BGB
Verweise
in § 309 BGB

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ZivilrechtBürgerliches RechtSchuldrecht

Schuldrecht AT

Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam
1.
(Kurzfristige Preiserhöhungen)
eine Bestimmung, welche die Erhöhung des Entgelts für Waren oder Leistungen vorsieht, die innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss geliefert oder erbracht werden sollen; dies gilt nicht bei Waren oder Leistungen, die im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen geliefert oder erbracht werden;
2.
(Leistungsverweigerungsrechte)
eine Bestimmung, durch die
a)
das Leistungsverweigerungsrecht, das dem Vertragspartner des Verwenders nach § 320 zusteht, ausgeschlossen oder eingeschränkt wird oder
b)
ein dem Vertragspartner des Verwenders zustehendes Zurückbehaltungsrecht, soweit es auf demselben Vertragsverhältnis beruht, ausgeschlossen oder eingeschränkt, insbesondere von der Anerkennung von Mängeln durch den Verwender abhängig gemacht wird;
3.
(Aufrechnungsverbot)
eine Bestimmung, durch die dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis genommen wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen;
4.
(Mahnung, Fristsetzung)
eine Bestimmung, durch die der Verwender von der gesetzlichen Obliegenheit freigestellt wird, den anderen Vertragsteil zu mahnen oder ihm eine Frist für die Leistung oder Nacherfüllung zu setzen;
5.
(Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen)
die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn
a)
die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder
b)
dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale;
6.
(Vertragsstrafe)
eine Bestimmung, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird;
7.
(Haftungsausschluss bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei grobem Verschulden)
a)
(Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit)
ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen;
b)
(Grobes Verschulden)
ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für sonstige Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen;
die Buchstaben a und b gelten nicht für Haftungsbeschränkungen in den nach Maßgabe des Personenbeförderungsgesetzes genehmigten Beförderungsbedingungen und Tarifvorschriften der Straßenbahnen, Obusse und Kraftfahrzeuge im Linienverkehr, soweit sie nicht zum Nachteil des Fahrgasts von der Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen vom 27. Februar 1970 abweichen; Buchstabe b gilt nicht für Haftungsbeschränkungen für staatlich genehmigte Lotterie- oder Ausspielverträge;
8.
(Sonstige Haftungsausschlüsse bei Pflichtverletzung)
a)
(Ausschluss des Rechts, sich vom Vertrag zu lösen)
eine Bestimmung, die bei einer vom Verwender zu vertretenden, nicht in einem Mangel der Kaufsache oder des Werkes bestehenden Pflichtverletzung das Recht des anderen Vertragsteils, sich vom Vertrag zu lösen, ausschließt oder einschränkt; dies gilt nicht für die in der Nummer 7 bezeichneten Beförderungsbedingungen und Tarifvorschriften unter den dort genannten Voraussetzungen;
b)
(Mängel)
eine Bestimmung, durch die bei Verträgen über Lieferungen neu hergestellter Sachen und über Werkleistungen
aa)
(Ausschluss und Verweisung auf Dritte)
die Ansprüche gegen den Verwender wegen eines Mangels insgesamt oder bezüglich einzelner Teile ausgeschlossen, auf die Einräumung von Ansprüchen gegen Dritte beschränkt oder von der vorherigen gerichtlichen Inanspruchnahme Dritter abhängig gemacht werden;
bb)
(Beschränkung auf Nacherfüllung)
die Ansprüche gegen den Verwender insgesamt oder bezüglich einzelner Teile auf ein Recht auf Nacherfüllung beschränkt werden, sofern dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich das Recht vorbehalten wird, bei Fehlschlagen der Nacherfüllung zu mindern oder, wenn nicht eine Bauleistung Gegenstand der Mängelhaftung ist, nach seiner Wahl vom Vertrag zurückzutreten;
cc)
(Aufwendungen bei Nacherfüllung)
die Verpflichtung des Verwenders ausgeschlossen oder beschränkt wird, die zum Zweck der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen nach § 439 Absatz 2 und 3 oder § 635 Absatz 2 zu tragen oder zu ersetzen;
dd)
(Vorenthalten der Nacherfüllung)
der Verwender die Nacherfüllung von der vorherigen Zahlung des vollständigen Entgelts oder eines unter Berücksichtigung des Mangels unverhältnismäßig hohen Teils des Entgelts abhängig macht;
ee)
(Ausschlussfrist für Mängelanzeige)
der Verwender dem anderen Vertragsteil für die Anzeige nicht offensichtlicher Mängel eine Ausschlussfrist setzt, die kürzer ist als die nach dem Doppelbuchstaben ff zulässige Frist;
ff)
(Erleichterung der Verjährung)
die Verjährung von Ansprüchen gegen den Verwender wegen eines Mangels in den Fällen des § 438 Abs. 1 Nr. 2 und des § 634a Abs. 1 Nr. 2 erleichtert oder in den sonstigen Fällen eine weniger als ein Jahr betragende Verjährungsfrist ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn erreicht wird;
9.
bei einem Vertragsverhältnis, das die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den Verwender zum Gegenstand hat,
a)
eine den anderen Vertragsteil länger als zwei Jahre bindende Laufzeit des Vertrags,
b)
eine den anderen Vertragsteil bindende stillschweigende Verlängerung des Vertragsverhältnisses, es sei denn das Vertragsverhältnis wird nur auf unbestimmte Zeit verlängert und dem anderen Vertragsteil wird das Recht eingeräumt, das verlängerte Vertragsverhältnis jederzeit mit einer Frist von höchstens einem Monat zu kündigen, oder
c)
eine zu Lasten des anderen Vertragsteils längere Kündigungsfrist als einen Monat vor Ablauf der zunächst vorgesehenen Vertragsdauer;
dies gilt nicht für Verträge über die Lieferung zusammengehörig verkaufter Sachen sowie für Versicherungsverträge;
10.
(Wechsel des Vertragspartners)
eine Bestimmung, wonach bei Kauf-, Darlehens-, Dienst- oder Werkverträgen ein Dritter anstelle des Verwenders in die sich aus dem Vertrag ergebenden Rechte und Pflichten eintritt oder eintreten kann, es sei denn, in der Bestimmung wird
a)
der Dritte namentlich bezeichnet oder
b)
dem anderen Vertragsteil das Recht eingeräumt, sich vom Vertrag zu lösen;
11.
(Haftung des Abschlussvertreters)
eine Bestimmung, durch die der Verwender einem Vertreter, der den Vertrag für den anderen Vertragsteil abschließt,
a)
ohne hierauf gerichtete ausdrückliche und gesonderte Erklärung eine eigene Haftung oder Einstandspflicht oder
b)
im Falle vollmachtsloser Vertretung eine über § 179 hinausgehende Haftung
auferlegt;
12.
(Beweislast)
eine Bestimmung, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändert, insbesondere indem er
a)
diesem die Beweislast für Umstände auferlegt, die im Verantwortungsbereich des Verwenders liegen, oder
b)
den anderen Vertragsteil bestimmte Tatsachen bestätigen lässt;
Buchstabe b gilt nicht für Empfangsbekenntnisse, die gesondert unterschrieben oder mit einer gesonderten qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind;
13.
(Form von Anzeigen und Erklärungen)
eine Bestimmung, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, gebunden werden
a)
an eine strengere Form als die schriftliche Form in einem Vertrag, für den durch Gesetz notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist oder
b)
an eine strengere Form als die Textform in anderen als den in Buchstabe a genannten Verträgen oder
c)
an besondere Zugangserfordernisse;
14.
(Klageverzicht)
eine Bestimmung, wonach der andere Vertragsteil seine Ansprüche gegen den Verwender gerichtlich nur geltend machen darf, nachdem er eine gütliche Einigung in einem Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung versucht hat;
15.
(Abschlagszahlungen und Sicherheitsleistung)
eine Bestimmung, nach der der Verwender bei einem Werkvertrag
a)
für Teilleistungen Abschlagszahlungen vom anderen Vertragsteil verlangen kann, die wesentlich höher sind als die nach § 632a Absatz 1 und § 650m Absatz 1 zu leistenden Abschlagszahlungen, oder
b)
die Sicherheitsleistung nach § 650m Absatz 2 nicht oder nur in geringerer Höhe leisten muss.
Quelle: BMJ
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Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung (§ 123 BGB)

Prüfungsschema zur Anfechtung einer Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung (§ 123 BGB), wodurch diese als von Anfang an (ex tunc) nichtig anzusehen ist (§ 142 I BGB).

Täuschung ist Erregung, Aufrechterhaltung oder Verstärkung eines Irrtums. Drohung ist das Inaussichtstellen eines künftigen Übels (jeder Nachteil).

 

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Anfechtungserklärung (§ 143 BGB)
  3. Anfechtungsgrund (§ 123 BGB)
  4. Arglistige Täuschung (§ 123 I Alt. 1 BGB)
  5. Widerrechtliche Drohung (§ 123 I Alt. 2 BGB)
  6. Drohung
  7. Widerrechtlichkeit der Drohung
  8. Widerrechtlichkeit des Mittels
  9. Widerrechtlichkeit des Zwecks
  10. Inadäquates Mittel-Zweck-Verhältnis
  11. Vorsatz
  12. Kausalität der Täuschung oder Drohung
  13. Kein Ausschluss
  14. Keine Bestätigung des Rechtsgeschäfts (§ 144 BGB)
  15. Keine Verfristung (§ 124 BGB)
  16. Jahresfrist (§ 124 I BGB)
  17. Kein Verstreichen von 10 Jahren (§ 124 II BGB)
  18. Rechtsfolge: Ex tunc Nichtigkeit

 

Die erfolgreiche Anfechtung einer Willenserklärung (WE) führt gem. § 142 I BGB grds. dazu, dass diese als von Anfang an (ex tunc) nichtig anzusehen ist. Die Prüfung erfolgt daher bei Ansprüchen üblicherweise unter dem Prüfungspunkt „Anspruch entstanden“. Da der Anspruch tatsächlich bis zur erfolgten Anfechtung bestanden hat, ist auch eine Prüfung unter dem Punkt „Anspruch nicht erloschenvertretbar.

Praktische Auswirkungen hat der Prüfungsstandort nicht. Sofern im Anschluss Kondiktionsansprüche geprüft werden, sollte aber im Einklang mit der Einordnung im ersten Fall eine condictio indebiti nach § 812 I 1 Alt. 1 BGB geprüft werden und in letzterem Fall eine condictio ob causam finitam nach § 812 I 2 Alt. 1 BGB.

 

Anfechtungserklärung (§ 143 BGB)

Bei der Anfechtungserklärung (AnfErkl) handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige WE.

  • Bedingungsfeindlichkeit
    Als Gestaltungserklärung ist die AnfErkl bedingungsfeindlich. Zulässig ist aber die Eventualanfechtung, die unter einer sog. innerprozessualen Rechtsbedingung steht, bei der die Anfechtung - anders als § 158 BGB - für den Fall einer bestimmten rechtlichen Beurteilung (durch ein Gericht) erklärt wird.
    Bsp.: Anfechtung für den Fall, dass überhaupt ein Vertrag zu Stande gekommen ist

  • Adressat (§ 143 BGB)
    Die Erklärung erfolgt gegenüber dem Anfechtungsgegner (§ 143 I BGB). Dies ist grds. der Erklärungsempfänger, bei Verträgen der Vertragspartner (s. § 143 II - IV BGB).

  • Form & Inhalt
    Die AnfErkl ist nicht formgebunden. Sie muss den Begriff ‚Anfechtung‘ nicht enthalten und kann auch konkludent erfolgen. 
    Ihr muss auch zu entnehmen sein, auf welche Willenserklärung oder welches Rechtsgeschäft sie sich bezieht. Bei Verträgen ist ggf. auszulegen (§§ 133, 157 BGB), ob sie sich auf Verpflichtungs- und/oder Verfügungsgeschäft bezieht (Trennungsprinzip).

  • Begründung
    Weitgehende Einigkeit besteht darüber, dass die AnfErkl erkennen lassen muss, dass der Anfechtende die WE wegen Willensmängeln nicht gegen sich gelten lassen möchte.
    Die weiteren inhaltlichen Anforderungen sind umstritten: 

Ist die Angabe des Anfechtungsgrundes und der zugrundeliegenden Tatsachen erforderlich?

  • RG: keine Nennung des Grundes
    Berufung auf die Unwirksamkeit reicht auch ohne Angabe von Anfechtungsgrund oder zugrunde liegende Tatsachen aus 
    (pro) Wortlaut: § 143 BGB nennt dieses Erfordernis nicht
    (pro) Systematik: Gestaltungsrechte erfordern grundsätzlich keine Begründung
    (pro) Systematik: Anderweitig macht der Gesetzgeber spezialgesetzliche Vorgaben zur Begründung (z.B. in §§ 573 III, 574 III BGB, § 102 BetrVG)
  • BGH: wenigstens Unwirksamkeit wegen Willensmangel
    Erforderlich ist jedenfalls der unzweideutig erkennbare Wille, die ursprüngliche WE wegen eines Willensmangels nicht bestehen lassen zu wollen. Die weiteren Voraussetzungen wurden bislang vom BGH offen gelassen.
    (pro) Der Anfechtungsgegner muss erkennen können, welches Gestaltungsrecht der Anfechtende ausübt.

  • Ans.: wenigstens Erkennbarkeit von Anfechtungsgrund und Tatsachen
    Anfechtungsgrund und zur Anfechtung berechtigende Tatsachen müssen in der Erklärung angegeben werden, wenn sie für den Anfechtungsgegner nicht anderweitig erkennbar sind; werden Gründe oder Tatsachen nachgeschoben, handelt es sich um eine weitere Anfechtungserklärung, die fristgerecht erfolgen muss
    (pro) Telos: Anfechtungsgegner muss überprüfen können, ob die Anfechtung berechtigt ist und ob ihm Schadensersatz nach § 122 BGB zusteht

  • Ans.: im Zweifel Irrtumsanfechtung
    Nennung des Anfechtungsgrundes ist nicht erforderlich; im Zweifel ist von einer Irrtumsanfechtung auszugehen
    (pro) Telos: Dem erkennbaren Willen des Anfechtenden wird durch die Nichtigkeit Rechnung getragen; sofern er der Schadensersatzpflicht des § 122 BGB entgehen will, muss er sich auf die Täuschung oder Drohung berufen
  • Ans.: Begründung kann nachgeschoben werden
    Eine Begründung mit der AnfErkl ist nicht erforderlich, muss aber auf Verlangen nachgeschoben werden
    (pro) Telos: wenn es dem Anfechtungsgegner auf die Mitteilung der Gründe nicht ankommt, braucht der AnfErkl die Wirkung nicht versagt werden; andernfalls zu starke Einschränkung des Anfechtungsrechts

 

Anfechtungsgrund (§ 123 BGB)

Anders als die Anfechtung nach § 119 II BGB wird eine Anfechtung nach § 119 I BGB, § 120 BGB oder § 123 BGB nicht durch den Vorrang des Gewährleistungsrechts verdrängt.

Arglistige Täuschung (§ 123 I Alt. 1 BGB)

Täuschung = Erregung, Aufrechterhaltung oder Verstärkung eines Irrtums

Irrtum = Auseinanderfallen von vorgestelltem und tatsächlichem Sachverhalt

Arglistig = Vorsatz (mindestens dolus eventualis = Eventualvorsatz) bezüglich des Umstandes, dass der Getäuschte sonst eine Willenserklärung eines anderen Inhalts abgeben würde

  • Täuschung durch Unterlassen möglich, wenn Aufklärungspflicht besteht; durch Auslegung im Einzelfall zu ermitteln; grds. muss jede Partei für sie wesentliche Informationen selbst einholen; Aufklärungspflicht aber insb. in folgenden Fallgruppen naheliegend:
    • Nachfragen müssen richtig und vollständig beantwortet werden
    • Erkennbare Bedeutung der Umstände für den Vertragspartner (Bsp.: wesentliche Mängel einer Kaufsache)
    • Drohende Zahlungsunfähigkeit bei Eingehung künftiger Zahlungsverpflichtungen
    • Besonderes Vertrauensverhältnis
    • Aber grds. keine Aufklärungspflicht bei Bewerbungsgesprächen über Vorstrafen, Schwangerschaft, Parteimitgliedschaft

 

  • Keine Täuschung bei unzulässigen Fragen (Recht zur Lüge)
    Bei unzulässigen Fragen ist eine falsche Beantwortung nicht arglistig (a.A. nicht rechtswidrig).
    Bsp.: Stellenbewerber dürfen im Einzelfall unzulässige Fragen, z.B. nach Schwangerschaft, sexueller Orientierung oder Religion unwahr beantworten

 

  • Täuschung durch Dritte
    • Täuschungen durch Dritte berechtigen zur Anfechtung, wenn der Anfechtungsgegner die Täuschung kannte oder kennen musste (§ 123 II BGB).
    • Dritter i.S.d. § 123 II BGB ist nicht, wer im Lager des Adressaten steht (Lagertheorie); d.h. Täuschungen des Stellvertreters (§ 164 I BGB), des Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) oder sonst. Personen, die auf Seiten des Adressaten stehen, werden diesem zugerechnet.

 

Widerrechtliche Drohung (§ 123 I Alt. 2 BGB)

Drohung

Drohung = Inaussichtstellen eines künftigen Übels. Als Übel genügt jeder Nachteil.

  • Bedrohter muss den Eindruck haben, das Übel hänge vom Willen des Drohenden ab; der Hinweis auf eine bereits bestehende Zwangslage oder bereits vollzogene Maßnahmen genügt nicht.
  • Drohung kann ausdrücklich oder konkludent und versteckt erfolgen.
  • Auf die Person des Drohenden kommt es nicht an; auch Drohungen Dritter kommen in Betracht; § 123 II BGB gilt nur für Täuschungen.

 

Widerrechtlichkeit der Drohung

Kann sich aus dem Mittel, dem Zweck oder aus der Mittel-Zweck-Relation ergeben.

Widerrechtlichkeit des Mittels

Mittel der Drohung ist rechtswidrig.

Bsp.: Drohung mit Schlägen oder mit Verweigerung von Hilfe in der Not; nicht aber Drohung mit Strafanzeige, mit Anrufung des Gerichts oder mit Betreiben der Zwangsvollstreckung

Widerrechtlichkeit des Zwecks
  • Erstrebter Erfolg ist verboten oder sittenwidrig.
  • Keine eigenständige Bedeutung, da die Nichtigkeit der WE bereits aus §§ 134, 138 BGB folgt.
Inadäquates Mittel-Zweck-Verhältnis

Verknüpfung von Mittel und Zweck erscheint sittenwidrig.

Bsp.: Anwalt droht unmittelbar vor der Hauptverhandlung mit Mandatsniederlegung, wenn nicht ein höheres Honorar vereinbart wird.

 

Vorsatz

Drohender muss den Vorsatz haben, eine WE mit dem abgegebenen Inhalt herbeizuführen.

 

Kausalität der Täuschung oder Drohung

Die Kausalität der Täuschung oder Drohung fehlt, wenn der Erklärende die WE auch ohne Täuschung oder Drohung abgegeben hätte.

 

Kein Ausschluss

Keine Bestätigung des Rechtsgeschäfts (§ 144 BGB)

Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Anfechtende das Rechtsgeschäft in Kenntnis aller Anfechtungsgründe bestätigt hat. Strittig ist, ob die Bestätigung zugangsbedürftig ist.

Keine Verfristung (§ 124 BGB)

Jahresfrist (§ 124 I BGB)

  • Die Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung muss innerhalb eines Jahres erfolgen (§ 124 I BGB)
  • Die Frist beginnt bei der Täuschung mit deren Entdeckung, bei Drohung mit dem Ende der Zwangslage (§ 124 II 1 BGB)
  • beachte die Möglichkeit der Zurückweisung einseitiger Rechtsgeschäfte gem. § 174 BGB, wenn die Anfechtung durch einen bevollmächtigten Stellvertreter erfolgt
  • Die Frist ist nach h.M. nur gewahrt, wenn die Erklärung innerhalb der Frist zugeht. § 121 I 2 BGB soll keine analoge Anwendung finden

Kein Verstreichen von 10 Jahren (§ 124 II BGB)

Auch bei Unkenntnis vom Anfechtungsgrund oder Fortbestehen der Zwangslage ist die Anfechtung 10 Jahre nach Abgabe der ursprünglichen Erklärung ausgeschlossen.

 

Rechtsfolge: Ex tunc Nichtigkeit

  • Die angefochtene WE wird so behandelt, als wäre sie von Anfang (ex tunc) nichtig.
  • Bei bereits vollzogenen Arbeits- oder Gesellschaftsverträgen tritt die Nichtigkeit grds. ausnahmsweise erst mit der Anfechtungserklärung ein (ex nunc), da eine Rückabwicklung regelmäßig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist; dies gilt nicht, wenn die Rückabwicklung einfach möglich ist oder vorrangige Interessen wie der Schutz Minderjähriger betroffen sind.
  • Bei Teilnichtigkeit richten sich die Folgen nach § 139 BGB.
  • Sofern die Anfechtung zur Nichtigkeit eines Verpflichtungsgeschäfts führt, bleibt das Verfügungsgeschäft hiervon zunächst unberührt (Trennungs- & Abstraktionsprinzip). Eine Rückabwicklung erfolgt i.d.R. über §§ 812 ff. BGB. Bei § 123 BGB werden aber häufig auch etwaige Verfügungsgeschäfte vom Anfechtungsgrund betroffen sein.
  • Anders als bei der Anfechtung nach §§ 119 oder 120 BGB ist bei der Anfechtung nach § 123 BGB kein Schadensersatz nach § 122 BGB zu leisten.

 

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