BGB
Verweise
in § 310 BGB

BGB  
Bürgerliches Gesetzbuch

ZivilrechtBürgerliches RechtSchuldrecht

Schuldrecht AT

(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 finden § 307 Absatz 1 und 2 sowie § 308 Nummer 1a und 1b auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung.
(1a) Die §§ 307 und 308 Nummer 1a und 1b sind nicht anzuwenden auf Verträge über Geschäfte nach Satz 2, wenn ein Unternehmer das Geschäft, das Gegenstand des Vertrages ist, rechtmäßig gewerbsmäßig tätigt und den Vertrag geschlossen hat mit
1.
einem Unternehmer, der solche Geschäfte am Ort seines Sitzes oder einer Niederlassung auch als Erbringer der vertragstypischen Leistung rechtmäßig gewerbsmäßig tätigen kann,
2.
einem großen Unternehmer im Sinne des Satzes 3, der Geschäfte nach Satz 2 am Ort seines Sitzes oder einer Niederlassung auch als Erbringer der vertragstypischen Leistung rechtmäßig gewerbsmäßig tätigen kann.
Geschäfte nach Satz 1 sind
1.
Bankgeschäfte im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 2 des Kreditwesengesetzes,
2.
Finanzdienstleistungen im Sinne des § 1 Absatz 1a Satz 2 des Kreditwesengesetzes,
3.
Wertpapierdienstleistungen im Sinne des § 2 Absatz 2 des Wertpapierinstitutsgesetzes und Wertpapiernebendienstleistungen im Sinne des § 2 Absatz 3 des Wertpapierinstitutsgesetzes,
4.
Zahlungsdienste im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 2 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes,
5.
Geschäfte von Kapitalverwaltungsgesellschaften nach § 20 Absatz 2 und 3 des Kapitalanlagegesetzbuchs und
6.
Geschäfte von Börsen und ihren Trägern nach § 2 Absatz 1 des Börsengesetzes.
Ein Unternehmer ist als großer Unternehmer nach Satz 1 Nummer 2 anzusehen, wenn er in jedem der beiden Kalenderjahre vor dem Vertragsschluss zwei der drei folgenden Merkmale erfüllt hat:
1.
er hat im Jahresdurchschnitt nach § 267 Absatz 5 des Handelsgesetzbuchs jeweils mindestens 250 Arbeitnehmer beschäftigt,
2.
er hat jeweils Umsatzerlöse von mehr als 50 Millionen Euro erzielt oder
3.
seine Bilanzsumme nach § 267 Absatz 4a des Handelsgesetzbuchs hat sich jeweils auf mehr als 43 Millionen Euro belaufen.
Satz 1 ist auch anzuwenden, wenn die folgenden Stellen eine der beiden Vertragsparteien sind:
1.
die Deutsche Bundesbank,
2.
die Kreditanstalt für Wiederaufbau,
3.
eine Stelle der öffentlichen Schuldenverwaltung nach § 2 Absatz 1 Nummer 3a des Kreditwesengesetzes,
4.
eine auf der Grundlage der §§ 8a und 8b des Stabilisierungsfondsgesetzes errichtete Abwicklungsanstalt,
5.
die Weltbank, der Internationale Währungsfonds, die Europäische Zentralbank, die nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, die Europäische Investitionsbank oder eine vergleichbare internationale Finanzorganisation.
(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.
(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:
1.
Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden;
2.
§ 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Artikel 46b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte;
3.
bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.
(4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.
Quelle: BMJ
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Vorliegen einer Willenserklärung

ZivilrechtBürgerliches RechtBGB AT

Prüfungsschema zu den objektiven (Erklärung, Rechtsbindungswille) und subjektiven Voraussetzungen (Handlungswille, potenzielles Erklärungsbewusstsein) für das Vorliegen einer Willenserklärung.

 

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Objektiver / äußerer Tatbestand
  3. Objektive Erklärung
  4. Objektive Kundgabe eines Rechtsbindungswillen
  5. Ermittlung durch Auslegung
  6. Auf Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet
  7. Rechtsbindungswille
  8. Notwendiger Mindestgehalt (essentialia negotii)
  9. Subjektiver / innerer Tatbestand
  10. Handlungswille
  11. (Potenzielles) Erklärungsbewusstsein
  12. Geschäftswille (= subj. Rechtsbindungswille) nicht erforderlich

 

Im Rahmen eines Rechtsgutachtens ist auf die folgenden Punkte jeweils nur einzugehen, wenn deren Vorliegen problematisch erscheint.

Objektiver / äußerer Tatbestand

Objektive Erklärung

  • Es muss ein objektiv erkennbares Verhalten vorliegen.

    • Erklärung kann ausdrücklich erfolgen.
      Bsp.: Käufer erklärt, er möchte eine Saftpresse für 49 € kaufen.
    • Erklärung kann konkludent, d.h. durch schlüssiges Handeln, erfolgen.
      Bsp.: V nickt auf das Kaufangebot des K und packt die Ware ein.

  • Schweigen stellt grundsätzlich keine Erklärung dar; nur ausnahmsweise und unter besonderen Umständen kann dennoch eine Erklärung angenommen werden; z.B. in folgenden Fällen:
    • Vereinbarung, dass Schweigen als Erklärung gelten soll (siehe auch § 308 Nr. 5 BGB)
    • Schweigen bei Abstimmungen nach Aufforderung zu Gegenstimmen
    • Schweigen bei Zahlungsdiensterahmenvertrag (§ 675g II BGB)
    • Schweigen bei etablierter Geschäftspraxis zwischen den Parteien, dass dies als Annahme gilt
    • bei reiner Vorteilhaftigkeit des anzubahnenden Rechtsgeschäfts
    • bei geringfügiger Abweichung von einem Angebot (s. aber § 150 II BGB)
    • Duldungsvollmacht
    • Schweigen nach kaufmännischem Bestätigungsschreiben (s. § 346 HGB)
    • Schweigen des Kaufmannes auf einen Geschäftsbesorgungsantrag (§ 362 HGB)

 

 

Objektive Kundgabe eines Rechtsbindungswillen

Ermittlung durch Auslegung

Der Inhalt einer Willenserklärung ist im Zweifel zunächst im Rahmen der Auslegung zu ermitteln.

  • Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen ist grundsätzlich gem. §§ 133, 157 BGB auf den verobjektivierten Empfängerhorizont abzustellen. Entscheidend ist, wie ein objektiver Dritter in der Situation des Empfängers die Erklärung verstanden hätte. Ein tatsächlich abweichender Wille des Erklärenden bleibt außer Acht. §§ 133, 157 BGB werden hierbei trotz ihres unterschiedlichen Regelungsgehalts als einheitlicher Auslegungsmaßstab verstanden.
  • Bei nicht-empfangsbedürftigen Willenserklärungen (z.B. Auslobung gem. § 657 BGB, Testament gem. § 1937 BGB) ist allein auf den wahren Willen abzustellen. Auslegungsmaßstab ist insofern § 133 BGB.
  • In besonderen Fällen gelten besondere Auslegungsmaßstäbe. Näher zur Auslegung die Übersicht: Auslegung von Willenserklärungen

 

Auf Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet

Rechtsbindungswille

Der durch Auslegung ermittelte, verobjektivierte Erklärungsgehalt muss auf die willentliche Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet sein (Rechtsbindungswille). Unerheblich ist, ob ein entsprechender Wille auch tatsächlich (subjektiv) vorlag.

  • Rechtsbindungswille bei Gefälligkeiten: Hier ist regelmäßig im Rahmen der Auslegung (s.o.) zu ermitteln, ob ein Rechtsbindungswille vorliegt. Das Fehlen einer Gegenleistung schließt eine rechtliche Bindung nicht aus (s. z.B. §§ 516, 598, 662 BGB) kann aber als Indiz gegen einen Rechtsbindungswillen sprechen. Als weitere Indizien können Art, Grund und Zweck der Gefälligkeit sowie die wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung der Angelegenheit herangezogen werden.

  • Rechtsbindungswille bei invitatio ad offerendum: Hier lädt der Erklärende den Empfänger lediglich zur Abgabe einer Willenserklärung ein. Ob lediglich eine invitatio ad offerendum oder ein rechtlich bindendes Angebot vorliegt, ist im Rahmen der Auslegung zu ermitteln. Entscheidend ist, ob ein Rechtsbindungswille vorlag. Gegen einen solchen Willen kann sprechen, dass der Erklärende über Vertragspartner oder Anzahl der abzuschließenden Verträge erst noch entscheiden wollte, z.B. um nicht an Konkurrenten zu verkaufen, oder um die Deckung durch den Warenbestand oder bei Vorleistung die Kreditwürdigkeit des Käufers zu überprüfen.

 

Notwendiger Mindestgehalt (essentialia negotii)

Die Erklärung muss alle für die Herbeiführung der Rechtsfolge notwendigen Merkmale (essentialia negotii) umfassen. Bei Verträgen müssen regelmäßig Vertragspartner, Leistung und Gegenleistung zu ermitteln sein.

  • Die essentialia negotii müssen nicht ausdrücklich bestimmt sein. Ausreichend ist, dass diese ggf. unter Heranziehung von weiteren Kriterien (z.B. Börsenpreis, Taxameterstand) bestimmbar sind.
  • Möglich ist auch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht (§ 345 BGB)
  • Ein Angebot kann sich auch an unbestimmte Personen richten (offerta ad incertas personas), wenn im Einzelfall ein entsprechender Rechtsbindungswille durch Auslegung ermittelt werden kann.
    Bsp.: Aufstellung eines Süßigkeitenautomaten.

 

 

Subjektiver / innerer Tatbestand

Handlungswille

Handlungswille = Das Bewusstsein, überhaupt zu handeln.

  • Fehlt nur im Ausnahmefall, z.B. bei Handlungen im Schlaf, unter Hypnose, bei Bewusstlosigkeit oder bei willensbrechender Gewalt (vis absoluta).
  • Folge bei Fehlen: Handlungswille ist konstitutive Voraussetzung; ohne Handlungswille liegt keine Willenserklärung vor.

 

(Potenzielles) Erklärungsbewusstsein

Erklärungsbewusstsein = Das Bewusstsein, irgendeine rechtserhebliche Handlung vorzunehmen. Auf die Kenntnis der konkreten Folgen kommt es nicht an.

  • Fehlt, wenn Erklärender die Rechtserheblichkeit seiner Handlung verkennt. Bsp.: E hebt in der Weinversteigerung die Hand, um Freunde zu grüßen und verkennt, dass er damit ein Gebot abgibt.
  • Folge bei Fehlen: umstritten (s. Problembox)

Ist das Erklärungsbewusstsein konstitutiv für das Vorliegen einer Willenserklärung?

  • e.A. Erklärungstheorie: (–) Nein
    Bloße obj. Erklärung genügt; aber Anfechtung analog § 119 I Var. 2 BGB, wenn subj. Erklärungsbewusstsein fehlt.
    (pro) Empfänger kann Vorliegen des Erklärungsbewusstseins nicht erkennen, Wirksamkeit sollte daher von weiterer Erklärung gegenüber dem Empfänger abhängen; Systematik: Schutz des Erklärungsempfängers durch Ersatz des Vertrauensschadens gem. § 122 I BGB nach Anfechtung.
    (con) Vertragliche Bindung erfolgt gegen den Willen des Erklärenden.

  • a.A. Willenstheorie: (+) Ja
    Subj. Erklärungsbewusstsein ist stets erforderlich
    (pro) Systematik: Privatautonomie erfordert Anknüpfung an Willen rechtserheblich zu handeln; auch eine Scherzerklärung ist gem. § 118 BGB nichtig; Schutz des Erklärungsempfängers durch Ersatz des Vertrauensschadens gem. § 122 I BGB analog (es liegt ja keine Anfechtungssituation, sondern Nichtigkeit vor).
    (con) Empfänger kann das Vorliegen des Erklärungsbewusstseins nicht erkennen.

  • h.M. Lehre vom potenziellen Erklärungsbewusstsein: (+/-) Differenzierend
    Es ist nicht notwendigerweise tatsächliches, aber zumindest potenzielles Erklärungsbewusstsein erforderlich; d.h. der Erklärende muss die Rechtserheblichkeit gekannt oder wenigstens fahrlässig verkannt haben.
    (pro) Telos: Teilnahme am Rechtsverkehr erfordert Sorgfalt; Erklärender bei Fahrlässigkeit weniger schutzwürdig als Erklärungsempfänger.
    (con) Systematik: Knüpft vertragliche Bindung an Fahrlässigkeit statt an Willensakt.

 

Geschäftswille (= subj. Rechtsbindungswille) nicht erforderlich

Geschäftswille = Der Wille, eine bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen.

  • Fehlt, wenn ein Irrtum über die bestimmten Konditionen (insb. essentialia negotii) des Rechtsgeschäfts vorliegt.
  • Folge bei Fehlen: Ein Geschäftswille ist für das Vorliegen einer Willenserklärung nicht erforderlich.  Bei Auseinanderfallen von äußerem Rechtsbindungswillen (s.o.) und tatsächlichem Geschäftswillen kommt aber regelmäßig eine Anfechtung gem. §§ 119, 120, 123 BGB in Betracht.

 

 

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