macht der Gesetzgeber spezialgesetzliche Vorgaben zur Begründung (z.B. in §§ 573 III, 574 III BGB, § 102 BetrVG) 

 

Anfechtungsgrund (§ 119 I BGB)

Anders als die Anfechtung nach § 119 II BGB wird eine Anfechtung nach § 119 I BGB, § 120 BGB oder § 123 BGB nicht durch den Vorrang des Gewährleistungsrechts verdrängt.

Im Rahmen der Irrtumsanfechtung ist der tatsächliche Sachverhalt, d.h. der objektive Inhalt einer Willenserklärung durch Auslegung (siehe Übersicht: Auslegung von Willenserklärungen) zu ermitteln.

Irrtum = das Auseinanderfallen von vorgestelltem und tatsächlichem Sachverhalt

 

Inhaltsirrtum (§ 119 I Alt. 1 BGB)

Inhaltsirrtum = Erklärende Person gibt eine Erklärung ab und irrt dabei über deren Inhalt.

Formel: 'Er weiß, was er sagt, aber nicht was er damit sagt.'

Beispiele: Verwendung eines Begriffs, über deren Bedeutung der Erklärende irrt; Unterschreiben eines Dokuments, über deren Inhalt sich der Erklärende eine falsche Vorstellung macht; aber nicht, wenn der Erklärende sich gar keine Vorstellung macht

Sonderfall: beiderseitiger Inhaltsirrtum (falsa demonstratio non nocet)

  • Wenn beide Seiten übereinstimmend von einer objektiv falschen Bedeutung einer Bezeichnung ausgehen, gilt das eigentlich Gewollte. Eine Anfechtung ist ausgeschlossen.
  • Bsp.: Parteien einigen sich über den Verkauf von „Haakjöringsköd“ in der irrigen Annahme, der Begriff bezeichne nicht Haifischfleisch, sondern Walfleisch; der Vertrag ist über Walfleisch zustande gekommen.

 

Besteht die Möglichkeit der Anfechtung beim verdeckten Kalkulationsirrtum?

Bsp.: Architekt verrechnet sich bei Erstellung eines Angebots und legt nur Ergebnis der Berechnung mit dem Angebot offen (nicht die verdeckt bleibende Berechnung selbst)

  • h.M.: (-) Nein
    Es handelt sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum

  • a.A.: (+) Ja
    Beispiel ist vergleichbar mit Vertippen oder Versprechen, daher Anfechtung analog § 119 I Alt. 1 BGB möglich

 

Besteht die Möglichkeit der Anfechtung beim offener Kalkulationsirrtum?

Bsp.: Architekt verrechnet sich bei Erstellung eines Angebots und legt die Berechnung mit dem Angebot offen

→ Zunächst ist der Inhalt des Vertrags durch Auslegung zu ermitteln; wenn die Erklärung widersprüchlich, liegt bereits keine wirksame WE vor (‚Perplexität‘)

  • e.A. RG: (+) Ja
    Die offene Kalkulation ist Teil der Erklärung; Geschäftspartner nicht schutzwürdig; Anfechtung analog § 119 I Alt. 1 BGB oder analog § 119 II BGB

  • h.M. BGH: (-) Nein:
    Es handelt sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum; ausreichender Schutz der Erklärenden durch c.i.c., § 313 BGB oder § 242 BGB

 

Erklärungsirrtum (§ 119 I Alt. 2 BGB)

Erklärungsirrtum = Der Erklärende wollte eine Erklärung des Inhalts nicht abgeben.

Bsp.: Verschreiben, versprechen

 

Kausalität des Irrtums (§ 119 I a.E. BGB)

Der Inhalts- oder Erklärungsirrtum muss kausal für die Abgabe der WE gewesen sein.

 

 

Kein Ausschluss

Keine Bestätigung des Rechtsgeschäfts (§ 144 BGB)

Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Anfechtende das Rechtsgeschäft in Kenntnis aller Anfechtungsgründe bestätigt hat. Strittig ist, ob die Bestätigung zugangsbedürftig ist.

 

Keine Verfristung (§ 121 BGB)

Unverzügliche Absendung der AnfErkl (§ 121 I BGB)

  • Die Anfechtung wegen Irrtums muss unverzüglich erfolgen (§ 121 I BGB); die Erklärung muss nicht sofort, aber ohne schuldhaftes Zögern erklärt werden; dem Anfechtenden steht hierbei eine von den Umständen abhängende Prüfungs- und Überlegungsfrist zu.
  • Die Frist beginnt mit Kenntnis der Tatsachen, die jeweils zur Anfechtung berechtigen; fahrlässige Unkenntnis genügt nach h.M. nicht.

  • Beachte die Möglichkeit der Zurückweisung einseitiger Rechtsgeschäfte gem. § 174 BGB, wenn die Anfechtung durch einen bevollmächtigten Stellvertreter erfolgt; eine erneute Anfechtung ist dann i.d.R. nicht mehr unverzüglich.

  • Für die Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der AnfErkl (§ 121 I 2 BGB); Wirksamwerden aber erst mit Zugang; geht die AnfErkl nach Absendung verloren, muss der Erklärende sie unverzüglich erneut absenden.

Kein Verstreichen von 10 Jahren (§ 121 II BGB)

Auch bei Unkenntnis vom Anfechtungsgrund ist die Anfechtung 10 Jahre nach Abgabe der ursprünglichen Erklärung ausgeschlossen.

 

Rechtsfolgen

Ex tunc

  • Die angefochtene WE wird so behandelt, als wäre sie von Anfang (ex tunc) nichtig.
  • Bei bereits vollzogenen Arbeits- oder Gesellschaftsverträgen tritt die Nichtigkeit grds. erst mit der Anfechtungserklärung ein (ex nunc), da eine Rückabwicklung regelmäßig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist; dies gilt nicht, wenn die Rückabwicklung einfach möglich ist oder vorrangige Interessen wie der Schutz Minderjähriger betroffen sind.

  • Bei Teilnichtigkeit richten sich die Folgen nach § 139 BGB.

  • Sofern die Anfechtung zur Nichtigkeit eines Verpflichtungsgeschäfts führt, bleibt das Verfügungsgeschäft hiervon zunächst unberührt (Trennungs- & Abstraktionsprinzip). Eine Rückabwicklung erfolgt i.d.R. über §§ 812 ff. BGB.

 

Ersatz des Vertrauensschadens (§ 122 BGB)

  • Der Anfechtende hat dem Erklärungsempfänger den Schaden zu ersetzen, den er durch das Vertrauen auf die Gültigkeit der WE erlitten hat (Vertrauensschaden); d.h. der Erklärungsempfänger ist so zu stellen, als hätte er nie von der Willenserklärung erfahren (negatives Interesse) (§ 122 I BGB).
  • Der Erklärungsempfänger ist aber nicht besser zu stellen, als er bei Wirksamkeit der WE stünde (Begrenzung auf das positive Interesse) (§ 122 I BGB).

  • Ausschluss des Schadensersatzes, wenn der Geschädigte die zur Anfechtung berechtigenden Tatsachen kannte oder durch Fahrlässigkeit nicht kannte (kennen musste) (§ 122 II BGB).

 

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